Mystik macht die Musik

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Ein Taktgeber der Kölner Techno-Szene: Riley Reinhold, DJ und Mitbetreiber der Plattenlabels Traum, Trapez und MBF

Ein Taktgeber der Kölner Techno-Szene: Riley Reinhold, DJ und Mitbetreiber der Plattenlabels Traum, Trapez und MBF

Obwohl seit Jahrzehnten Teil der Techno-Szene dieser Stadt, hasst es Riley Reinhold alias Triple R, „Urgestein“ genannt zu werden.

Märchenstunde bei Onkel Riley: „Ich finde es total schön, wenn um Musik herum Geschichten entstehen. Die müssen gar nicht unbedingt stimmen“, sagt der DJ, Autor und Musikliebhaber, der fast schon länger Techno macht, auflegt und beschreibt, als es Techno gibt. „Ich bin seit 1984 dabei“, sagt er, der mit vollständigem Namen Riley Reinhold heißt und Geschichten erzählen kann bis zum Morgengrauen. „Unter anderem habe ich die Zeitschrift DeBug mit gegründet, ich habe in der Spex, Frontpage und anderswo rund 3500 Rezensionen veröffentlicht und hunderte Interviews gemacht.“

Das Schreiben hat er irgendwann aufgegeben („Nach mehr als sieben Jahren gingen mir die Adjektive aus, ich bin nun einmal kein Schiller oder Goethe“), der Musik im Allgemeinen und speziell dem Techno ist er treu geblieben. Gemeinsam mit Jacqueline Klein betreibt er im Souterrain eines Hauses in der Werderstraße seit Ende der 90er Jahre die Labelfamilie Traum, der auch Trapez und MBF angehören. Und er legt auf, überall in der Welt, in Nizza, Barcelona und Buenos Aires, aber gerne auch vor der eigenen Haustür: zuletzt als Resident-DJ im „Sensor“ in Poll, einst Kölns größter Techno-Club, der 2005 seine Pforten schloss. Ein gutes Dutzend Platten für die Dancefloors hat er selbst produziert, meist im Duett, unter anderem mit Dr. Walker, dem anderen Kölner Szene-Methusalem, Steve Barnes, Rob Acid und Emanuel Geller. Vor allem aber ist Riley Reinhold A & R seiner Plattenlabels, also zuständig für „Artists and Repertoire“, und hat dabei etwa Dominik Eulberg entdeckt, der seit einigen Jahren die Techno-Szene aufmischt (siehe „Neu im Plattenregal“).

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Die besonderen Perlen, die Riley bei seiner Labelarbeit zu Ohren kommen, versammelt er in unregelmäßigen Abständen auf CD. Jüngst hat er das wieder getan, unter seinem DJ-Alias Triple R. Die CD-Reihe „TripleR Selection“ ist ein langer, ruhiger, pumpender Fluss aus Stücken der vergangenen Monate, die Riley und Jacqueline in der ganzen Welt aufgespürt haben, aber dennoch sehr nach dem klingen, wofür der Name „Cologne“ seit mehr als zehn Jahren in der Club-Welt steht: minimaler, puristischer Techno, der seine Spannung aus den Details bezieht, aus der schlauen Komposition kleiner und kleinster Elemente.

Eine Wissenschaft

„Digital produzierte Musik hat in den vergangenen Jahren noch einmal einen Schub gekriegt“, sagt Riley. „Früher musstest du für eine gute Produktion in ein großes Studio gehen - heute hat jeder so ein Studio zu Hause. Aber guter Klang, der zu Hause genauso funktioniert wie im Club, ist immer noch schwer herzustellen. Früher kam das alles aus der Hardware, aus Synthesizern wie dem Moog oder Arp - heute musst du die physische Kraft, von der eine Musik wie Techno lebt, mit der Computermaus reinpumpen. Das ist nicht einfach.“ Riley hat sich das hart erarbeitet: „Ich höre seit 1989 Techno, da habe ich einen Blueprint dafür entwickelt, wie etwas klingen muss.“ Und nicht alles, was an Musik von anderen Künstlern auf seinem Schreibtisch landet, klingt richtig: „Vielen fehlt es einfach an Talent und Substanz“, sagt er. „Es ist ja nicht damit getan, ein paar Sequenzen übereinander zu schieben und am Schluss ordentlich am Sättigungsregler zu drehen.“ Techno, so schlicht er gerade für ungeübte Ohren erscheinen mag, ist eine Wissenschaft für sich. „Du hast die einzelnen Bestandteile, die musst du richtig kombinieren, damit sie sich gegenseitig sättigen.“

Noch wichtiger aber als alle Produktion, findet Riley, ist der ideelle Hintergrund eines Stücks, seine Metaebene sozusagen. „Musik braucht eine gewisse Mystik, damit sie wirklich groß werden kann. Es ist nicht damit getan, einfach ein neues Stück auf Myspace hochzuladen.“ Riley lehnt sich zurück und begutachtet die Plattencover an der Wand seines Büros. „Auch die Art der Veröffentlichung, die Inszenierung, ist wichtig.“ Mit der neusten, fünften „Selection“-CD macht er vor, was er damit meint: „Ich will mit einem solchen Mix nicht nur pragmatisch die Clubs bedienen“, sagt er. „Ich will eine Geschichte erzählen.“ Mit 20 Jahren Techno im Hinterkopf lässt sich gut erzählen. Riley ist mit seinen Geschichten noch lange nicht am Ende.

Musiker, die vorgestellt werden möchten, wenden sich an den „Kölner Stadt-Anzeiger“, Telefonnummer: 2 24-23 23, E-Mail: KSTA-Stadtteile@mds.de, Anschrift: Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln. Bewerber sollten aktuelle Musikproben zusenden. Musikbeispiele der Bands, die in der Reihe präsentiert werden, sind im Internet zu hören.

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