NachberichtFast vergessene Bräuche

Lesezeit 4 Minuten

„Was gehört für Sie zum Weihnachtsfest?“ hat vor Jahren das Nachrichtenmagazin „Focus“ in einer Umfrage wissen wollen. Die TOP 3 der deutschen Hitliste überraschen kaum: Geschenke, Festessen und Tannenbaums. Neben diesen „großen“ Ritualen freilich gibt es viele kleine, oft regional ganz unterschiedliche Weihnachtsbräuche, die fast in Vergessenheit geraten sind - die aber zum Teil wie etwa das Weihen des Johannisweins in den vergangenen Jahren eine Renaissance erleben. Am Servicetelefon gaben jetzt die beiden Brauchtumsexperten Dr. Manfred Becker-Huberti und Günter Leitner unseren Leserinnen und Lesern Auskunft zu traditionellen, fast vergessenen oder wieder entdeckten Bräuchen – nicht nur in der Weihnachstzeit. Einige stellen wir im Folgenden vor:

Johanniswein

Am 27. Dezember, dem Gedenktag des heiligen Apostel und Evangelisten Johannes wird auch heute noch in einigen katholischen Kirche Wein geweiht und zum Gedenken an den heiligen Johannes getrunken. Entstanden ist dieser Brauch, weil Johannes einen vergifteten Becher Wein getrunken haben soll, dessen Gift aber, nachdem er das Kreuzzeichen über den Becher gemacht hatte, in die Gestalt einer Natter zum größten Schrecken der Ungläubigen verwandelt worden ist, so dass ihm der Wein nicht schadete. Im Rheinland war die Segnung des Johannesweines vor allem in den ländlichen Gebieten bis in die 1920er Jahre weit verbreitet. „Man glaubte, dass alle, die von dem gesegneten Wein trinken, von Krankheiten bewahrt bleiben“, erläutert Stadtführer Günter Leitner. In Köln wird dieser alte Brauch seit einigen Jahren wieder in der Kirche St. Maria in Lyskirchen gepflegt. Am Dienstag, 27. Dezember findet in diesem Jahr um 18 Uhr eine Festmesse zu Ehren des heiligen Johannes mit Segnung des Johanniswein statt.

Kurrende-Singen

Günter Leitner vermutet, dass das Kurrende-Singen ein Vorläufer der heutigen Sternsinger ist, die um den Dreikönigstag von Haus zu Haus ziehen und um Spenden für bedürftige Kinder bitten. Früher war es üblich , dass die singenden Kindergruppen nach Heiligabend umherzogen (aus dem lateinischen: currere = „laufen“, also „Laufchor“),und um Gaben für ärmere Kinder baten. Gleichzeitig wünschten sie ein frohes Weihnachtsfest und überbrachten die besten Wünsche für das neue Jahr. Aus gutem Grund, schließlich begann bis ins 17. Jahrhundert am 25.12. nicht nur das neue Kirchenjahr, sondern auch ein neues Kalenderjahr. „Wenn wir heute in unserer Weihnachtspost also auch ein gutes neues Jahr wünschen, hat das nichts mit Geiz zu tun, sondern ist mit dieser Tradition zu erklären“, erläutert Theologe Dr. Manfred Becker-Huberti.

Bohnenkönig

Es ist eine in weiten Teilen Europas lange Zeit verbreitete und aus dem Mittelalter stammende Tradition, am Vorabend des Dreikönigstages am 6. Januar in einer Speise, oft einem Kuchen, eine Bohne zu verstecken. „Der Finder der Bohne wurde für einen Tag zum Bohnenkönig ernannt“, erläutert Günter Leitner. Zu einem späteren durfte der so erkorene Bohnenkönig ein Fest ausrichten, sich dabei einen Hofstaat zulegen und fiktive Ehren erhalten. „Dieses Reich auf Zeit des närrischen Bohnenkönigs mit seinem unechten Hofstaat und den leiblichen Genüssen enthält bereits wesentliche Elemente, die der Karneval im 19. Jahrhundert in gewandelter Form wieder aufnimmt“, weiß Becker-Huberti.. Der eigentliche Brauch des Bohnenkönig-Wählens bis auf einige Gebiete an Mosel und Rhein weithin erloschen.

Frautragen

In der Adventszeit wird zum Teil auch heute wieder in einigen Gemeinden eine Marienplastik oder ein Marienbild an den neun letzten Abenden vor der Christnacht von einer Familie zur anderen gebracht und auf einem Hausaltar zur Andacht für die Familie und die Nachbarschaft aufgestellt. Idee dahinter erklärt Manfred Becker-Huberti: „Damit sollte ausgedrückt werden: Wir sind Gemeinschaft, wir begleiten Maria auf dem Weg nach Bethlehem und geben ihr Obhut.“ Am heiligen Abend dann wurde die Mariendarstellung wieder zurück in die Kirche gebracht.

Glockenbeiern

Eine Renaissance erlebt zumindest am Niederrhein in den letzten Jahren das im Mittelalter entstandene Glockenbeiern – vor allem an den Vorabenden von Festtagen. „Dort wird inzwischen fast in jedem zweiten Dorf diese Tradition wieder gepflegt“, sagt Manfred Becker-Huberti. Dabei blieben die Glocken hängen, nur die Klöppel werden gegen die Glocke geschlagen. Zu diesem Zweck sind die Glockenklöppel durch ein Seil befestigt. Allerdings: In der Weihnachtszeit wird hierzulande eher selten gebeiert. Aus einem einfachen Grund, wie Becker-Huberti erklärt: Auf dem offenen Glockenstuhl des Kirchturm ist es dann viel zu kalt.

Hinweis: Das rheinische Brauchtum in der Weihnachtszeit ist auch Thema bei diversen Krippengängen, die Antonitercitytours anbietet.www.antonitercitytours.de

Hilfe gesucht

Eine 80-jährige Anruferin berichtete, dass sie in Besitz eines alten mechanischen Tannenbaumständers aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts ist. Das besondere daran: Im Ständer eingebaut ist eine Spieluhr, die drei Weihnachtslieder abspielen kann. Seit einige Zeit ist diese Spieluhr defekt und unsere Leserin sucht seitdem vergeblich einen Experten, der die Melodien wieder zum erklingen bringen kann. Wer der Dame helfen kann, möge sich bitte melden unter Telefon 0221/ 224-2301.

KStA abonnieren