Wer darf was im Internet?Streit im WDR über neue Regeln für Social Media

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Der WDR stellt neuen Richtlinien für den Umgang seiner Mitarbeiter mit Social Media auf. 

Köln – Das Internet vergisst nie. Besonders in den sozialen Netzwerken ist binnen weniger Sekunden etwas veröffentlicht. Und ist es erst einmal in der Welt, bleibt es da. Für immer. Das hat auch der WDR in den vergangenen Jahren schmerzhaft lernen müssen.

Gerade bei Twitter, Facebook und Co. steht er oft im Auge des Sturms. Die Gegner der öffentlich-rechtlichen Häuser sind dort schließlich sehr aktiv. Und wer sich an „Oma Gate“ erinnert, weiß, dass der WDR leider oft auch selbst keine gute Figur machte.

Neue Dienstanweisung sorgt für Wirbel

Prominente Journalisten des Hauses wie Georg Restle oder Jürgen Döschner haben in der Vergangenheit zudem regelmäßig mit sehr pointierten Äußerungen für großes Aufsehen gesorgt, nicht immer zur Freude des Senders.

Vermutlich um den WDR künftig etwas aus der Schusslinie zu nehmen, hatte die Geschäftsleitung des Hauses eine Dienstanweisung formuliert, die sehr klare Regeln für berufliche und auch private Accounts von freien und festangestellten Mitarbeitern festlegt.

Das Dokument sorgte in den vergangenen Tagen für Wirbel im Haus. Der besonders deshalb so groß war, weil Verstöße gegen eine Dienstanweisung, anders als bei Empfehlungen, arbeitsrechtlich geahndet werden können, wie auch die Redakteursvertretung in einer Mail an die Kollegen betonte, mit der sie zu einer Redakteursversammlung an diesem Dienstag einlud.

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Den Entwurf der neuen Dienstanweisung hatte die Redakteursvertretung vorab allerdings nicht versandt, die Geschäftsleitung habe darum gebeten, sie nicht im WDR öffentlich zu machen. Und so hatten die Mitarbeiter nur auf der Seite netzpolitik.org, die den Entwurf am Montagabend veröffentlichte, detailliert erfahren, was ihr Arbeitgeber genau vorhatte.

Zwar unterliege ein privater Account der persönlichen Verantwortung des Inhabers, heißt es darin. „Äußerungen in Social Media sind für die Öffentlichkeit zugänglich und können daher für den WDR, aber auch für die Mitarbeitenden problematische Rückwirkungen für ihre dienstliche Tätigkeit haben.“

Je prominenter, desto mehr Verantwortung

Je programmprägender und prominenter ein Mitarbeiter sei, desto sensibler solle er auf mögliche Interessenkonflikte zwischen privater und beruflicher Rolle achten. „Auf den ersten Blick rein private Äußerungen können Rückwirkungen auf ihre redaktionelle Arbeit und die Glaubwürdigkeit des WDR insgesamt haben, indem sie die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Mitarbeiter:innen in Frage stellen können.“

Dabei geht es dem WDR nicht nur um eigene Posts, sondern auch um Likes bei bestimmten Inhalten, dem Folgen von Accounts, der Empfehlung von Inhalten und Kommentaren unter Beiträgen.

„Ihnen steht als Staatsbürger:innen das Recht der freien Meinungsäußerung zu. Die Grenze bildet aber die aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Pflicht zur Loyalität, mit der die Meinungsfreiheit in Ausgleich zu bringen ist.“ Vor allem jeglicher Eindruck von Parteilichkeit sei zu vermeiden, heißt es weiter, sonst drohe zumindest die Versetzung.

Heftige Kritik bei Redakteursversammlung

Es war besonders diese Ankündigung, die für Aufruhr sorgten. „Die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt“, befürchtete ein Mitarbeiter. In der virtuellen Redakteursversammlung am Dienstagnachmittag wurde, wie zu hören war, heftige Kritik geäußert, der sich nur Jörg Schönenborn, Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung, und Jochen Rausch, noch Chef von WDR 2 und WDR 4, stellten. Intendant Tom Buhrow nahm nicht teil.

Obwohl der WDR betonte, in enger Abstimmung mit Personalrat und Redakteursvertretung zu handeln, fühlten sich viele Kollegen nicht eingebunden. Er erkenne ein tiefes Misstrauen der Geschäftsleitung gegenüber den Mitarbeitern, sagte etwa Georg Restle dem Vernehmen nach.

Die Geschäftsleitung ruderte bei dem Treffen zurück. Der Entwurf sei nicht mehr aktuell, es gebe schon einen neuen. Den allerdings legten sich den Mitarbeitern nicht vor. Der Hauptkritikpunkt der Journalisten, das Reinreden in private Accounts, ist jetzt jedoch vom Tisch. Es solle keine Anweisungen geben, die sich auf private Accounts beziehen, hieß es.

Auf Anfrage erklärte der WDR am Dienstag, in der Vergangenheit sei immer wieder durch private Meinungsäußerungen Einzelner der Eindruck erweckt worden, dies sei die Haltung des WDR und aller seiner Mitarbeiter. „In Zukunft soll hier eine klare Unterscheidung zwischen privaten und dienstlichen Accounts gelten, um die Unabhängigkeit des WDR deutlich zu machen. Für dienstliche Accounts gelten dieselben journalistischen Maßstäbe wie für alle anderen Programmangebote“, heißt es aus der Pressestelle.

Keine Vorschriften für private Accounts

Der WDR schreibe seinen Mitarbeitern aber keinesfalls vor, was sie auf ihren Social Media Accounts posten dürfen. Der Grundgedanke sei, dass WDR-Beschäftigte künftig intensiver als bisher private und dienstliche Äußerungen in den Sozialen Medien voneinander trennen.

Der WDR muss eine schwierige Aufgabe lösen. Auf der einen Seite ist Präsenz in Sozialen Netzwerken für öffentlich-rechtliche Sender sehr wichtig, auf der anderen Seite können unüberlegte Äußerungen in der Tat das ganze Haus in Misskredit bringen. Der aktuelle Streit zeigt, dass der Weg zu einer Lösung noch lang ist.

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