Trettmann-Konzert in KölnBewegende Reime über Stolpersteine

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Käppi, Sonnenbrille, Kapuze sind Markenzeichen bei Trettmann.

Köln – Als Trettmann in der Stadt, wo der erste Stolperstein gelegt wurde, beginnt zu reimen, wie er kurz nach Sonnenaufgang von einer Party zurückkehrt und vor seiner Haustür das Messingschild mit dem Namen einer Frau entdeckt, bekommen die Gesichter im ausverkauften Palladium einen anderen Ausdruck.

War die so jung Ermordete seinem Mädchen eben auf der Party ähnlich? „Sie war Mitte zwanzig, selbes Alter, ging sie gern tanzen? Königin vom Ballsaal, genau wie du“. Damit holt der Rapper die Vergangenheit unmittelbar in den Saal, der kurz davor noch riesige Tanzfläche war.

Das zu „Stolpersteine“ veröffentlichte Video bleibt schwarz, so wie die Leinwand hinter Trettmann in Köln. „Endlich mal ein Star aus der Rap-Szene, der öffentlich an den Holocaust erinnert“, hat ein Kommentator bei Youtube kommentiert – traurig, aber wahr angesichts von Rappern wie Kollegah, die mit antisemitischen Reimen Schlagzeilen machen. Umso irritierender nach diesen drei unter die Haut gehenden Minuten, dass Trettmann unmittelbar zur großen Feierkeule rausholt und mit seinem Voract Joey Bargeld und dem Sauflied „Nur noch einen“ Partymachen der schlichteren Kategorie zelebriert.

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Späte Berühmtheit

Andererseits spiegelt dieser Kontrast – oder: die Fallhöhe – ziemlich genau Trettmanns Mäandern zwischen sprachgewaltigen Songs mit Tiefe wie „Billie Holliday“ und die für seine späte Berühmtheit sorgenden Großraumdisco-Produktionen mit Bonez MC („Gottseidank“), Proll-Rap-Kollaborationen („Standard“) und textlich schlichten Pophits mit Cro und Henning May („Fünf Minuten“). Trotzdem schade eigentlich, dass der Sänger von Annenmaykantereit bei diesem Heimspiel nicht auf die Bühne kommt.

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Auch das Publikum spiegelt die verschiedenen Seiten des als Stefan Richter in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, Aufgewachsenen: Viele im Saal könnten locker die Kinder des 46-Jährigen sein, der erst vor zwei Jahren mit seinem Album „DIY“ richtig erfolgreich wurde und im Herbst mit „Trettmann“ ein neues Album vorgelegt hat, ausgetüftelt mit dem Berliner Produzententeam Kitschkrieg.

Feuerzeuge statt Smartphones

Aber es sind auch viele ältere Fans im Saal – zu erkennen an den Feuerzeugen, die hochgehen, als zwischendurch Balladenzeit angesagt ist. Die Jüngeren wedeln mit Smartphones. „DIY“ – Do it yourself“ – gilt auch für die Kölner Show. Der extrem sympathisch auftretende Trettmann unterhält fast durchweg allein. Fehlen tut nichts, denn er rappt, tanzt und singt mit seiner manchmal anstrengend im Autotune-Modus verfremdeten Stimme für Drei, stilistisch zwischen Reggae, Dancehall und Hip-Hop. Nach nur 75 Minuten endet seine unterhaltsame und im besten Sinne routinierte Show aber leider schon.

Als Ronny Trettmann hat er früher Dancehall auf Sächsisch gemacht. Irgendwann fiel Ronny weg. Der Dialekt auch. In „Grauer Beton“ verarbeitet er seine Jugend, auf der Leinwand sind Plattenbauten zu sehen. „Grauer Beton, rauer Jargon, Freiheit gewonnen, wieder zeronnen, Auf und davon, nicht noch eine Saison.“ Trettmann ist aus Chemnitz weggezogen. Er lebt heute in Leipzig.

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