Luftkrieg sorgte für Angst und Schrecken

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Vor 60 Jahren ging der Zweite Weltkrieg in seine letzte Phase. Die Kriegswirren hatten auch den Oberbergischen Kreis erreicht, obwohl die US-Truppen erst im April 1945 hier einmarschierten.

Oberbergischer Kreis - Weihnachten 1944: In Oberberg herrscht klares und schönes Winterwetter. Aber der Bevölkerung ist nicht danach zumute, idyllische weiße Weihnacht zu feiern - schon zu viele Tote hat dieser Krieg gefordert. Kaum eine Familie, die noch nicht betroffen wäre - der NSDAP-nahe „Oberbergische Bote“, ist voll von Todesanzeigen. Selbst die Familie des Gummersbacher Fabrikanten Carl-Hugo Steinmüller trauert um ihren Sohn Carl Eberhard, der im Alter von 23 Jahren am 6. August 1944 in der Normandie fiel.

Zwar gab es im Land zwischen Sieg und Wupper noch keine direkten Kämpfe, aber der Luftkrieg sorgte längst schon für Angst und Schrecken - und Tote - in der oberbergischen Bevölkerung. Den ersten größeren Luftangriff erlebten die Kreisstadt Gummersbach und ihre Umgebung schon am 1. Dezember 1943. Dieser Angriff forderte 22 Tote und zahlreiche Verletzte.

Wie der Historiker Gerhard Pomykaj in der „Oberbergischen Geschichte“ schreibt, handelte es sich hier aber offensichtlich nicht um eine gezielte Aktion, sondern um Notabwürfe einer von der deutschen Luftwaffe abgedrängten alliierten Flugstaffel. Speziell die Nordkreisstädte Hückeswagen und Radevormwald wurden wegen ihrer Nähe zu den Großstädten Remscheid und Wuppertal 1943 / 44 öfters von Bombenabwürfen heimgesucht.

Auch im Aggertal heulten Ende 1944 wiederholt die Sirenen. Im November 1944 fordert ein Luftangriff auf Dieringhausen mehrere Tote. Besonders die Bahnstrecke durch das Aggertal - nachdem sie von den Alliierten erst einmal als intakte Nachschublinie ausgemacht worden war - war nun immer wieder Ziel von Tiefflieger- und Bomberangriffen. Am 10. September 1943 fanden in Waldbröl-Boxberg zwei Kinder und vier Erwachsene den Tod bei einem Tieffliegerangriff auf einen Zug.

1944 war auch dem letzten Oberberger angesichts der sich täglich verstärkenden Luftangriff verdeutlicht worden, dass der „herausgeforderte Feind immer übermächtiger wurde“, schreibt der Gummersbacher Lokalhistoriker Jürgen Woelke in einer 1985 erschienenen Zeitungs-Serie. Und Woelke fährt fort: „Auch andere Vorgänge signalisierten das Herannahen der Front und die Zuspitzung der Lage.“

KRIEGSENDE

IN OBERBERG

Diese Angriffe waren nicht nur für kriegswichtige Ziele wie Eisenbahnstrecken, Industrie- und Rüstungsbetriebe eine Gefahr - vermehrt wurden auch zivile Ziele angegriffen. So entstanden in dieser Zeit in vielen Orten Luftschutzstollen und Bunker, zum Teil von erheblichen Ausmaßen (z.B. bei Baldus in Friedrichstal, in Mühlenseßmar und Gummersbach), wobei größere Bunker bis zu 1000 Personen fassten. Gegen den übermächtigen Feind konnten die wenigen noch intakten Flagstellungen so gut wie nichts ausrichten.

Weihnachten 1944 konnte die oberbergische Zivilbevölkerung aber für einige Tage aufatmen. Wie sich der Marienhagener Friedhelm Fuchs (Jahrgang 1929) in seiner 250 Seiten umfassenden Privatchronik erinnert, gab es über die Weihnachtstage trotz des klares Winterwetters keine feindlichen Fliegerangriffe. Dies führt Fuchs, der für ein paar Tage vom Schanzeinsatz am Westwall auf Heimaturlaub in Marienhagen weilte, auf die am 16. Dezember 1944 gestartete Ardennen-Offensive der Wehrmacht zurück: „Davon wurden die alliierten Flugzeuge wohl abgehalten.“

Trotz dieser kurzen Ver schnaufpause sank die Stimmung in der Bevölkerung auf den Tiefpunkt. So muss die flammende Rede, die die oberbergische Nazigröße Robert Ley vor NSDAP-Anhängern noch im August 1944 in Waldbröl gehalten hatte, für viele wie Hohn geklungen haben. Der in Niederbreidenbach bei Nümbrecht geborene und auf Gut Rottland lebende Reichsorganisationsleiter, der zu den engsten Mitarbeitern Adolf Hitlers zählte und einer der Schlüsselfiguren im „Dritten Reich“ war, rief im voll besetzten Saal des Waldbröler Kinos die Oberberger zur „Zusammenballung aller Kräfte auf, sich zu mühen und zu schuften, damit das große Werk gelingt“.

Und der „Oberbergische Bote“ feierte in seiner Ausgabe vom 22. August 1944 Ley euphorisch als Redner, „dem seine Zuhörer wie festgebannt förmlich am Mund hängen“. Das Naziblatt schließt den Bericht über die Versammlung in Waldbröl, an der auch alle Nazigrößen des Kreises von Kreisleiter Pieck bis Oberbefehlsleiter Otto Marrenbach teilnahmen, mit dem Satz: „Brausender Beifall bewies Ley, dass er das Herz seiner Oberberger zu finden gewusst hatte, dass er und der Führer sich auf unsere Leute hier in Stadt und Land verlassen, auf sie zu jeder Stunde voll rechnen können.“

Von dieser Euphorie war Ende 1944 schon lange nichts mehr zu spüren - und es sollte noch schlimmer kommen.

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