„Grenzgaenger“ gesuchtMotocrossfahrer machen riskante Stunts im Naturpark

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Die Männer vollbringen tollkühne Stunts, vor allem aber ruinieren sie Wege und verschrecken Wild.

Die Männer vollbringen tollkühne Stunts, vor allem aber ruinieren sie Wege und verschrecken Wild.

Köln – Lorraine G. starb mit 15, an einem Freitag im Mai dieses Jahres. Ihr Leben endete in einer Kurve im Pochetal nahe Waldbröl, nach einer illegalen Fahrt mit einem Quad. Am Steuer saß ihre gleichaltrige Freundin, sie verlor die Kontrolle über das schwere Geländefahrzeug, das eine Böschung hinabstürzte. Lorraine war direkt tot, die Fahrerin erlitt leichte Verletzungen. Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Hinter dem Unfall steckt offenbar mehr, als nur eine tragische Jugenddummheit. Auf dem Quad entdeckten die Beamten einen Aufkleber mit einem Totenkopf und der Aufschrift „Grenzgaenger“ – dem Logo einer Clique von Motocross-Fahrern, die die Polizei seit Jahren verfolgt.

„Das ist eine kranke Szene“

Lorraine und ihre Freundin waren Fans der Jungs um Dominik S. aus Karlsruhe alias „Querly“. Mit seinen Kumpels heizt der 24-Jährige mit seiner Enduro durch Deutschland, dreht Videos von seinen spektakulären Stunts und veröffentlicht sie auf YouTube. „Das ist eine kranke Szene. Sie fühlen sich als Outlaws mit dem Motto: Ich lebe heute und nicht morgen“, sagt Ulrich Stahl, Hauptkommissar bei der Polizeikreisbehörde in Gummersbach. „Fans wollen sie nachahmen, verfügen aber nicht über das Können.“

Videos: Motocrossfahrer rasen durch Wälder.

Videos: Motocrossfahrer rasen durch Wälder.

Vor rund zwei Jahren ist „Querly“ erstmals im Nationalpark Eifel und in Waldbröl aufgetaucht, um Videos zu drehen. Auf der schnurgeraden Straße entlang der „Hitlermauer“, dem Treffpunkt der Motocross-Szene, zeigte er unter dem Jubel seiner Fans, wie man auf einem Hinterrad über den Asphalt brettert. Sobald die Polizei auftauchte, flüchteten „Querly“ und seine „Grenzgaenger“-Gang mit verspiegelten Helmen in die Wälder und rasten durch Naturschutzgebiete. Der ökologische Schaden sei beträchtlich, sagt Stefan Befeld von Wald und Holz NRW.

Wege, Gräben und Bäche würden beschädigt, junge Bäume plattgefahren, Spaziergänger gefährdet. Auch für die Tierwelt sei das „egoistische und unsoziale Verhalten“ eine Gefahr. Seltene Arten wie der Schwarzstorch geben schon bei der kleinsten Störung Nester und Eier auf. „Die gesamte Lebensgemeinschaft des Wald wird von den Grenzgaengern in Mitleidenschaft gezogen.“

Erfolglose Suche nach „Querly“ und Co

Seit zwei Jahren versucht Hauptkommissar Stahl, „Querly“ und Co zu fassen. Mehr als 300 Seiten über sechs Verdächtige hat er an die Staatsanwaltschaft Bonn geschickt. Und hofft, dass es zu einer Verhandlung kommt. Die Bonner Behörde kennt „Querly“ seit Jahren: Ermittlungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Nötigung verliefen bislang im Sande. Im Mai 2015 soll er in Reichshof auf dem Hinterrad auf ein entgegenkommendes Auto zugerast sein. Der Fahrer erstattete Anzeige. Doch wieder dürfte der Nachweis schwierig werden, meint Stahl: „Man kann nicht zweifelsfrei feststellen, wer sich unter dem Helm befindet. Das ist unser Problem.“

Die Männer vollbringen tollkühne Stunts, vor allem aber ruinieren sie Wege und verschrecken Wild.

Die Männer vollbringen tollkühne Stunts, vor allem aber ruinieren sie Wege und verschrecken Wild.

„Querly“ postet davon unbeeindruckt weiter YouTube-Beiträge, die millionenfach geklickt werden. „Wir haben ausrechnen lassen, dass er damit zwischen 10 000 und 15 000 Euro im Monat verdient“, sagt Stahl. Hinzu komme ein Online-Shop, der Grenzgaenger-Aufkleber und -Motorradkleidung verkauft. Registriert ist das Unternehmen in Karlsruhe, der Heimat von „Querly“. Zu den Kunden zählten vor allem motorsportbegeisterte Kinder und Jugendliche, so ein Insider. „Die Sachen sind völlig überteuert, die Leute werden ausgenommen.“ Von einer Verbindung zu einer illegalen Motocross-Szene will der offizielle Geschäftsführer des „Grenzgaenger“-Shops nichts wissen. „Es liegt nicht in unserer Hand, wer diese Bekleidung trägt“, schreibt Stephan-Peter Jäkel. Auch mit den Videos habe sein Unternehmen nichts zu tun.

Bei der Motocross-Szene in Waldbröl habe der Tod der 15-jährigen Lorraine Wirkung gezeigt, sagt Polizist Stahl. Man habe sich von den Grenzgaengern distanziert. „Querly“ habe sich seit Wochen nicht mehr blicken lassen.

Wildtiere in Panik

Auch in der Eifel ärgert man sich schon länger über die gefährlichen, umweltschädigenden Aktionen der motorisierten „Grenzgaenger“. Oliver Krischer, Vorsitzender des Fördervereins Nationalpark Eifel, ist der Motorrad-Gang selbst schon begegnet. „Das ist ein zunehmendes Problem, dessen die Parkverwaltung auch nicht Herr wird“, sagt er.

Im Nationalpark lebten seltene Vogelarten. Auf der Dreiborner Hoffläche sollen Hirsche auch künftig ungestört äsen können. „Wenn dann plötzlich so ein Motorrad durchknattert, sorgt das natürlich für Panik bei den Tieren.“ Auch die Besucher fühlten sich von den Bikern belästigt. „Das gehört nicht in einen Nationalpark.“

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