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Lesung in Köln„Ich bin kein Berufsjude“

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Überschreitet gerne Grenzen: Comedian Oliver Polak. (Bild: Worring)

Überschreitet gerne Grenzen: Comedian Oliver Polak. (Bild: Worring)

Oliver Polak ist im dunklen Trainingsanzug ins „Hallmackenreuther“ gekommen, dazu trägt er Turnschuhe und strubbelige Haare - sein Lieblingsoutfit. Lässig lehnt er am Tisch, reibt sich die müden Augen und bestellt eine Cola. Dann entschuldigt er sich mit einem Grinsen für sein „fertiges“ Aussehen. Ernst meint er das wohl nicht. Polak ist keiner, der viel auf die Meinung anderer gibt. Im Gegenteil: Lieber kitzelt er heraus, was jenseits der politischen Korrektheit liegt. Mit frechen, mit unerhörten Bemerkungen. Seine wöchentlichen stundenlangen Fahrten zum Bar-Mizwa-Unterricht, in denen er als Kind die Udo-Jürgens-Kassetten seiner Mutter hören musste, kommentiert er zum Beispiel so: „Als ich zum ersten Mal das Wort »Juden-Deportation« hörte, dachte ich spontan: Ja, das kenne ich.“

Polaks Programm bricht eines der letzten Tabus des deutschen Humors: Er kokettiert mit seinem Jüdisch-Sein und legt den Finger in die Wunde der deutschen Vergangenheit. „Deutschen fehlt die Selbstironie. Man muss auch über Grenzen gehen dürfen“, sagt er etwa und nennt als Beispiel die jüdische US-Komödiantin Sarah Silverman, die gerne Zoten erzählt und über Juden und Schwarze gleichermaßen ablästert. „Man darf über alles Witze machen, so lange man dabei authentisch bleibt“, sagt der deutsche Kollege Polak. Und lässt den Worten Taten folgen: „Mein Name ist Oliver Polak, ich komme aus dem Emsland . . . und ich bin Jude. Sie müssen trotzdem nur lachen, wenn es Ihnen gefällt.“ So beginnt Polak sein Comedy-Programm, und so steht es auch im Vorwort seines neuen Buches: „Ich darf das, ich bin Jude“. Darin schaut der 32-Jährige zurück auf seine Jugend in Papenburg, wo er als Sohn der einzigen jüdischen Familie aufwuchs. Die anderen 20 wurden mit „emsländischer Gründlichkeit restlos deportiert“, wie Polak schreibt. Er schildert seine Zeit im jüdisch-orthodoxen Internat in England, als ihm seine „mühsam eingeschmuggelten Pornohefte plötzlich wie Kindermalbücher“ vorkamen. Seinen Vater, der das KZ überlebte und in Papenburg so etwas wie „das letzte lebende Mahnmal“ war. Und seine dominante Mutter.

Um eine endgültige Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit geht es ihm mit diesen manchmal bitterbösen Einblicken in seine Jugend nicht. „Ich wurde neulich gefragt, ob ich Brückenbauer sein will. Nein, das will ich nicht. Ich habe ja nicht Architektur studiert“, sagt er flapsig. Er will unterhalten - und freut sich, wenn „die Leute was mit nach Hause nehmen und noch mal darüber nachdenken“. Dabei geht er bis an die Schmerzgrenze. Ein Element in seinem Bühnenprogramm, das zunächst bei den meisten Besuchern großes Unbehagen hervorruft, ist das „Judenspiel“, wie Polak es nennt. Er sagt beliebige Namen - von Alf bis Alfred Biolek - und wenn die Zuschauer glauben, dass es sich um einen Juden handelt, rufen sie „Jude“. Wenn nicht, dann rufen sie „normal“. Ein bisschen mulmig sei sogar ihm selbst am Anfang dabei gewesen, erzählt er. Aber: „Es war mir ein tiefes Bedürfnis, das zu machen. Bei dem Wort Jude schwingt immer etwas Komisches mit, wenn man es sagt. Es nervt mich, dass es so negativ behaftet ist.“ Das Spiel solle etwas mehr Normalität in den Umgang mit Juden bringen. Damit spielt Polak nicht auf Antisemitismus an. Ihn stört, dass „sich viele mit jüdischen Wurzeln schmücken“. Wie etwa Iris Berben - die glaube nach einem Glas Prosecco, dass sie Jüdin und nach dem zweiten, dass sie Bertolt Brecht sei. „So etwas finde ich komisch“, sagt Polak. „Wir Juden sind zwar wie Pandabären fast ausgestorben, aber wir können für uns selbst sprechen.“

Als „Berufsjude“ sieht er sich nicht. „Ich bin deutsch, ich bin Jude, Musikmanager und Fan von Motorpsycho“, sagt Polak. Die jüdische Identität sei einfach eines von vielen Dingen, die zu ihm gehörten - wie auch seine Vorliebe für deftiges Essen, Käsespätzle etwa oder Würstel. Nicht unbedingt koscher. Besonders religiös ist Polak schließlich nicht, er geht nur ab und zu in die Synagoge. Am liebsten in Dortmund - weil man ihn da auch in seinem geliebten Trainingsanzug reinlässt. Sein Buch beschreibt der Comedian selbst als offensiv, nicht etwa provokant. Er sagt: „Manche fragen: Wie kann man Witze übers KZ machen? Aber manche Tatsachen sind so traurig, dass ich sie nur mit Humor ertragen kann.“

Oliver Polak liest am 3. November um 20.30 Uhr im Stadtgarten (Studio 672), Venloer Str. 40, in Köln. Die Karten kosten 6 und 8 Euro. Sein Buch „Ich darf das, ich bin Jude“ ist im kiwi-verlag erschienen und kostet 8,95 Euro.

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