Von Eichendorff zur Hochschulreform

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Bei der ersten Begegnung konnte Wolfgang Frühwald distanziert, staatstragend, ein wenig unnahbar wirken – typische Verkörperung eines seinem Metier auf asketische Weise verpflichteten Wissenschaftlers. Dieser spontane Eindruck verflüchtigte sich allerdings schnell in der engagierten Diskussion um die Sache.

Wenn es um das Bergwerksmotiv in der deutschen Romantik, um Eichendorff und die katholische Erneuerungsbewegung im 19. Jahrhundert oder um Perspektiven der Exilforschung ging , dann lief Frühwald zu lebhaft-herzlicher Großform auf. Die bayerische Herkunft brachte sich im Tonfall unleugbar zur Geltung, hatte sich aber zu jener kommunikativ-kultivierten Idealform veredelt, die niemanden mehr an Krachlederne und Biergarten denken ließ.

Der Verfasser dieser Zeilen gesteht jedenfalls, durch Frühwalds Romantik-Vorlesungen in der überfüllten Aula der Ludwig-Maximilians-Universität in München erst auf den Geschmack an diesem Thema gekommen zu sein. Als konservativer Katholik und Vertrauensdozent der Adenauer-Stiftung wurde Frühwald übrigens auch immer mal wieder von der „Marxistischen Gruppe“ angegriffen, deren Attacken er indes ironisch-gelassen zu kontern wusste.

Der gebürtige Augsburger (Augsburg war bis zuletzt sein Wohnort) hatte sich nach der Promotion über ein Mittelalter-Thema 1969 mit einer Arbeit über das Spätwerk Clemens Brentanos habilitiert – eine bis heute einflussreiche Studie, die zur Grundlage der Brentano-Forschung der vergangenen Jahrzehnte wurde. Zunächst auf eine Professur an der Universität Trier berufen, war Frühwald von 1974 bis zu seiner Emeritierung 2003 Professor für Neuere Deutsche Literatur in München. Rasch schrieb er sich mit auch Laien zugänglichen Studien über die Romantik, Goethe und Goethe-Rezeption, den „Fall Toller“, Kirche und Literatur sowie fundierten Werkeditionen in die erste Reihe der deutschen Germanisten ein.

Von 1982 bis 1987 war Frühwald Mitglied im Wissenschaftsrat und 1989 Prorektor der Münchner Uni – was bereits auf das Standbein hinwies, das im zweiten Teil seiner Karriere immer wichtiger wurde: das des Wissenschaftsmanagers. Frühwald amtierte von 1992 bis 1997 als Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von 1999 bis 2007 als Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und wurde in diesen Funktionen auch einer breiteren Öffentlichkeit als jemand bekannt, der kein Blatt vor den Mund nahm. So geißelte er – wenn auch distinguiert – die von ihm als solche erkannten Fehlentwicklungen im deutschen Hochschulsystem: Forschungsbehinderungen, Sparpolitik und die Überbetonung der Lehre im universitären Aufgabengefüge.

Nun ist Wolfgang Frühwald im Alter von 83 Jahren verstorben.

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