LeichtathletikQuantensprung in Leipzig

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Verena Seiler (rechts) gewinnt vor Leena Günther (Bild: dpa)

Verena Seiler (rechts) gewinnt vor Leena Günther (Bild: dpa)

Leipzig – Leena Günter rupft sich die Spikes von den Füßen – und strahlt. Sie zieht sich eine lange Hose über – und strahlt. Sie schlüpft in eine Trainingsjacke – und strahlt. Die 19-Jährige vom Leichtathletik-Team der Deutschen Sporthochschule (LT DSHS) kann gar nicht mehr damit aufhören. Leipzig sind ihre ersten deutschen Leichtathletik-Hallen-Meisterschaften bei den Senioren. Und gerade ist sie Zweite über 60 Meter geworden. Aber nicht nur das. Sie hat auch ihre persönliche Bestzeit von 7,41 auf 7,34 Sekunden gesteigert. Im Schatten von 100-Meter-Europameisterin Verena Sailer aus Mannheim gelang der Kölnerin ein kleiner Quantensprung.

„Dass Verena Sailer gewinnt, war ja klar“, sagt Günther später. „Aber dass ich so eine Zeit laufen kann, das hat mich absolut überrascht.“ Nach dem Startschuss lag sie eine ganze Weile mit Verena Sailer auf einer Höhe. Der Star des mit viel Pomp inszenierten Rennens hatte einen schlechten Start erwischt. Günther erzählt, sie sei verblüfft gewesen, habe gedacht: „Wann kommt sie denn?“ Sailer kam dann noch und siegte in 7,28 Sekunden. Damit war sie nur leidlich zufrieden. Den Titel gewonnen zu haben, sei schön. „Aber ich wäre gern ein bisschen schneller gelaufen.“ Wäre Lena Günther noch ein bisschen schneller gelaufen, hätte sie die Norm (7,28 Sekunden) für die Hallen-Europameisterschaften von Freitag bis Sonntag in Paris knacken können. Ärgerlich? „Nein“, sagt Günther. „Das hatte ich überhaupt nicht im Plan, da bin ich nicht traurig.“ Leena Günther ist ja erst 19 Jahre alt. Und schon jetzt geht ihre Karriere in so rasanten Sprüngen voran, dass es fast unheimlich ist. 2009 steigerte sie ihre Bestzeit über 100 Meter von 11,86 auf 11,44 Sekunden und wurde mit der deutschen Staffel U20-Europameisterin. 2010 stand sie als einzige Weiße im Finale der U20-WM und wurde Fünfte, mit der Staffel gewann sie zudem Silber. In diesem Jahr folgte im Januar beim Länderkampf in Glasgow ihr erster Einsatz im Nationaltrikot der Erwachsenen, sie wurde Dritte.

Und jetzt also Leipzig. Ihre ersten deutschen Hallen-Meisterschaften bei den Senioren, ihr erstes Rennen gegen Verena Sailer (Günther: „Es war schon cool, mal neben der Europameisterin zu laufen.“). Bei aller Freude bewahrt sich die Medizinstudentin Leena Günter aber auch eine Portion Nüchternheit. „Im Jugendbereich sind große Sprünge noch möglich, da entwickelt sich der Körper ja noch“, sagt sie. Und: „Wichtig sind die 100 Meter draußen.“ In dieser Hallensaison fehlten einige Konkurrentinnen, die gelte es dann im Sommer zu schlagen. Denn Günther möchte nicht nur zur U23-EM, sie würde es auch gern in den Staffel-Pool für die WM im Daegu schaffen. „Da nimmt der DLV ja sechs Sprinterinnen mit.“ Auch davon, dass sie in Südkorea auf Läuferinnen aus den USA und Jamaika treffen würde, lässt sie sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich sehe das relativ“, sagt sie, „was die Amerikaner, Jamaikaner oder Kubaner da drüben leisten, damit vergleiche ich mich nicht.“ Sie habe nur Europa im Blick, und somit Deutschland, Verena Sailer. Sie hat gezeigt, dass man als deutsche Sprinterin nicht zu internationaler Erfolglosigkeit verdammt ist. Abgesehen davon: „Man läuft ja für sich, für seine eigenen Erfolge“, sagt Günther. Und Doping? „Hier in Deutschland sind die Kontrollen so dicht, da gehe ich davon aus, dass die neben mir nicht gedopt sind“, erklärt Günther. Und alle anderen? Leena Günter zuckt mit den Schultern. Was soll sie machen? Deshalb ihren Sport aufgeben? Niemals. Der Sport ist ihr Ausgleich zum Studium. Beim Training trifft sie tagtäglich ihre Freunde. Und sprinten, das konnte sie halt schon immer besonders gut.

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