MundgeruchEin Problem liegt auf der Zunge

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Dr. Stephan Delschen demonstriert, wie das Halimeter Mundgeruch misst. Mitarbeiterin Alexandra Köhler kann aufatmen: Das ist nur ein Test. (Bild: Neumann)

Dr. Stephan Delschen demonstriert, wie das Halimeter Mundgeruch misst. Mitarbeiterin Alexandra Köhler kann aufatmen: Das ist nur ein Test. (Bild: Neumann)

Rösrath – Wer ihn hat, möchte nichts lieber als ihn loswerden. Wer neben jemandem steht, der ihn hat, möchte das auch. Er ist unangenehm, er wird als hochnotpeinlich empfunden, er wird totgeschwiegen. 25 Prozent der Europäer leiden laut Statistik zumindest zeitweise an Mundgeruch; sieben Prozent ständig. Halitosis heißt der schlechte Geruch im Atem wissenschaftlich - und die Wissenschaft weiß auch, wie er sich loswerden lässt.

„Mundgeruch ist sehr gut zu behandeln“, macht Dr. Stephan Delschen den Betroffenen Mut. Der Zahnarzt hat sich bei Professor Andreas Filippi von der Universität Basel, der als Experte bei der Bekämpfung schlechten Atems gilt, fortgebildet. In der Gemeinschaftspraxis Heibach in Rösrath hält Delschen nun regelmäßig eine „Mundgeruch-Sprechstunde“ ab. Zu Hilfe kommt ihm dabei ein kleines Gerät, das sich Halimeter nennt. Es kann Mundgeruch messen. Delschen führt vor, wie es geht. In den geöffneten Mund hält er sich einen Plastik-Trinkhalm, der an das Gerät angesteckt wird, und atmet ganz normal weiter. Was der Patient meist nicht weiß, aber das Gerät messen kann: Das, was riecht, sind Schwefelverbindungen. Die Menge der schwefeligen Geruchserzeuger wird vom Halimeter auf einer Skala zwischen null und 400 angezeigt.

Entwarnung

Beim Selbstversuch des Zahnarztes pendelt sich die Kurve bei etwa 80 ein. Beruhigend für ihn und seine Patienten - kein Mundgeruch. „Es kann auch mal über die 400 gehen“, sagt Delschen. Andererseits kämen viele Patienten zu ihm, die sicher seien, Mundgeruch zu haben, sich jedoch vom Halimeter eines Besseren belehren lassen. „Sie gehen dann sehr befreit nach Hause und viel entspannter durchs Leben“, sagt er.

Noch wird das Halimeter von wenigen Zahnärzten eingesetzt. Eine Gladbacher Praxis hat es wegen mangelnder Nachfrage sogar wieder abgeschafft. Für die Rösrather Praxis schlug die Stunde der Mundgeruchmessung in ihrer Zweigstelle am Flughafen, denn der Bedarf bei den Geschäftsleuten war hoch. „Geruchsfreies Lachen ist wichtig, um erfolgreich zu sein“, sagt Jochem Heibach. Auch in der Rösrather Praxis wollen inzwischen viele ins Röhrchen atmen - nicht nur Geschäftsleute. Auch im Privaten ist Mundgeruch eine Belastung. Allein auf die Technik verlässt sich der Zahnarzt aber nicht. Hinzu kommen die so genannte „organoleptische Messung“, was schlicht heißt, dass der Arzt seine eigene Nase bemüht, sowie eine Untersuchung des Zungenbelags.

Ist die Halitosis gerochen oder gemessen, geht es darum herauszufinden, wodurch sie entsteht. Grundsätzlich sind meist Bakterien die Übeltäter, die beispielsweise Speisereste zersetzen und „nebenher“ Schwefelverbindungen erzeugen. „90 Prozent entsteht im Mund“, sagt Stephan Delschen. Schuld können Zahnfleischentzündungen, Parodontose, Karies oder undichte Kronen sein. Für alles haben Zahnärzte wirksame Behandlungsmethoden, die die Ursache bekämpfen und damit das Mundgeruch-Problem lösen.

