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Leverkusenerin entlassenWenn die Kinderbetreuung den Job kostet

Lesezeit 4 Minuten
  • Lange hat eine Alleinerziehende sich um einen Kitaplatz bemüht, als sie für ihren bald vierjährigen Sohn endlich einen bekommt, ist die Freude groß.
  • Doch dann beginnen die Probleme, die Kita hat drei Wochen Sommerferien, die Stadt kann die Kosten für die Tagesmutter nicht mehr übernehmen, der Arbeitgeber droht mit Entlassung.
  • Dieser Bericht ist aus unserem Archiv und hat 2019 viele von Ihnen interessiert.

Leverkusen  – Manchmal wacht Luisa P. (Name geändert) auf und wundert sich über einen seltsamen Traum: „Jetzt habe ich endlich einen Kita-Platz. Aber keinen Job mehr“. Nur: Es ist kein Traum. Im Kampf um einen Betreuungsplatz hat die alleinerziehende Mutter tatsächlich ihren Arbeitsplatz verloren. Wie konnte es soweit kommen?

Nur Absagen von Kitas

Im Dezember 2015 wird Luisas Sohn geboren. Danach versucht sie drei Jahre lang, über das städtische Portal einen Kita-Platz zu bekommen. „Ich habe mich auch bei allen Einrichtungen persönlich vorgestellt“, erinnert sie sich. Vergeblich. Nur Absagen. Zum Glück findet sich eine Tagesmutter, die den Kleinen aufnimmt – so kann P. dennoch arbeiten gehen. Da die Tagespflege aber nicht für über Dreijährige angeboten wird, ist damals schon klar: 2019 muss wirklich ein Kita-Platz her. Deswegen macht die Mutter schon zu Jahresbeginn den Rechtsanspruch darauf geltend. Ende Juni kommt dann auch die Zusage – und Luisa P. ist überglücklich. Sie erinnert sich: „Das habe ich fröhlich meinem Arbeitgeber erzählt: Endlich haben wir einen Kita-Platz!“

Dass der Übergang nicht einfach werden wird, ist ihr klar. Deswegen vereinbart sie mit ihrem Arbeitgeber, in der späteren Eingewöhnungsphase zwei Wochen lang Überstunden abzubauen. Voraussetzung: Sie erscheint trotzdem zu wichtigen Terminen. Alles kein Problem. Zudem meldet Luisa P. für Juli drei Wochen Urlaub an, in denen die Tagesmutter ihres Sohnes Ferien hat.

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Der Urlaub ist damit zwar aufgebraucht, aber alles geregelt. Doch dann wird klar: Der neuer Kita-Vertrag beginnt zwar am 1. August – dann haben aber alle städtischen Kitas erst einmal drei Wochen zu. Der zuvor noch gesprächsbereite Chef sagt: „Genug ist genug.“ Entweder, sie bekomme das geregelt, oder sie sei raus.

Tagesmutter muss bezahlt werden

Die Leverkusenerin  meldet sich bei der Stadt und sagt, dass sie Hilfe zur Überbrückung dieser drei Wochen brauche. Ihr Job hänge davon ab. Ihr wird angeboten, das Kind während des Urlaubs der Tagesmutter bei einer anderen, unbekannten Tagesmutter unterzubringen. So könne P. ihren Urlaub aufsparen. Sie aber will das Kind nicht zu einer anderen Betreuerin geben, um es dann für zwei Wochen wieder zur alten Tagesmutter zu schicken, ehe es in die Kita kommt. Zudem würde sie dann fünf Wochen am Stück bei der Arbeit fehlen. Das akzeptiert der Chef nicht. Daraufhin willigt die Tagesmutter ein, das Kind weitere drei Wochen zu betreuen. P. bittet das Jugendamt, die Kosten dafür zu übernehmen, etwa 600 Euro. „Als Alleinerziehende kann ich das Geld nicht aufbringen.“ Der Vater zahlt nicht einmal den vollen Unterhalt, bei ihm ist auch nichts zu holen.

Das Jugendamt lehnt ab. Die Begründung: Die Mutter habe ab dem 1. August einen gültigen Betreuungsvertrag, das Amt könne nicht zwei Betreuungsverhältnisse gleichzeitig unterstützen. „Aber die Kita hat doch geschlossen, sonst hätte ich ja kein Problem“, entgegnet P. Sie bietet auch an, den Kita-Vertrag erst ab dem 1. September in Kraft treten zu lassen und dafür die Zeit bei der Tagesmutter zu verlängern. Doch auch das geht nicht. „Verträge über den Rechtsanspruch starten immer am 1. August. Wenn man den Platz da nicht in Anspruch nimmt, verfällt er“, wird ihr erklärt. Für Kinder in städtischen Kitas gibt es während der Schließzeiten eine Ersatzkita (siehe Infobox). Den Kleinen da hin zu schicken, lehnen beide Seiten ab. „Das Jugendamt hat auch gesagt: Mein Sohn sei ja noch gar kein Kita-Kind, ihn könne man nicht ohne Eingewöhnung in eine solche Einrichtung geben.“

Keine Lösung in Sicht

Luisa P. schickt wieder einen Brief an die Stadt. Die Antwort kommt am 31. Juli, am Tag vor Ablauf der Frist. Da hat P. bereits ihre Kündigung vorliegen, die in Kraft tritt, wenn sie am 1. August nicht zur Arbeit kommt. Die Stadt schreibt: „Es tut uns Leid, wir wissen um die Problematik der Betreuungslücken in den Sommerferien.“ Aber man könne keine Lösung anbieten.

So findet sich die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin mit Ausbildung zur Pflegepädagogin auf dem Arbeitsamt wieder. Und stellt fest: Arbeitslosengeld bekommt sie nicht. „Sie stehen dem Arbeitsmarkt ja nicht zur Verfügung, solange das Kind nicht in einer Kita eingewöhnt ist“, wird ihr gesagt. Dann folgt ein Verweis auf die lange Reihe von Wartenden, die nebenan für Hartz IV anstehen. „Das fühlt sich echt nicht gut an, ich war noch nie auf den Staat angewiesen“, sagt Luisa P. Auch das folgende Gespräch mit der Sachbearbeiterin hellt ihre Stimmung nicht auf: „Dann schauen wir mal, wie lange wir sie am Bein haben“, sagt die.

Eingewöhnung ist gelungen 

Mittlerweile geht Luisas Sohn seit vier Wochen in die Kita – und ist sauer, wenn die Mutter zu früh auftaucht, um ihn abzuholen. Die Eingewöhnung ist gelungen. Luisa P. steht dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung. Sie führt täglich Bewerbungsgespräche, viele scheitern an der nicht mit dem Kita-Betrieb kompatiblen Arbeitszeiten. Aber: Sie sei gut ausgebildet. Es werde sich schon etwas finden, ist die alleinerziehende Mutter überzeugt. Dass sie nun endlich einen Kita-Platz bekommen und dafür ihren Job verloren hat, hält sie trotzdem für einen schlechten Scherz.  

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