Mindestens zehn Tote bei Selbstmordanschlag in Jerusalem

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In dem Viertel Beit Israel nahe der Jerusalemer Altstadt sprengte sich ein Selbstattentäter in die Luft.

In dem Viertel Beit Israel nahe der Jerusalemer Altstadt sprengte sich ein Selbstattentäter in die Luft.

Jerusalem/Ramallah/Gaza - Bei einem neuen palästinensischen Selbstmordanschlag im Zentrum Jerusalems sind am Samstagabend mindestens neun Israelis und der Attentäter getötet worden. Weitere 57 Menschen wurden nach Angaben von Polizeisprecher Gil Kleimann zum Teil schwer verletzt, als sich der als orthodoxer Jude verkleidete Täter in einer engen Straße des ultraorthodoxen Viertels Beit Israel neben einem Auto in die Luft sprengte. Durch die Wucht der Detonation explodierte auch das Fahrzeug und ging in hohen Flammen auf. Unter den Opfern war auch ein einjähriges Mädchen.

Zu der Tat bekannten sich die "Al Aksa Märtyrer-Brigaden", der bewaffnete Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Der Täter Mohammed Schaumahe stamme aus Bethlehem, südlich von Jerusalem. Palästinensische Gruppen hatten bereits am Freitag blutige Vergeltungsanschläge für israelische Militäraktionen in zwei palästinensischen Flüchtlingslagern angedroht, bei denen seit Donnerstag mindestens 22 Palästinenser und zwei israelische Soldaten getötet wurden. Arafats Autonomiebehörde verurteilte den Anschlag. Man sei grundsätzlich gegen das Töten von Zivilisten auf beiden Seiten, hieß es in einer in Ramallah veröffentlichten Erklärung.

Nach Polizeiangaben zündete der Attentäter den Sprengsatz, den er in einer Tasche bei sich trug, gegen 18.15 Uhr (MEZ) inmitten einer Gruppe Israelis. Kurz zuvor waren in den Synagogen des Viertels die Gottesdienste zum Ausklang des Sabbats zu Ende gegangen. Hunderte gläubiger Juden befanden sich in der Chaim Oser Straße, nahe dem berühmten Orthodoxenviertel Mea Schearim, als dort die Bombe hoch ging. Bereits im Februar 2001 waren bei der Explosion einer Autobombe ganz in der Nähe des Tatorts mehrere Israelis verletzt worden.

In der autonomen palästinensischen Stadt Ramallah kam es nach dem Bekanntwerden des Anschlags zu Freudenkundgebungen einiger hundert Palästinenser. Die israelische Armee war bereits am Donnerstag in die Flüchtlingslager Balata in Nablus und Dschenin im Norden des Westjordanlands eingedrungen. Bei Straßenkämpfen mit Palästinensern töteten Elitesoldaten mindestens 22 Palästinenser, darunter waren nach palästinensischen Angaben auch zwei Kinder. Im Lager Balata fanden Soldaten nach Angaben der Armee eine Fabrik zur Herstellung primitiver Kleinraketen des Typs "Kassam 2" und mehrere Sprengsätze. Am Samstagnachmittag zog sich die Armee wieder aus dem Flüchtlingslager von Dschenin zurück.

Mutmaßliche palästinensische Extremisten erschossen am Samstag im Westjordanland einen israelischen Polizisten. Nach Angaben der Armee wurde er neben seinem Motorrad in der Nähe der großen jüdischen Siedlung Maale Adumim nördöstlich von Jerusalem tot aufgefunden.

Ein palästinensisches Baby starb am Samstag kurz nach seiner Geburt, nachdem ein Rettungswagen an einer israelischem Straßensperre bei Ramallah im Westjordanland aufgehalten wurde. Ein zehnjähriges Mädchen erlag in Gaza seinen Verletzungen, die es vor drei Wochen bei israelischen Luftangriffen auf ein Hamas-Büro im nördlichen Gazastreifen erlitten hatte.

Die palästinensische Autonomiebehörde hatte am Freitagabend beschlossen, alle Gespräche mit der israelischen Regierung wegen der Militäroperationen in den Flüchtlingslagern abzubrechen. Informationminister Jassir Abed Rabbo sagte ein Treffen der Sicherheitsexperten beider Seiten ab. Der palästinensische Geheimdienstchef im Gazastreifen, Amin el Hindi, warf Israel am Samstag vor, mit der Offensive gegen eine von den Geheimdiensten beider Seiten vereinbarte siebentägige Waffenruhe verstoßen zu haben.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Mary Robinson forderte inzwischen den sofortigen Abzug der israelischen Truppen aus den Flüchtlingslagern. Sie beschrieb die Situation dort als unerträglich. Die USA und UN-Generalsekretär Kofi Annan riefen beide Seiten zur Zurückhaltung auf. (dpa)

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