Kunst-Fälschungen„Warnsignale wurden missachtet“

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Original oder Fälschung: „Rotes Bild mit Pferden“ von Heinrich Campendonk, gehandelt vom Kunsthaus Lempertz. (Bild: Archiv)

Original oder Fälschung: „Rotes Bild mit Pferden“ von Heinrich Campendonk, gehandelt vom Kunsthaus Lempertz. (Bild: Archiv)

KÖLN - Rekorde auf Auktionen und einesteigende internationale Nachfrage treiben die Preise für Kunst indie Höhe. Umso tiefer ist der Fall, wenn - wie jetzt im Skandal umdie angebliche Sammlung Jaegers - Dutzende vermutlich gefälschterBilder enttarnt werden. In Köln beschäftigen sich Kunstsachverständige am Donnerstag auf einer Tagung mit dem Fälschungsskandal.

Georg von Gumppenberg, LeiterKunstversicherung der Allianz Deutschland AG, erklärt im Interview, wie raffiniert die Fälscher ans Werkgehen und die Experten überlisten können.

Der Skandal um die angebliche Sammlung Jaegers hat den Kunstmarkterschüttert. Gibt es Systemfehler, die Fälschungen erleichtern?

Gumppenberg: "Das klingt, als gebe es das regelmäßig. Das glaube ichaber nicht. Vielmehr wird in Einzelfällen immer geschicktervorgegangen. Generell kann man sagen, dass - so lange es Kunst undSammler gibt - es Gier geben wird. Und wenn ich gierig bin, dannneige ich dazu, unter Umständen auch gelbe und rote Ampeln außer Achtzu lassen. Das scheint im Fall der Sammlung Jaegers passiert zu sein.Da gab es Warnsignale: Wie kann das Bild in so einer Sammlung sein,wer ist überhaupt Herr Jaegers gewesen? Diese gelbe Ampel habengewisse Akteure möglicherweise außer Acht gelassen."

Wäre Ihnen das als Versicherer auch passiert?

Gumppenberg: "Wir sind nicht schlauer als der Kunstmarkt. Aber wennuns plötzlich ein Kunde so ein Bild ohne weiteren Markthintergrundzum Versichern angeboten hätte, dann hätten wir mit Sicherheit jedeMöglichkeit von Experten ausgeschöpft, um zu prüfen, ob das echt seinkann. Aber wenn es wie bei dem Campendonk aus der angeblichenSammlung Jaegers über eine öffentliche Auktion gegangen ist, würdenwir dem Schein wohl auch trauen."

Was wird besonders oft gefälscht?

Gumppenberg: Grafik sehr viel. Bei Auflagen von 100 bis 150Exemplaren ist der Nachweis schwer zu führen, dass es sich bei BlattNr. 125 auch um die konkrete Nummer aus der Auflage handelt und diesenicht mehrfach vorkommt. Tendenziell wird am liebsten das gefälscht,womit man den größten Profit machen kann. Bei Grafiken ist der Profitrelativ hoch, weil der Aufwand für das einzelne Objekt nicht hochist, aber der Hebeleffekt über die Menge entsteht.

Auch sehrhochwertige Gemälde werden gefälscht, und Güsse von Skulpturen sindsehr fälschungsanfällig. Da gibt es zum Beispiel posthume Nachgüsseund dann irgendwelche gierigen Erben, die möglicherweise Formenweiterbenutzen und nachproduzieren. Das ist sehr schwer zubeurteilen, da muss man Super-Spezialist sein. Es gibt auch alteBilder aus dem 17. oder 18. Jahrhundert von miserabler bis guterQualität. Bestimmte Experten schreiben dafür große Expertisen undmachen so aus einem netten Landschaftsbild plötzlich einen berühmtenNiederländer oder aus einer Heiligenszene einen Leonardo da Vinci."

Was ist, wenn sich ein von Ihnen versichertes Bild nach Jahren alsFälschung herausstellt, zahlen Sie dann?

Gumppenberg: "Wir zahlen als Sachversicherung immer nur dentatsächlichen Wert, wenn das Bild beschädigt wird oder verloren geht.Der Verlust bei einer Fälschung ist aber ein Vermögensschaden. Denüberhöhten Kaufpreis kann man nur vom Verkäufer zurückverlangen. Wennsich in einem Schadensfall zum Beispiel herausstellt, dass ein Bildeine Fälschung ist und vielleicht statt einer Million nur 10.000 Eurowert ist, dann bekommt der Kunde den zu viel gezahltenVersicherungsbeitrag über die gesamte Laufzeit zurück." (dpa)

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