„Psychische Folgen wären immens“Das sagt ein Schulpsychologe über den Schulstart

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Ein Schüler mit Maske.

  • Uwe Sonneborn ist Diplom-Psychologe und Mitglied im Vorstand des Landesverband Schulpsychologie NRW. Er berät Eltern und Schüler in Krisensituationen.
  • Im Juni haben seine Verbandskollegen und er in einem offenen Brief an Schulministerin Gebauer vor den sozial-emotionalen Folgen der wochenlangen Schulschließungen gewarnt.
  • Im Interview spricht er über die Herausforderungen, die die Einschulung für Kinder und Eltern mit sich bringt und die Maskenpflicht im Unterricht.

Köln – Herr Sonneborn, was ist für Kinder schwieriger: Einschulung oder der Wechsel auf die weiterführende Schule?

Uwe Sonneborn: Die Einschulung. Weil Kinder aus dem eher spielerischen Kita-Umfeld in ein System mit festgelegten Abläufen eintreten, das von ihnen Disziplin und Leistung verlangt. Alleine zu lernen, mit dem ganzen Material umzugehen ist eine Herausforderung.

Wie können Eltern ihrem Kind helfen, damit gut zurechtzukommen?

Ich plädiere grundsätzlich dafür, dem Kind Zutrauen in sein Handeln zu vermitteln. Heißt: Als Elternteil nicht die Organisation der Schulsachen selbst übernehmen, aber auch nicht den Nachwuchs einfach machen lassen. Ein guter Weg ist, feste Abläufe zu schaffen und durch gelegentliches Nachfragen die Selbstständigkeit des Kindes zu fördern: „Brauchst du noch etwas für den Unterricht heute? Weißt du schon, wann du deine Hausaufgaben machen wirst?“ So gibt man dem Kind das Gefühl, dass es selbst Entscheidungen trifft und Verantwortung trägt. Das schrittweise eigenständige Arbeiten ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ein Kind in der Grundschule lernt.

Inwiefern?

Auf der weiterführenden Schule wird vorausgesetzt, dass Kinder ihre Aufgaben erledigen, ohne dass ständig jemand über die Schulter schaut. Der Unterrichtsstoff wird komplizierter und schlichtweg mehr. Eltern, die ihrem Kind permanent alle Probleme abnehmen wollen, verhindern eher dessen Kompetenzentwicklung. Dem Kind sollte das Gefühl vermittelt werden: „Die Schule ist dein Job, und ich traue dir zu, dass du das auch ohne mich gut schaffst. Wenn du nicht weiterkommst, bin ich aber trotzdem da.“

Eine große Sorge von vielen Eltern ist auch, dass ihr Kind keine Freunde findet.

In den meisten Fällen aber unbegründet. Kinder können schon ganz gut einschätzen, ob und mit wem sie befreundet sein wollen. Auf jeden Fall sollte man dem Kind im Vorhinein das Gefühl geben, dass es das schafft und die Chance für sich nutzen wird. Das festigt sein Selbstbild.

Mit Maskenpflicht geht die Mimik der Mitschüler verloren. Das macht das Kontakteknüpfen schwieriger, oder?

Das stimmt, das kann belastend sein. Ich glaube aber, die Kinder werden das umgehen. Dann treffen sie sich bei Interesse eben in der Freizeit, um sich näher kennenzulernen.

Bekommen die Kinder nicht eher mehr Angst, sich zu infizieren, wenn sie den ganzen Tag eine Maske tragen?

Nein, ich denke, viele Kinder nehmen das Coronavirus und die  Maskenpflicht weniger als Gefahr wahr, eher als komische und künstliche Situation. Viele freuen sich, wieder in die Schule zu kommen. Der Wunsch, gemeinsam mit Mitschülern  zusammenzusein und Neues zu erkunden, ist ein wichtiges Element von Schule. Fiele das noch länger weg – die psychischen Folgen wären immens.

Welche Folgen meinen Sie? 

Es gibt Hinweise auf starke Vereinsamung mancher Kinder durch Unterricht auf Distanz. Auch besteht die Gefahr, dass lernschwache Schüler noch mehr abgehängt werden. Das kann zu starken Selbstzweifeln führen. Ich glaube, der Schutz der Entwicklung der Kinder muss genauso im Fokus stehen wie der Schutz vor dem Virus.

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