Mario Adorf„Weltstars kommen nur aus Hollywood“

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(Bild: Rakoczy)

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Herr Adorf, Sie gelten als letzter deutscher Weltstar. Bedeutet Ihnen das Prädikat etwas?

MARIO ADORF: Nein, das bedeutet mir nichts, denn ich empfinde mich durchaus nicht als Weltstar. Weltstars kommen einzig und allein aus Hollywood.

Sie haben doch in einigen amerikanischen Filmen mitgewirkt.

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ADORF: Aber ich habe mich trotzdem nicht in Hollywood etablieren können. Selbst bekannteste europäische Schauspieler wie Marcello Mastroianni oder Gérard Depardieu wurden keine Weltstars. Von Arnold Schwarzenegger einmal abgesehen gilt das auch und gerade für deutschsprachige Schauspieler.

Wie hat Ihre internationale Karriere angefangen?

ADORF: Ich hatte das Glück, dass in den 60er- und 70er- Jahren viele europäische Filme gedreht wurden, meist deutsch-italienisch-französische Koproduktionen. In jedem Land wurde dann ein bekannter Schauspieler engagiert. Aus Deutschland waren das in der Regel Gert Fröbe, Hardy Krüger, Horst Buchholz und irgendwann auch ich.

Zu Beginn Ihrer Karriere waren Sie auf den Bösewicht festgelegt. Hat Sie das geärgert?

ADORF: Nein, denn mir war klar, dass das eine Frage der Physis war. Ich hatte schwarze Haare und schon früh einen schwarzen Bart, damit kam ich für Heldenrollen nicht in Frage. Aber das war völlig in Ordnung, ich fand die Bösewichte ohnehin interessanter, habe allerdings immer versucht, ihnen zumindest ein menschliches Antlitz zu geben.

Nach zehn Jahren Italien haben Sie in den Siebzigern wieder viel in Deutschland gedreht, obwohl die neue Regie-Generation „Papas Kino“ und seine Stars für tot erklärt hatte. Wie kam es dazu?

ADORF: Es bedurfte damals einer Annäherung von beiden Seiten. Fassbinder hatte die „Alt-Stars“ auf eine fast schon ausbeuterische Art benutzt und merkte dann: Die sind ja gar nicht so schlecht! Es gab natürlich auch Schauspieler, die ihre vertrauten Regisseure vermissten und mit dem jungen deutschen Film nichts zu schaffen haben wollten, aber ich spürte, dass da etwas Neues entsteht; und da wollte ich dabei sein.

Seit den Achtzigern haben Sie verstärkt fürs Fernsehen gearbeitet. Hatte das mit der Qualität der Angebote zu tun?

ADORF: Tatsächlich habe ich zwischen Kino- und Fernsehfilmen nie einen Unterschied gemacht. Als junger Schauspieler habe ich noch in den ersten live gesendeten Fernsehspielen mitgewirkt, das Medium war mir also früh vertraut.

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Kann man es sich überhaupt noch leisten, nur in Kinofilmen mitzuwirken?

ADORF: Bei uns gibt es ja ohnehin keine Schauspieler, die einem Film allein durch ihre Mitwirkung zum Erfolg verhelfen, aber diese Tendenz kann man mittlerweile sogar in Amerika beobachten.

In Ihrem ersten Band mit Erzählungen spielt die Kindheit in der Eifel eine große Rolle. Wundern Sie sich heute noch manchmal, was aus dem kleinen Mario aus Mayen geworden ist?

ADORF: Ich habe mich nie über den Ruhm definiert, hatte auch nie einen Lebensplan und weiß, dass das Glück bei meiner Karriere eine große Rolle gespielt hat. Was mich tatsächlich heute wundert, ist die Nachhaltigkeit: Es gab nie einen Knick in der schauspielerischen Laufbahn, dafür bin ich sehr dankbar. Aber Sie haben natürlich recht, wenn Sie andeuten, dass die Voraussetzungen nach dem Krieg nicht gerade blendend waren.

In dem Film „Der letzte Patriarch“, den die ARD Ihnen quasi zum Geburtstag schenkt, verkörpern Sie glaubhaft einen 72-Jährigen. Wie lässt sich Ihre Vitalität erklären?

ADORF: Ich schiebe es gerne auf die Gene. Ein Arzt hat mir mal gesagt: „Sollte man Sie je als Leiche aus dem Wasser ziehen, wird man sie zehn bis fünfzehn Jahre jünger schätzen.“

Sie werden jetzt achtzig. Haben Sie überhaupt keine Lust auf Ruhestand?

ADORF: Die hält sich in Grenzen. Ich freue mich über jeden Film, den ich noch drehen darf. Im Sommer habe ich in „Gegengerade“ eine kleine Rolle in einem Spielfilm über den Fußballclub St. Pauli gespielt, im Oktober werde ich zum ersten Mal gemeinsam mit Christiane Hörbiger und wieder einmal mit Veronica Ferres drehen.

Sie haben in vielen bekannten Werken mitgewirkt. Auf welche Filme sind Sie besonders stolz?

ADORF: Stolz ist mir grundsätzlich fremd. Außerdem ist Film eine Gemeinschaftsarbeit, an der viele Menschen beteiligt sind, und ich bin ja nicht der Regisseur. Aber ich habe natürlich Lieblingsrollen. Eine davon ist der Großindustrielle Heinrich Haffenloher in der ersten Folge der wunderbar geschriebenen Serie „Kir Royal“ von Helmut Dietl.

Gibt es Filme, die Ihnen heute peinlich sind?

ADORF: In früheren Jahren habe ich mir öfter mal den Luxus geleistet, neun Rollen abzulehnen. Die zehnte musste ich dann annehmen, damit der Kamin weiterraucht. Ich habe mich jedoch nie nur des Geldes wegen auf fragwürdige Projekte eingelassen. Aber ich weiß natürlich, dass ich bei vielen Menschen eine Zeit lang regelrecht verhasst war, weil ich 1963 in „Winnetou 1“ Winnetous Schwester Ntscho-tschi erschossen habe.

Das Gespräch führte Tilmann P. Gangloff

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