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Fäkalien und KinderpornosWie die NRW-Polizei für extreme Belastungen geschult wird

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Der Polizeialltag bringt oft belastende Situationen mit sich.

Der Polizeialltag bringt oft belastende Situationen mit sich.

  • Polizisten sehen und erleben viele Dinge, die psychisch extrem belastend sind. Manche müssen kinderpornografisches Material sichten. Andere werden im Hambacher Forst mit Fäkalien beworfen.
  • Das kann große Auswirkungen auf ihr Privatleben und auch auf ihre Arbeit haben. Aber stets verantwortungsvoll und korrekt handeln sollen die Polizisten schließlich auch, wenn sie wütend sind, Angst oder Ekel haben.
  • Im „Zentrum für ethische Bildung und Seelsorge bei der Polizei NRW“ in Selm werden sie dafür geschult. Ein Besuch bei der Einrichtung.

Selm – Tanja Weber ist Sachbearbeiterin bei der Kriminalpolizei in Unna. Sie hat einen Job, der nicht einfach ist: Die 42-Jährige bearbeitet Vergewaltigungsfälle, Missbrauch und Kinderpornografie. „Die Grausamkeiten, mit denen ich konfrontiert bin, lassen mich nicht kalt“, erklärt die Ermittlerin. Viele Polizisten würden von sich behaupten, sie seien immun gegen alles. „Aber das sind wir nicht“, sagt Weber.

An diesem Tag ist die Kriminaloberkommissarin nach Selm gekommen, um NRW-Innenminister Herbert Reul zu treffen. Dort befindet sich das „Zentrum für ethische Bildung und Seelsorge bei der Polizei NRW“ (ZeBuS). Die Fortbildungseinrichtung hat sich zum Ziel gesetzt, den inneren Schutzschild der Polizei zu stärken. „Die Beamten bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen der erwarteten Professionalität und der menschlichen Betroffenheit“, sagt der CDU-Politiker. „Wir dürfen die Polizei mit den enormen psychischen Belastungen des Alltags nicht allein lassen“, sagt Reul. Ermittler im Bereich Kinderpornografie würden jetzt zum Beispiel mit psychosozialen Supervisionen unterstützt.

In Selm wurde beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten ein Forum geschaffen, das alle Polizeibeamten ansprechen soll. Ausstellungsräume stellen Situationen aus dem Alltag der Beamten dar und bieten die Gelegenheit, ihre Haltungen zu reflektieren. Als Träger des Gewaltmonopols müssen sie sich stets verantwortungsvoll und korrekt verhalten. „Aber sie sind auch nicht frei von Wut, Angst und Ekel“, erklärt Liz-Katrin Herholz, die das Projekt mitbetreut. „Solche Emotionen können die moralische Integrität ins Wanken bringen“, sagt die Hauptkommissarin.

Alles zum Thema Herbert Reul

Philip Timmermeister ist Wachdienstbeamter in Recklinghausen. Er berichtet über den Umgang mit Tod und Trauer, der die Kollegen in seinem Team oft schwer belastet. „Sie haben immer wieder mit Sterbenden oder Toten zu tun“, sagt Timmermeister. Nicht alle seien stark genug, um das aushalten zu können. Ein Workshop in Selm habe den Beamten geholfen, wieder Kraft zu tanken.

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Bislang haben bereits 17.500 Polizisten an den ZeBuS-Programmen teilgenommen, die unter anderem von drei Polizeiseelsorgern betreut werden. Auch Kai Krückemeier berichtet von positiven Erfahrungen. Er ist Zugtruppführer bei der Bereitschaftspolizei in Recklinghausen. Bei Demonstrationen sind sie oft hasserfüllten Blicken und Gewalt ausgesetzt. Im Hambacher Forst wurden Bereitschaftspolizisten von Baumbesetzern mit Fäkalien übergossen. Wie hält man das aus? „Man muss sich klar machen, dass sich die Aggressionen nicht gegen uns persönlich, sondern gegen unseren Auftrag richten“ sagt Krückemeier.

Viele Kommissaranwärter sind ohne Gewalt aufgewachsen, haben keine Prügeleien auf dem Schulhof erlebt. „Manche müssen sich an den Job, Recht und Ordnung notfalls auch robust durchzusetzen, erst gewöhnen“, sagt Liz-Katrin Herholz. Gleichzeitig gibt es immer wieder Fälle, in denen Einsätze aus dem Ruder laufen und Gewalt eskaliert.

Die Polizei in NRW hat rund 50 000 Mitarbeiter. „Ich bin mir sicher, dass die überwältigende Mehrheit von ihnen hoch verantwortungsvoll mit ihren Befugnissen umgeht“, sagt Innenminister Reul. Allerdings fänden sich leider immer auch ein paar Beamte, „die man lieber nicht dabei haben würde“. Wer in seinem Dienst tagtäglich mit den Schattenseiten der Gesellschaft konfrontiert sei, könne für rechte Parolen anfällig werden. „Aber anders als in den USA haben wir bei der NRW-Polizei kein Rassismus-Problem“, so Reul: „Wir müssen aber erkennen, wenn einer wackelt. Wer sich für das Gute einsetzt, wird dem Bösen begegnen.“

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