Vor Ort, in der Stadt, im NetzRundgang der Kunsthochschule in Corona-Zeiten

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Mit dem Werk „Cherry Picking Paradise“ hinterfragt Sara Hoffmann die Globalisierung am Beispiel von Palmen.

  • In jedem Jahr stellt die Kunsthochschule für Medien in Köln bei ihrem Rundgang die Abschluss- und andere Arbeiten ihrer Studierenden vor.
  • Die Corona-Pandemie zwingt die KHM dazu, kreativ zu werden. In diesem Jahr muss der Rundgang anders gestaltet werden.
  • Das Programm ist dünner, das Spektrum der Arbeiten trotzdem breit – und an verschiedenen Orten zu finden.

Köln – Ein Ausschnitt aus der Sendung mit der Maus, eine Quizfrage oder Werbung: Wer in Köln auf seine U-Bahn wartet, dem wird die Zeit mit Infotainment verkürzt. Oder auch mit kurzen Filmen aus Semesterarbeiten der Kunsthochschule für Medien in Köln: Ein Teil des Ersatzes für den alljährlichen Rundgang, auf dem Diplomarbeiten und andere Werke der KHM-Studierenden vorgestellt werden. In einer Pandemie nicht realisierbar. Also ist der Rundgang in diesem Jahr dreigeteilt: Vor Ort, in der Stadt, im Netz, so lautet das Motto.

In der Stadt, dafür stehen die kurzen Filme in den U-Bahn-Stationen. Normalerweise schaltet die KHM auf den Infoscreens Werbung, um auf ihren Rundgang aufmerksam zu machen. Nun gehören die Tafeln selbst dazu. Auch ein Radioabend am Donnerstag um 19 Uhr mit dem Titel „radio in between spaces – how to live together“, abrufbar im Internet, ist ein Teil davon.

Vor Ort, an der Kunsthochschule, bleibt allerdings der wichtigste Teil des Projekts. Dort stellen die Absolventinnen und Absolventen ihre Diplomarbeiten vor. „Wir wollten den Absolventen die Chance geben, ihre Arbeiten auszustellen“, erklärt Heike Ander, die sich um die Ausstellung kümmert. Das Programm in diesem Jahr sei natürlich kleiner, „dafür rücken die einzelnen Ausstellungen mehr in den Blickpunkt.“

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Wir sind Kolumbien – aber was ist Kolumbien?

Eine dieser Ausstellungen ist gleich im Eingang zur Aula zu sehen. Am Filzengraben 2 leuchtet eine etwas andere kolumbianische Flagge im hohen Fenster. Die Farben gelb und rot sind vertauscht, sodass die Hälfte der Flagge letzterer Farbe gehört. Ein kleiner Kniff mit großer Bedeutung des kolumbianischen Absolventen Camilo Sandoval. Ursprünglich habe die Farbwahl der Flagge seines Heimatlandes keine große Bedeutung gehabt, erklärt er. Gängig sei aber, dass der große gelbe Teil für Gold und Reichtum stehe, der kleinere rote für Blut.

Eine auf Stoff geradlinige Aufteilung, die in Sandovals Augen jedoch schief ist. „Die Flagge Kolumbiens ist im Alltag viel weiter verbreitet als hier die deutsche Flagge. Sie ist ein starkes Symbol, steht dafür, dass wir Kolumbien sind. Aber es gibt keine wirkliche Idee, was Kolumbien ist.“ Sandoval sieht beim Blick auf sein Heimatland vor allem den Bürgerkrieg zwischen Rebellen und der Regierung, weniger den Reichtum und das Gold. „Deswegen habe ich für das Blut in der Flagge den oberen Teil gewählt.“

Von Kolumbien bis in die Eifel

Vom fernen Kolumbien sind es nur ein paar Meter und eine Treppe abwärts bis in die Eifel. Für die Rauminstallation „Vulkaneifel“ hat sich Judith Röder in ihre Heimat begeben, sich gefragt, wie Landschaften den Menschen prägen. Nach Motiven für den Experimentalfilm hat sie ausdrücklich nicht gesucht, sondern sie auf sich zukommen lassen. Alle Bilder, für die sie oder die Aufziehkamera zu langsam war, hat sie in Worte gefasst.

Die Spanne der Arbeiten ist groß. Nicht nur geografisch, von der Eifel über Kolumbien bis in die Nationalparks im Westen der USA, wo Julian Simon Pache auf Kinos und Filme über Sehenswürdigkeiten neben genau diesen stieß und das gleichsam „eindrucksvoll und absurd“ fand. Auch inhaltlich ist das Spektrum breit. Von einfachen Melodien aus Großbritannien, mittels derer Sybella Perry über Mobilität und Pluralität nachdenkt, über Sara Hoffmanns Werk zur Globalisierung am Beispiel importierter Palmen bis hin zu den harten Fakten der Physik, mit denen Dawid Liftinger die verschiedenen Bedeutungen der Entropie zusammenbringt

Von Kurz- bis Spielfilm

Im Netz sind auf der Homepage der KHM Ausschnitte der einzelnen Ausstellungen auf dem Rundgang zu finden – der dritte Teil des Rundgang-Mottos in diesem Jahr. Vor Ort und im Netz präsent sind auch die Werke der Absolventen, die sich für einen Film als Abschlussarbeit entschieden haben.

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Zu sehen sind sie in der Aula im Filzengraben und im Radstadion in Müngersdorf. Der Platz ist aufgrund des Abstandsgebots, auf das auch während des Rundgangs immer wieder hingewiesen wird, begrenzt. Deshalb sind die Trailer der Filme und die anschließenden Gespräche mit den Absolventinnen und Absolventen zusätzlich im Internet zu finden. Gerade diese hätten immer einen großen Wert, betont Ute Dilger, die sich um die Filmvorführungen kümmert.

Anmeldung für die Filme

Für die Filmprogramme, von denen es bis Sonntag täglich drei gibt, müssen sich Interessierte online anmelden. Die Anmeldung für das Programm im Radstadion läuft über rausgegangen.de, die Anmeldung für das Programm in der Aula über die Website der KHM. Die Plätze sind bereits fast ausgebucht.

Für den Rundgang ist keine Anmeldung notwendig, lediglich eine Registrierung am Eingang.

Wie bei den Ausstellungen ist die Vielfalt auch bei den Filmen groß. Da gibt es auf der einen Seite den animierten Kurzfilm „them people“ von Nausheen Javed, der die größer werdende Intoleranz gegenüber „den Anderen“ thematisiert und einen Blick von außen auf das große Ganze wirft. Und auf der anderen Seite „Lychen 92“ von Florian Brückner und Constanze Klaue: ein Spielfilm, fast sechsmal so lang. Zwar gibt es auch hier den Blick aufs große Ganze, jedoch aus dem Kleinen heraus. Der Film zeigt, wie sich der zwölfjährige Moritz in der Nachwendezeit Ostdeutschlands versucht, zurechtzufinden. Da liegt die Parallele zum diesjährigen Rundgang der KHM nahe, der sich ebenfalls in einer schwierigen Zeit zurechtfinden muss.

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