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Mülheimer Nagelbombe: Türkischer Botschafter spricht von terroristischem Akt

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Der türkische Botschafter Mehmet Ali Irtemcelik wurde von Polizeidirektor Dieter Klinger durch die Keupstraße geführt.

Der türkische Botschafter Mehmet Ali Irtemcelik wurde von Polizeidirektor Dieter Klinger durch die Keupstraße geführt.

Der Faden einer Glühbirne, ein Batteriepaket und eine Fernsteuerung brachten die Nagelbombe zur Explosion.

Wieder Blaulicht, wieder Streifenwagen, wieder Straßensperre. An die Polizeipräsenz haben sich die Bewohner der Keupstraße inzwischen gewöhnt. Am Freitag galt das Aufgebot an Sicherheitskräften dem türkischen Botschafter Mehmet Ali Irtemcelik, der sich mehr als eine Woche nach dem Bombenanschlag in Mülheim durch die Keupstraße führen ließ. „Der Anschlag war ein sorgfältig geplanter terroristischer Akt. Ich hoffe, dass der Täter so schnell wie möglich gefasst wird“, sagte der Botschafter.

Inzwischen haben die Ermittler alle Einzelteile der Bombe zusammengesetzt. Offenbar wurde der Sprengsatz mit einem simplen Mechanismus zur Detonation gebracht. Als Zünder diente eine Glühbirne. „Die Glashülle der Birne war entfernt worden, so dass der frei liegende Wolframfaden das Schwarzpulver entzünden konnte“, bestätigte Kölns Leitender Polizeidirektor Dieter Klinger, der den Botschafter in der Keupstraße begleitete. Durch ein Batteriepaket sei die Birne mit Strom gespeist worden. Unweit des Anschlagsortes löste der Täter mit Hilfe einer Fernsteuerung der Modellbaufirma „Graupner“ die Explosion aus.

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Nach der Veröffentlichung der Aufnahmen einer Überwachungskamera wartet die Polizei noch immer auf einen entscheidenden Hinweis zur Identität des Bombenlegers. Knapp eine Stunde vor der Explosion war der mutmaßliche Täter auf dem Weg zur Keupstraße am Eingangsbereich des nahe gelegenen Musiksender „Viva“ gefilmt worden. Ob der Mann einen Schnäuzer oder eine Brille trug, sei wegen der unscharfen Aufnahmen noch nicht geklärt, sagte Polizeisprecher Wolfgang Beus am Freitag. Inzwischen liegen die digitalen Aufnahmen beim Bundeskriminalamt (BKA). „Wir werden das Band ausbessern. Das Maß der Verbesserung ist aber von der Komprimierung der Aufnahmen abhängig“, sagte ein BKA-Sprecher. Schon am Samstag soll den Kölner Ermittlern das Ergebnis präsentiert werden.

Weiter offen ist das Motiv. Neben einem privaten oder politischen Hintergrund schließt Oberstaatsanwalt Rainer Wolf auch eine Auseinandersetzung im Milieu nicht aus. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, wurde ein mutmaßliches Mitglied aus der Bande des inhaftierten Rotlichtpaten von Köln, Neco A., bei dem Anschlag verletzt. Die Polizei bestätigte, dass sich Tamer A. in dem Haarstudio aufhielt, vor dem der mit Nägeln gespickte Sprengsatz explodierte. Der 31-Jährige ist in den Augen der Staatsanwaltschaft ein „Soldat“ der mächtigsten türkischen Gruppierung auf den Ringen. Den Ermittlungen zufolge beteiligte er sich an den Auseinandersetzungen mit einer Milieugröße aus dem Ruhrgebiet. Im Herbst 2001 folgte er dem Ruf seines Anführers, der mehr als 30 Männer zusammengerufen hatte, um den Rivalen vernichtend zu schlagen. Schwer bewaffnet, mit Schutzwesten ausgerüstet stürmte die Gang eine Frankfurter Diskothek. Angesichts der Übermacht hatte der Widersacher des Kölner Rotlichtpaten das Lokal erst gar nicht betreten. Obgleich man in diese Richtung ermittelt, hält die Polizei einen Bandenkrieg eher für unwahrscheinlich. „Innerszenische Auseinandersetzungen laufen meist gezielter ab. Dieser Anschlag ist eher untypisch für dieses Klientel“, meinte Klinger.

Vor dem Hintergrund der Ereignisse will die Interessengemeinschaft Keupstraße am 11. Juli ein multikulturelles Solidaritätsfest veranstalten.

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