Bei der Hälfte aller Fälle liegt die Ursache buchstäblich auf der Zunge. Delschen kommt beinahe ins Schwärmen, wenn er über Zungen redet: „Es gibt platte, raue, faltige, dünne, dicke. . .“, beginnt er und beschreibt, wie eine Zunge unter dem Mikroskop aussieht. „Das ist wie ein Gebirge“, sagt er, „und in die Schluchten müssen Sie rein.“ Die Reinigung der „Gebirgsschluchten“ auf der Zunge kann professionell beim Zahnarzt erfolgen. Im Prinzip kann das aber auch jeder selbst zu Hause. Notwendig dafür ist ein Zungenschaber, der sich in jeder Drogerie kaufen lässt. Zusätzlich sollte das kleine Gerät weiche Noppen haben, die in die Tiefe dringen. Wichtig auch, dass es nicht zu groß, breit oder dick sei. „Die meisten Bakterien sitzen hinten auf der Zunge“, erklärt Stephan Delschen. Dort hinten jedoch setzt auch gern der Würgereflex ein.

Die Zungenreinigung riecht ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber deutlich besser als Mundgeruch. Ergänzend könnten zinkhaltige Pasten oder Spülungen verwendet werden, denn Zink ist der Feind des Schwefels - er bindet ihn chemisch und kann so den Geruch neutralisieren. „Allein diese Maßnahmen führen schon oft zum Erfolg“, ist die Erfahrung von Stephan Delschen.

Grundsätzlich lässt sich Mundgeruch immer erfolgreich behandeln. Mal etwas schneller, mal etwas langsamer, mal mit mehr, mal mit weniger Therapie. Doch Mundgeruch ist ein ausgewiesenes Tabu-Thema. „Darüber redet niemand“, sagt Delschen, „auch nicht, wenn er ihn los ist.“ Die Information, dass er sich loswerden lässt, verbreitet sich dementsprechend langsam.

„Früher wurden die Leute zur Magenspiegelung geschickt“, erzählt Delschen. Heute sei erwiesen, dass der Magen bei Mundgeruch statistisch kaum eine Rolle spielt. Eher entstünden Bakterien im Nasen- und Rachenraum. In Verbindung von Halitosis mit chronischem Schnupfen und Entzündungen der Nasennebenhöhlen oder Mandeln empfiehlt der Zahnarzt den Gang zum HNO-Experten. Ebenso bei kleinen Patienten, die in ihr Näschen Fremdkörper wie eine Erbse gestopft haben: Die stellt für Bakterien ein gefundenes Fressen dar. In seltenen Fällen könnten Diabetes, Lebererkrankungen oder gar eine radikale Fastenkur Mundgeruch hervorrufen.

Viel trinken

Zu einer besonders gefährdeten Gruppe gehören emsige Redner. „Vortragende riechen oft komisch“, sagt Delschen. Bakteriell bedingter Mundgeruch werde durch verringerten Speichelfluss begünstigt. Wer viel redet, sollte auch viel trinken. Zudem sei es gut, mehrere kleine Mahlzeiten am Tag einzunehmen, um den Speichelfluss anzuregen. „Viel flüssiges Obst wie Melone“, empfiehlt der Halitose-Experte.

Rauchen empfiehlt er erwartungsgemäß nicht. Der „Smoker's Breath“ käme nicht nur vom Eigengeruch des Glimmstängels, sondern auch daher, dass die Durchblutung des Mundes verringert werde und die dadurch geschwächten Abwehrkräfte gegen die Bakterien häufiger die Waffen strecken müssten. Fazit: handeln statt schämen. Mit der professionellen Unterstützung durch einen Zahnarzt und mit zusätzlichen Hygienemaßnahmen kann jeder wieder gelassen ausatmen. Wer kein Problem hat, kann präventiv putzen. Frei nach dem Motto: „(Be)hüte deine Zunge!“

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