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Nichts mit Russen zu tun

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Im Wald zwischen Nonnenbach und Blankenheim steht an einer Kreuzung zweier Wanderwege das so genannte „Russenkreuz“. Über die Herkunft dieser Bezeichnung herrscht Ungewissheit.

Blankenheim - In den Köpfen vieler Menschen, egal ob es sich um auswärtige Besucher oder um Einheimische handelt, spukt die Vorstellung herum, dass das Kreuz irgendetwas mit Russland zu tun haben müsste. Es wird oft vermutet, dass im Zuge der napoleonischen Kriege russische Soldaten in Blankenheim Station machten und das Kreuz an gefallene Krieger erinnern soll. Bestärkt wird diese Vermutung dadurch, dass das „Russenkreuz“ auf einem Hügel steht.

Doch: „Die Bezeichnung »Russenkreuz« ist frei erfunden“, weiß Wolfgang Doppelfeld vom Blankenheimer Heimatverein. Es ist schon viele Jahre her, dass dieser Frage in der Zeitschrift „Um Burg und Quelle“, die vom Heimatverein herausgegeben wird, nachgegangen wurde. Im Heft 39 vom September 1968 fand der Chronist des Vereins die Antwort:

„Es war früher in der Eifel ein alter Brauch, wenn ein Bürger durch einen Blitz oder einen Herzschlag starb, dass seine Familie an der To¦desstelle ein aus Eichenholz gefertigtes Gedenkkreuz errichtete“, heißt es in dem Artikel von Emil Genenger, einem Blankenheimer Heimatforscher. Das an dem Waldweg nach Nonnenbach stehende „Russenkreuz“ habe jedoch einen ganz anderen Ursprung: Es wurde um 1950 „in irgendeiner frommen Absicht vom Friedhof auf den besagten Hügel versetzt“. Dabei handelte es sich um den Grabstein der verstorbenen Anna Diehl, so der Autor. Die weiße Marmortafel mit dem Namen wurde entfernt; die Befestigungslöcher kann man heute noch erkennen.

Keltisches Hügelgrab

Unter dem Kreuz habe man vor mehreren Jahrzehnten ein vorgeschichtliches Hügelgrab entdeckt, heißt es in dem Bericht. „In dieser Gegend gibt es mehrere Keltengräber“, bestätigte Doppelfeld.

An der Wegekreuzung sind keine Russen und auch keine österreichischen Offiziere bestattet worden. Denn „die österreichische Armee kämpfte in Belgien, wurde dort 1794 besiegt, zog sich über Aachen nach Aldenhoven und Jülich zurück, sammelte sich dort wieder, um dann über Holland und den Rhein abzumarschieren“, berichtete Historiker Emil Genenger in der Zeitschrift des Heimatvereins. Die österreichische Armee hat also gar nicht in der Eifel gekämpft. Der darauf folgende Einzug der französischen Armee erfolgte am 27. September 1794 über Aachen in die Eifel, Köln und Bonn.

„Die Bezeichnung »Russenkreuz« ist somit eine Fantasiebezeichnung und entbehrt jeder Begründung“, fasste Emil Genenger das Ergebnis seiner Nachforschungen zusammen. Er regte an, die alte, im Volksmund übliche Bezeichnung „Schötzhellijeschkrüzje“ wieder aufleben zu lassen, die aus den Worten „Schütz“ und „Hilgers-Kreuzchen“, dem Errichter des Kreuzes, hergeleitet wurde. „Schütze Hilgers“ bedeute „Schütze die Familie Hilgers, lieber Herrgott“. Der Volksmund habe dann noch die Bezeichnung „Kreuzchen“ oder „Krüzje“ hinzugefügt.

Eine in der heutigen Zeit verständlichere Bezeichnung wäre „Keltengrabkreuz“, schlug Emil Genenger im Jahre 1968 vor. Doch bis heute hat sich die alte Bezeichnung gehalten. Eine Wanderwegbeschreibung der „Eifel-Touristik“ beinhaltet noch eine andere Deutung der Bezeichnung „Russenkreuz“: „Der Name des Kreuzes stammt von dem Wort »Rauschen« her.“

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