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Valerie Weber verlässt den WDRDas Ende eines Missverständnisses

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Valerie Weber

Köln – Acht Jahre nach der Wahl von Valerie Weber zur WDR-Direktorin hat Intendant Tom Buhrow den Rundfunkrat des Senders am Mittwoch darüber informiert, dass Valerie Weber den WDR um Aufhebung ihres Vertrages bittet. Weber wurde im November 2013 zur Hörfunkdirektorin gewählt und ist seit Beginn ihrer zweiten Amtszeit 2019 Programmdirektorin für NRW, Wissen und Kultur.

„Mit der Übergabe des ARD-Vorsitzes vom WDR an den rbb zum Jahreswechsel geht für mich eine äußerst spannende Aufgabe als Mitglied der ARD-Geschäftsführung zu Ende“, zitierte der Sender die 55-Jährige. „Außerdem“, so Weber „ist WDR-intern mit der multimedialen Zusammenführung aller Fachredaktionen sowie der strukturellen und personellen Neuaufstellung der Hörfunkflotte ab 2022 auch ein wichtiger Meilenstein im digitalen Umbau des WDR erreicht.“

Neuer Vorsitzender des Rundfunkrats

Rolf Zurbrüggen ist neuer Vorsitzender des WDR-Rundfunkrats. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums haben ihn heute mit großer Mehrheit (45 von 54 Stimmen) für eine fünfjährige Amtsperiode gewählt. Damit folgt er auf Andreas Meyer-Lauber, der dem Gremium nicht erneut angehört. 

Zurbrüggen sagte, auf den Rundfunkrat kämen durch den digitalen Umbau des Senders und den  neuen Medienstaatsvertrag zusätzliche und wichtige Aufgaben zu. „Entscheidend ist, dass das öffentlich-rechtliche Programm relevant bleibt. Dazu gilt es, die Chancen und Risiken digitaler Ausspielwege weiterhin konsequent auszuloten.“ Dabei werde der Rundfunkrat den Sender weiterhin konstruktiv beraten und begleiten. Als Vorsitzender wolle sich Zurbrüggen für eine transparente und starke Gremienarbeit einsetzen – nicht zuletzt, um die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu bewahren und zu stärken.

Zurbrüggen gehört dem WDR-Rundfunkrat seit 2009 an, zunächst als stellvertretendes und seit Dezember 2016 als ordentliches Mitglied. Er wurde vom Landesverband der Volkshochschulen von NRW entsandt.

Seit der crossmedialen Strukturreform 2019 verantwortet Valerie Weber die elf WDR -Landesstudios sowie die Fachressorts Wissen, Wirtschaft und Kultur. Dazu leitet sie neben den sechs Radiowellen die vier WDR-Ensembles.

„Wir respektieren den Wunsch von Valerie Weber, den WDR zu verlassen, auch wenn uns ihre wertvollen Impulse und kreativen Ideen fehlen werden“, sagte WDR-Intendant Tom Buhrow. „Mit ihr verlieren wir eine Visionärin für den Public Value des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, eine Kämpferin für agile und neue Strukturen und eine empathische Programm-Managerin, die immer das Publikum im Blick hat. Wir bedauern ihr Ausscheiden sehr.“

Harmonie überdeckt Differenzen

Das klingt nach Harmonie, doch der so plötzliche Abschied der Programmdirektorin ist letztlich das Ende eines fortwährenden Missverständnisses. Weber und der öffentlich-rechtliche Sender sind nie miteinander warm geworden. Bei den Mitarbeitern der Hörfunk-Wellen hatte Weber von Beginn an einen schweren Stand. Weber kam vom Privatradio, war Programmdirektorin und Geschäftsführerin von Antenne Bayern. Und dort regierten, so zumindest schätzte es die Mehrheit im WDR ein, reines Quotendenken und ein Hang zu Seichtem und Gewinnspielen.

Diesen Stempel ist Weber im WDR nie losgeworden. Und fragt man die WDR-Mitarbeiter, hat sie auch alles dafür getan, dass ihr dieser Makel dauerhaft anhaftete. Die Umbauten in den Radiowellen sahen viele Hörfunkkollegen – und auch viele Hörer – als deutliche Schritte in Richtung Formatradio. Fröhliche Moderationen, bloß nichts zu ernstes, keine langen Interviews, gerne Gewinnspiele. Die Angst vorm Dudelfunk ging um.

Der Makel des Seichten

Programmreformen wurden gegen den Willen vieler Kollegen durchgedrückt, es gab Widerstand bei eigentlich allen Wellen. Im vergangenen Jahr sorgte das Aus für den „Stichtag“ für Aufregung, in diesem Jahr gab es heftige Diskussionen wegen der Literaturkritik und der Kulturberichterstattung im Ganzen. Auch für die erste Berichterstattung über die Flut im Sommer wurde der WDR vielfach kritisiert.

Im persönlichen Umgang ist Weber stets sehr freundlich, auch im Rundfunkrat kam sie mit ihrer gewinnenden Art gut an. Doch auch daran gab es Kritik aus den eigenen Reihen. Weber lächele Fragen einfach weg und lasse echte Diskussionen nicht zu. Sie argumentiere nicht journalistisch, sondern marktstrategisch, binde die Redaktionen nicht ausreichend in Veränderungsprozesse ein.

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In der Rückschau des WDR klingt das alles natürlich ganz anders. Weber habe den Launch vieler erfolgreicher digitaler Angebote begleitet, wie das Wissensgebiet Quarks, der Instagram-Kanal Mädelsabende und das TV-Format „Freitagnacht Jews“ für die ARD-Mediathek. Über die Jahre sei es ihr gelungen, die Beliebtheit der Wort- und Kulturwellen sowie der populären Wellen beim Publikum zu steigern. WDR 2 sei inzwischen Deutschlands meistgehörtes Radioprogramm. Mit 1LIVE, WDR 2 und WDR 4 finden sich laut WDR auch in diesem Jahr erneut drei Wellen des WDR unter den erfolgreichsten zehn Radiosendern in Deutschland.

„Es war mir eine große Ehre, so viele Jahre die Zukunft des größten Senders der ARD mitgestalten zu können“, sagte Valerie Weber laut Pressemitteilung. Sie sei dem Intendanten und den Gremien sehr dankbar für ihr Vertrauen. „Meine Benennung als erste Direktorin ohne öffentlich-rechtlichen Hintergrund war einerseits ein Wagnis, andererseits aber auch ein klares Aufbruchssignal angesichts der notwendigen internen Veränderungen: massiver Einspardruck gepaart mit den Herausforderungen des digitalen Wandels. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen für das Vertrauen und das großartige Engagement, mit dem sie den Weg mitgegangen sind. Zusammen haben wir viel erreicht.“

Es sind versöhnliche Worte zum Abschied, aber die Vermutung liegt nahe, dass ihre persönliche Bilanz dieser Jahre nicht ganz so positiv ausfällt.

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