MedienfassadeFliegen Vögel in die Lichtfalle?

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Die Bayer-Medienfassade am Hochhaus W1. BILD: RALF KRIEGER

Die Bayer-Medienfassade am Hochhaus W1. BILD: RALF KRIEGER

Leverkusen – Mit seiner hochhaushohen Leuchtreklame betreten Bayer und die beteiligten Firmen Neuland. Nicht nur, dass noch viele technische Probleme zu lösen sind; unklar ist auch die Wirkung des Lichts auf Zugvögel. Die, das zeigt die Erfahrung mit dem Bayerkreuz, werden durch große Leuchtkörper in der Landschaft magisch angezogen und so verwirrt, dass sie gegen die Reklame fliegen. Dabei verletzen sie sich und werden geschwächt, können vielleicht nicht weiterfliegen. Einige werden beim Aufprall durch Genickbruch getötet, manche verenden später. Da die neue Medienfassade ähnliche Wirkungen haben könnte, lässt Bayer den Bereich um das Hochhaus regelmäßig auf tote und verletzte Tiere absuchen.

Probleme in Bonn

Der Verdacht könnte nicht ganz unbegründet sein: Ein weiterer großer Leuchtkörper, dessen Auswirkungen auf die Natur recht gut erforscht wurde, steht nur einige Kilometer südlich in der Bonner Rheinaue. Der „Post-Tower“ mit gut 160 Metern Höhe übertrifft die Leverkusener Medienfassade um 40 Meter. Die Post-Zentrale wurde anfangs ganzjährig vom Abend bis nach Mitternacht von innen in wechselnden Farben illuminiert. Als das Problem offenbar wurde, heuerte die Post Biologen unter der Leitung von Heiko Haupt für eine Untersuchung an. Das Ergebnis ist publiziert: Besonders Kleinvögel würden durch das Licht angelockt. Sie flögen das Gebäude an und gingen am Turmfuß zu Boden. Innerhalb eines Jahres lasen die Forscher 827 zum Teil seltene Vögel auf, von denen 151 tot waren. In einem Interview sprach Haupt allerdings von einer genauso hohen Dunkelziffer. Gäbe es in Leverkusen ähnlich viele Fälle, wäre das Entsetzen vermutlich groß. Ein Bayer-Sprecher: „Das würde einen Aufschrei geben.“ Man finde an allen großen Gebäuden häufiger tote Vögel, so der Sprecher, auch früher um „W 1“ herum. Diese aktuelle Standard-Zahl ermittle zur Zeit ein externer Forscher gemeinsam mit einem Naturschutz-Verband. Der Vergleich wird spannend. Besonders die Zahlen im nächsten Herbst, wenn die Reklame voraussichtlich voll im Einsatz sein wird und die Tiere in Massen nach Süden ziehen, werden die Vogelforscher interessieren.

Einiges ist anders

Auch wenn der Verdacht nahe liegt: Dass die Leverkusener Fassade auf die Tiere eine ähnliche Wirkung auf Vögel hat wie der Post-Tower muss erst noch ermittelt werden, so der Bayer-Sprecher. Denn es gibt bei allen Gemeinsamkeiten auch Unterschiede. So hat der Bonner Turm eine Glasfassade, die Medienfassade ist aus Stahl. Das Licht der Post strahlt aus Leuchtstoffröhren, bei Bayer sind es Leuchtdioden. Anders als „W 1“ wird der Post-Turm stellenweise von außen angestrahlt. Sollte die Medienfassade wie der „Post-Tower“ eine Vogelfalle sein, will Bayer flexibel reagieren. Zum Beispiel können die Maßnahmen je nach Jahreszeit und Wetterlage unterschiedlich ausfallen, so der Sprecher.

Die Post verhält sich aus Vogelschützer-Sicht übrigens nicht vorbildlich. In Bonn war man nicht bereit, auf die Illumination des Turms während des Vogelzugs zu verzichten. Anders verfährt Bayer ja bekanntlich mit seinem Kreuz, das während des Vogelzugs dunkel bleibt. Das ist nicht nur gut für die Vögel und lässt für deren Zukunft hoffen. Auch Bayer profitiert davon: Die an sich unsympathische Nebenwirkung der Beleuchtung wird in eine jährlich wiederkehrende positive Meldung für das Unternehmen umgedreht.

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