Verlust für das Kölner KunstlebenDietmar Schneider mit 83 Jahren gestorben

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Gerhard Richter und Dietmar Schneider.

Köln – Es gibt drei Wege zu Dietmar Schneiders Lebenswerk, die beiden ersten führen über Papier. In den „Kölner Skizzen“ begleitete Schneider über 30 Jahre hinweg aus nächster Nähe das Kölner Kunstleben, und in seinen Fotobüchern findet sich praktisch jeder Künstler, der seit den 60er Jahren mehr als einige Stunden in Köln gastierte - und das waren neben vielen unbekannten auch und gerade die berühmtesten ihrer Zeit. Der dritte und aufschlussreichste Weg aber führt über Kopfsteinpflaster und Asphalt, kreuz und quer durch die Stadt, in der Schneider als Ausstellungsmacher und Kulturmanager überall Spuren hinterlassen hat.

1966 organisierte Schneider, als gelernter Versicherungskaufmann ein klassischer Seiteneinsteiger, die erste von Hunderten Ausstellungen in Köln. Damals waren die Museen noch weitgehend geschlossen für junge Kunst, und die Kölner Galerienszene steckte, ein Jahr vor Gründung der Kunstmesse, gerade einmal in den Kinderschuhen. Also überredete Schneider Kölner Geschäftsleute, den Künstlern ihre Schaufenster, Verkaufs- und Schalterräume zu überlassen, und wurde so zum Vorreiter des kulturellen Sponsorings. „Ich habe die Kunst dorthin gebracht, wo Platz war und sich schon Publikum befand“, so Schneider.

Dietmar Schneider ebnete der Avantgarde den Weg

In den folgenden Jahren machte sich die Avantgarde auf den Kölner Einkaufsstraßen breit. Stollwerck räumte die Auslage für Dieter Roths Schokoladenküche frei, bei Wormland baute Heinz Mack seine beweglichen Objekte auf, und Joseph Beuys stellte sich mitten ins Getümmel, um mit verblüfften Passanten über Kunst und Demokratie zu diskutieren. Für die Olympischen Spiele von 1972 erweiterte Schneider seinen Geschäftsradius kurzfristig nach Süden, und für die deutschen Amerikahäuser organisierte er eine Ausstellungstournee mit US-Fotografie – aber im Herzen blieb er ein kölscher Macher mit Helfersyndrom.

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Dietmar Schneiders Fotografien wurden 2012 in der Agneskirche und 2019 in der artothek Köln ausgestellt.

Ans Geldverdienen hat Dietmar Schneider stets am wenigsten gedacht, was ihm auf beiden Seiten Achtung eintrug. „Mit den Firmen habe ich stets feste Honorare ausgehandelt“, sagte Schneider, „von den Künstlern nahm ich nichts“ – das wesentliche Kapital seiner Kunstvermittlung war gegenseitiges Vertrauen. Gemeinsam mit der Firma 4711 initiierte er den Kunstpreis Glockengasse und mit Toyota den Fotokunstpreis. Beides Förderpreise für junge Kunst, deren Preisträgerliste (von Rebecca Horn bis Katharina Fritsch) heute noch bestehen kann.

Der Kölner Dietmar Schneider wollte möglichst vielen Kunst nahebringen

Mit den Jahren wurde der Pionier von der Entwicklung der Kunstwelt überholt, von Schneiders frühen Initiativen hat keine überlebt. Entmutigt hat ihn das nicht. Für Freunde und Favoriten warb er auch im Quasi-Ruhestand unermüdlich weiter, mit „Update Cologne“ brachte er vor einigen Jahren ein Kölner Ausstellungsformat für ältere Künstler mit auf den Weg. Sein gigantisches Archiv, mit unzähligen Fotografien, Briefen, Geschenken und Dankesgaben auch eine Erinnerung an lange Freundschaften, übergab Schneider 2021 ans Rheinische Archiv für Künstlernachlässe in Bonn.

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Als junger Kerl, sagte Schneider, hätte er sich nicht träumen lassen, dass sein Leben eine künstlerische Wendung nimmt. Irgendwann habe er aber gemerkt: „Hoppla, das öffnet Augen.“ Diese Erfahrung wollte er möglichst vielen Menschen nahebringen und gerade auch solchen, die wie er nicht mit Kunst aufgewachsen waren. Für Dietmar Schneider war Kunst weniger ein Geschäft, als ein Grundstein der Demokratie und des privaten Glücks. Jetzt ist er, wie diese Zeitung aus Familienkreisen erfuhr, im Alter von 83 Jahren gestorben.

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