Abo

Werke mit Köln-BezugBesonderes Abschiedskonzert von Jukka-Pekka Saraste

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Jukka-Pekka Saraste verabschiedete sich aus Köln.

  • Neun Jahre lang war Jukka-Pekka Saraste künstlerischer Leiter des WDR-Sinfonie-Orchesters.
  • Nun gab er sein Abschiedskonzert in der Kölner Philharmonie.
  • Unsere Kritik des Abschiedskonzerts.

Köln – Jetzt tat Jukka-Pekka Saraste dann doch einmal, was er sonst wohl eher ungern tut: Er ergriff zunächst nicht den Dirigierstab, sondern das Mikrofon, um sein Abschiedskonzert mit dem WDR-Sinfonieorchester nach neun Jahren als dessen künstlerischer Leiter einzuleiten. Am Ende der kurzen Rede stand der etwas spröde Dank an das Publikum: „Von Ihnen ist viel Inspiration für mich herübergekommen.“ So ist der Finne: keine Gesten der Weltumarmung, keine sentimentale Anwandlung.

Zuvor hatte er das Programm erläutert: Zur Aufführung gelangen sollten Werke mit einem erkennbaren Köln-Bezug: „Photoptosis“ von 1968 ist eine Komposition des Kölners Bernd Alois Zimmermann. Seine „Große Fuge“ komponierte Beethoven zwar am Ende seines Lebens in Wien, aber Saraste bezeichnete den Köln/Bonner Herkunftsraum des Klassikers als für ihn prägend. Und Mahlers fünfte Sinfonie wurde in Köln uraufgeführt. Saraste wies darüber hinaus auf die radikale Modernität aller drei Werke hin.

Schmerzlicher Verlust

Was folgte, legte die Prognose nahe: Ganz gleich, was kommt – den Mann wird das Kölner Publikum zu vermissen haben. „Photoptosis“ (übersetzt: Lichteinfall) erklang mit jenem schmerzhaft-gleißenden Strahlen, jenen sozusagen kosmischen Effekten, die deutlich machen: Dieses Schlüsselwerk der seinerzeitigen Avantgarde hat bis heute nichts von seiner schockhaften Modernität eingebüßt.

Alles zum Thema Kölner Philharmonie

Nämliches gilt für Beethovens – hier in Streichorchester-Version gespielten – „Großen Fuge“, die experimentell die Fugenform mit dem Sonaten-Zyklus verbindet und deren chromatische Harmonik teils wie ein Vorgriff auf die zweite Wiener Schule anmutet. Klar, der gelernte Violinist Saraste hat es seit jeher mit den Geigen, und unerachtet einiger Fehler war eindrucksvoll zu erleben, welche Klangdichte, welche Intensität der Phrasenspannung der WDR-Streichergruppe in seiner Ära zugewachsen ist. Das betrifft auch das berückende Cantabile, das dieser späteste Beethoven gleichfalls sein Eigen nennt.

Der Maestro blieb auf dem Teppich

Schließlich Mahlers Fünfte, die Saraste mit dem Orchester bereits früher im Konzert gespielt wie auf CD gebannt hat. Klar, dass das ein Heimspiel wurde, in dem der von ihm investierte Input jetzt in aller Eindringlichkeit und Brillanz aus der Formation zurückkam. Diese Fünfte zeichnet bekanntlich in der durch Beethoven begründeten ideenmusikalischen Tradition den Weg eines fiktiven Helden „per aspera ad astra“ – durch Nacht zum Licht.

Das Licht erstrahlt dann nach einem vorangegangenen Durchbruchsversuch so apotheotisch wie gewaltsam am Ende des Finales in der Adaption des Chorals „Nun danket alle Gott“. Ein Dirigent mit weniger Stil und Geschmack trumpft da mutmaßlich auf, wirft in wohlfeilem Überschwang mit der Wurst nach der Speckseite. Der Maestro hingegen blieb auf dem Teppich. Sicher kam der Choral im Blech glänzend, aber durchaus ohne billige Ekstase. Und strikt entwickelt aus der zuvor mit bewundernswerter Deutlichkeit und großem instrumentalem Farbenreichtum herausgearbeiteten Satzsubstanz.

Für die übrigen Sätze galt das auch: Die wilde Wehmut etwa, die der Dirigent der Trivialmelodik im Kopfsatz mitgab – das war ein eigener Ton, der zugleich ins Zentrum von Mahlers Musik- und Weltauffassung zu führen schien. Stürmischer Jubel des Publikums, mehrmalige Rückkehr aus dem Off – dann war es vorbei. Ohne eine äußerlich erkennbare Sonderregung verließ Saraste das Kölner Podium.

KStA abonnieren