Wanda im PalladiumHabt Euch alle lieb!

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Endstation Sehnsucht: Wanda beim Auftritt im Palladium

Endstation Sehnsucht: Wanda beim Auftritt im Palladium

Köln – Für die, die sie nicht kennen: Wanda ist eine Band, die es so schon lange nicht mehr gibt. Macho-Texte und Lederjacken, demonstratives Rauchen, Saufen, Prollsein, dazu Gitarrenriffs und ganz viel Pathos. Und doch ein gutes bisserl mehr. Also gibt es sie noch, sehr sogar, die meisten Konzerte zu ihrer Niente-Tour sind lange ausverkauft, auch das am Freitagabend im Palladium.

„Wenn jemand dich fragt, wofür du lebst, sag’ für Amore“ – mit diesen Zeilen aus ihrem ersten Hit „Bologna“ schaffte Wanda es ans Ende von Rainald Goetz’ Dankesrede zum Büchner-Preis und in die Charts. Mit ihrem größten Hit steigen sie in Köln ein, um sodann 16 weitere bittersüße Ausrufezeichen zu setzen. „Klar wie Physik müssen gute Texte sein“, sagt ihr Sänger Marco M. Wanda, seine Reime schmecken nach Zuckerwatte und Fernet Branca.

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Das Leben ist kurz und oft genug traurig, also habt euch lieb, Amore statt Peng Peng – darauf können sich Jungs im Muskelshirt und Nerds mit Vollbart genauso einigen wie viele andere, denen es schaudert vor den Atomdrohgebärden eines einfältigen Narzissten und unserem neuen Heimatminister.

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Gut also, sich für einen Abend mit ein paar Getränken und der Energie eines schreienden, leidenden, schattenboxenden, immer wieder dahinknienden Charismatikers (der Name Wanda ist Wiens einziger weiblicher Zuhälterin Wanda Kuchwalek entlehnt) an die Liebe zu erinnern. „Vielleicht dauert’s nimmer lang, vielleicht fängt’s von vorne an“, singt Wanda in „Weiter, weiter“ vom neuen Album „Niente“, Lied fünf nach vier alten Hits im Palladium. Die Zeiten sind unsicher, der Sänger, weit entfernt davon, politische Songs zu machen, schreit: „Immer weiter brauche ich mehr und mehr und – Immer leichter wird es schwer und schwer und – Alles wirft mich aus der Bahn.“

Entschiedener hin zum Amore

Der Exzess mag bei Wanda auch Attitüde sein, doch Marcos Haare sind kürzer geworden, die Lederjacke hat er weggelassen, mit gebrochenem Arm tanzt er verhaltener, die Leute trinken eher gepflegt, ein paar Bier, morgen vielleicht ein Aspirin, trotzdem heute unbedingt den Kopf ausschalten. Mit ihrem dritten Album geht die Band ein bisschen weg von der Lebe-so-als-wärst-du-morgen-tot-Musik – und noch entschiedener hin zu Amore.

Depression und Angst, Kindheitserinnerungen und der flehentliche Wunsch, dass alles noch mal so groß und schön sein möge wie früher. Wenn der Sänger sich im langsamen „Wienerlied“ an den Himmelsvater wendet und bittet, noch einmal im Prater mit der Grottenbahn zu fahren und die Wiener Madln zu sehen, kann man das schwülstig finden, oder schräg und ziemlich wunderbar. Wanda ist in solchen Momenten mehr Sehnsucht als Musik, einfach, aber nicht profan, Nonsens und Brillanz finden zusammen.

Glückstrunken

Man hat dann ein wenig Sorge, dass die Zeit der Band zu bald schon wieder vorbei sein könnte. Weil man nicht ewig so himmlisch schreien kann wie Kurt Cobain, weil es ja vielleicht stimmt, dass der Frontmann ein ausgemachter „Depressionist“ ist, wie er mal gesagt hat. Weil so viele Lieder nach Abschied klingen. Andererseits sieht Wanda nach 90 Minuten glückstrunken aus, richtig betrunken sind nur die Gestalten, die in der Nacht über den nahen Wiener Platz taumeln. Am 18. August fängt’s im Tanzbrunnen auf jeden Fall erstmal wieder von vorn an. Ein Glück!

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