Montangeschichte der Voreifel„Astraea“ und „Proserpina-Elisabeth“

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Bis fast an den Zülpicher Ortsrand reichten die Abgrabungen des Braunkohle-Tagebaus in den 1960er Jahren. Gleichzeitig stand dort die modernste Brikettfanrik Westdeutschlands. (Repro: Sprothen)

Bis fast an den Zülpicher Ortsrand reichten die Abgrabungen des Braunkohle-Tagebaus in den 1960er Jahren. Gleichzeitig stand dort die modernste Brikettfanrik Westdeutschlands. (Repro: Sprothen)

Kreis Euskirchen – Nach ihrer Stilllegung 1969 stand die Produktionsanlage der Victor Rolff KG sperrig und nutzlos im Feld nordöstlich von Geich. Sie ließ vergessen, dass sie einmal die modernste westdeutsche Brikettfabrik war, als sie 1955 ihren Betrieb aufnahm. Gleichzeitig war sie der einzige Neubau einer Brikettfabrik im rheinischen Revier nach Kriegsende. Dieser Ruhm bleibt der „Klüttenfabrik“ jetzt endgültig erhalten, denn die Anlage ist detailliert dokumentiert im umfangreichen neuen Gattungsinventar zur Braunkohle.

Das Rheinische Amt für Denkmalpflege hat das Werk jetzt herausgegeben in der Reihe „Die Bau- und Kunstdenkmäler von Nordrhein-Westfalen“. Der Band „Braunkohlenbergbau im Rheinland“ stellt eine gewichtige Fundgrube der rheinischen Industrie-Kultur dar - rund 2250 Gramm schwer und stattliche 754 Seiten stark.

Das wahre Gewicht der Publikation aber steckt im Inhalt. So lässt sich beispielsweise im Kapitel „Westrevier und Zülpich“ nachlesen, dass der Tagebau Zülpich schon 1948 geplant wurde. Die Betriebserlaubnis umfasste vier Grubenfelder mit so poetischen Namen wie Astraea, Proserpina-Elisabeth, Heimat I und Heimat II. Unter 15 bis 60 Metern Abraum lagerte ein Flöz von gleichbleibend acht Metern Mächtigkeit. Um 1960 waren 742 Arbeiter und Angestellte in Tagebau und Brikettfabrik beschäftigt, und täglich wurden bis zu 1300 Tonnen Brikett erzeugt.

Vorher mit Wasserkraft

Zur Anlage zählte auch ein Kraftwerk. Im Bau der Fabrik treffen Elemente der klassischen Moderne mit denen der 1950er Jahre zusammen, würdigen die Autoren die Geicher Anlage. Sie beschreiben auch Bauten, die im Umfeld der Produktionsstätte entstanden, beispielsweise Wohnhäuser für Angestellte und Arbeiter.

Bevor um 1910 die Stromerzeugung auf der Basis von Braunkohle in großem Stil in Angriff genommen wurde, dienten Steinkohle und Wasserkraft der Energieerzeugung. In die Kategorie der Überlandzentralen, die zur frühzeitigen Expansion der Stromversorgung in ländliche Regionen beitrugen, gehörte das Wasserkraftwerk Heimbach. 1905 ging es mit einer Kapazität von 10 000 kW als eines der größten Wasserkraftwerke Europas ans Netz. Die Rur-Talsperren-Gesellschaft (RTG) lieferte von Heimbach aus Strom in die angrenzenden Landkreise Aachen, Düren und Schleiden.

1922 wurde die Stromerzeugung aus Wasserkraft und Braunkohle in einem regionalen Verbundbetrieb zusammen gefasst. Fotos zeigen die Bauzeit der heute „Jugendstil-Kraftwerk“ genannten Anlage sowie einen Blick in die Maschinenhalle um 1910.

Das Gattungsinventar Braunkohle ist Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojektes, das der Landschaftsverband Rheinland in Zusammenarbeit mit dem NRW-Landesministerium für Bauen und Verkehr durchführte.

Autoren sind Projektleiter Dr.-Ing. Walter Buschmann vom LVR, der Technikhistoriker Dr. Norbert Gilson und die Kunsthistorikerin Dr. Barbara Rinn. Der Band „Braunkohlenbergbau im Rheinland“ reicht von den vorindustriellen Anfängen über die Entwicklung des Braunkohlenbergbaus im 19. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein eigenes Kapitel ist der NS-Zeit gewidmet. Daneben sind die einzelnen Reviere und die Stromverteilung beschrieben.

Eisenbahnfreunde werden sich über das Kapitel „Kohlebahnen“ freuen. Ein detailliertes Register hilft bei der Suche nach Orten, Personen, Sachgebieten oder Firmen. (bm)

Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes NRW in Verbindung mit dem Landschaftsverband Rheinland (Hg.): Braunkohlenbergbau im Rheinland.In: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Nordrhein-Westfalen: I. (Rheinland). Bearbeitet von Walter Buschmann, Norbert Gilson, Barbara Rinn. 754 S., mit 602 teils farbigen Abb. ISBN 978-3-88462-269-8, 58 Euro

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