MuseumSchmuckstücke der Musikgeschichte

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Ein Glück für Dormagen: Volkmar Hess (links) und Helmut Dietsch betreiben künftig das Museum - der Eintritt ist frei, die Stadt zahlt nichts. (Bild: Kreikebaum)

Ein Glück für Dormagen: Volkmar Hess (links) und Helmut Dietsch betreiben künftig das Museum - der Eintritt ist frei, die Stadt zahlt nichts. (Bild: Kreikebaum)

Dormagen – Es dröhnt und knistert, als Enrico Carusos „La donna e mobile“ aus dem 100 Jahre alten Grammophon tönt; der Mann mit dem Honecker-Hut und dem violetten Hemd streicht über den Trichterlautsprecher, als sei er sein Baby. „Das ist doch Musik“, wispert Volkmar Hess. „Man scheint dabei zu sein, wie die Klänge entstehen. Das kann ein CD-Player nicht bieten.“

Über 4000 Geräte

Tatsächlich laden die Ausstellungstücke in den ehemaligen Räumen der Baptistengemeinde zu einer Reise in jene Zeit ein, als die Lieder Louis Armstrongs durch Trichterlautsprecher schallten, als sich Hunderte vor einem Fernseher versammelten, um die WM 1954 zu verfolgen.

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400 Grammophone und Phonographen sowie 30 000 Schellackplatten (Vorgänger der Vinylschallplatten) hat Volkmar Hess in 35 Jahren gesammelt. Gemeinsam mit den 4000 Rundfunk-, Tonband-, Kassetten- und Phonogeräten des Dormageners Helmut Dietsch bildet Hess' Sammlung den Fundus für das „Internationale Phono- und Radio-Museum“, das am 20. Juni in Dormagen eröffnet wird.

Der frühere Gottesdienstsaal wird für Wechselausstellungen genutzt. Bis Ende des Jahres erzählen holzverkleidete Schmuckstücke die Geschichte der Radio- und Fernsehgeräte in NRW. Zu sehen ist auch der erste Fernseher, der nach dem Krieg als Reparationsleistung für Russland produziert wurde.

In der Dauerausstellung ist die Entwicklung vom Phonographen zum Grammophon dokumentiert. Von Edisons Wachswalzenphonograph ab 1895 über Trichtergrammophone bis zu Schrank- und Tischmodellen der 30er Jahre reicht das Spektrum. Ein eigener Raum ist der Entstehungsgeschichte des Radios gewidmet - die Geräte stammen größtenteils aus den Jahren 1920 bis 1929. US-Radios sind dabei und englische Detektorgeräte von 1922, Notradios, Musiktruhen und bunte Design-Stücke.

„Deutschlandweit einzigartig“

Der Entwicklung der magnetischen Tonspeicherung zwischen 1940 und den 90er Jahren widmet sich ein anderer Raum. In einem Archiv finden sich Fachbücher und Bedienungsanleitungen.

Das Konzept des Museums - neben Dauer- und Wechselausstellungen finden Kleinkunst-, Musik-, und Tanzveranstaltungen statt - sei „deutschlandweit einzigartig“, sagt Hess.

Die Stadt Dormagen, finanziell gebeutelt, hatte Glück: Da war Volkmar Hess, der in Viersen-Dülken ein „Haus des nostalgischen Klangs“ betreibt und enttäuscht war, dass seine Heimatstadt keine Räume für das ursprünglich dort geplante Museum zur Verfügung stellte. Schon überlegt Hess, sein Haus in Dülken aufzugeben und komplett nach Dormagen überzusiedeln. Dazu gesellte sich Dietsch, der nicht nur das nötige Kleingeld hat, um in rekordverdächtigem Tempo alte Radios und Fernseher aufzukaufen, sondern auch, um das ehemalige Gemeindegebäude an der Kölner Straße zu erwerben. Die Stadt Dormagen ist dankbar für den mutmaßlichen Publikumsmagneten und wirbt dafür, den Förderverein des Museums zu unterstützen.

„Für uns ist das ein großer Wurf“, sagt Heinz Pankalla, Leiter des Büros für bürgerschaftliches Engagement. „Nun ist es an den Menschen, das Museum mit Leben zu füllen und mitzuhelfen, dass es sich trägt.“ Die Finanzierung ist indes Helmut Dietschs Sorge nicht. Eher der Platz. Sein Haus in Delhoven steht voller alter Radio- und Fernsehgeräte. Dietsch (74), der erst vor 13 Jahren, nach einem Flohmarktbesuch, von der Sammelleidenschaft gepackt wurde, sagt: „Wir brauchen dringend neue Lagerräume.“

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