Fehler im „Fall Lügde“NRW-Polizei soll künftig stärker kontrolliert werden

Lesezeit 3 Minuten
Lügde Campingplatz 010220

Im Fall Lügde hat die Staatsanwaltschaft Paderborn jetzt Vorermittlungen gegen das Jugendamt Höxter aufgenommen.

  • Immer wieder kommt es bei Ermittlungen der NRW-Polizei zu Pannen und Schlampereien.
  • Wer kontrolliert die Beamten, damit solche Dinge künftig nicht mehr passieren und schneller geahndet werden? Die Landesregierung hat diesbezüglich neue Pläne.
  • Lesen Sie hier die Hintergründe.

Düsseldorf – Die Panne hat die Kripo in Duisburg bis ins Mark erschüttert. Weil ein Beamter einem Hinweis aus der Sendung „Aktenzeichen xy“ im Juli 2019 nicht nachging, wurde der in Duisburg verschwundene Junge Marvin erst Monate nach dem TV-Beitrag aus den Händen eines Gewalttäters befreit. Der Fall zeigt exemplarisch, dass kleine Nachlässigkeiten fatale Folgen haben können. Der 15-Jährige, der insgesamt zwei Jahre verschwunden war, war schließlich bei einer Razzia in Recklinghausen in einem Schrank entdeckt worden.

Die Landesregierung plant jetzt, die Aufsicht über die Polizeibehörden besser zu organisieren. Die neue Struktur soll dazu beitragen, strukturelle Mängel in der Polizeiarbeit rechtzeitig aufzudecken. „Wir wollen künftig nicht immer erst reagieren, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Daher sollen demnächst die drei Landesoberbehörden für die Fachaufsicht über die 47 Polizeibehörden in NRW zuständig sein“, sagte Daniela Lesmeister, Leiterin der Polizeiabteilung im Düsseldorfer Innenministerium, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Polizei in NRW mache insgesamt „einen tollen Job“, sagte die promovierte Juristin auf Anfrage. Dennoch gebe es immer wieder Fälle, die zeigen würden, „dass nicht immer alles rund“ laufe. „Bei den internen Ermittlungen beim Kindesmissbrauch in Lügde kam beispielsweise ans Licht, dass dort mit den sichergestellten Beweismitteln in unverantwortlicher Weise umgegangen wurde, so dass ein Teil der Asservate abhandengekommen sind“, erklärte die Abteilungsleiterin. Die Pannen im Fall des Flüchtlings Amad A., der wegen einer Verwechslung zu Unrecht im Gefängnis saß und nach einem Zellenbrand starb, haben zu einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag geführt.

Auch Auswüchse in der Beamtenschaft sollen stärker in den Blick genommen werden. „In Hamm steht ein Polizist unter dem Verdacht, rechtsextreme Positionen zu vertreten“, so die Abteilungsleiterin.

Zusätzliche Mitarbeiter

Künftig sollen das Landeskriminalamt, das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten und das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste für die Aufsicht über die Behörden zuständig sein. „Dadurch sollen sowohl Verbesserungspotenziale als auch Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt werden“, sagte Lesmeister, die ihre Karriere als Streifenpolizistin begonnen hatte. Für diese Aufgabe erhalten die Landesoberbehörden zunächst Unterstützung durch 21 zusätzliche Mitarbeiter.

„Die neue Fachaufsicht soll so genannte Audits durchführen, die wahrscheinlich jeweils eine Woche lang dauern werden“, erklärte die Abteilungsleiterin. „Solche Controlling-Instrumente werden in der freien Wirtschaft schon seit langer Zeit erfolgreich eingesetzt, um Fehlentwicklungen zu erkennen. Mit der Neuorganisation soll das Ministerium von tagesaktuellen Entscheidungen entlastet werden und mehr Freiräume gewinnen, um sich strategischen Fragen zu widmen“, fügte Lesmeister hinzu.

Nach Informationen unserer Zeitung will die Landesregierung die notwendigen Änderungen im Polizeiorganisationsgesetz nach der Sommerpause in den Landtag einbringen. Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW hieß es, mit dem Vorstoß solle ein Fehler aus dem Jahr 2007 rückgängig gemacht werden. Damals hatte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) die Zuständigkeit der Bezirksregierungen für die Polizei abgeschafft, so dass es keine Mittelinstanz mehr zwischen den 47 Kreispolizeibehörden und dem Innenministerium gab.

Die Neuaufstellung sei „überfällig“, erklärte GdP-Vize-Landeschef Michael Maatz: „Das Innenministerium wird dadurch von einer Vielzahl von tagesaktuellen Entscheidungen entlastet und kann sich stärker auf die strategische Weiterentwicklung der Polizei konzentrieren.“ Auch Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in NRW, begrüßte den Schritt. Die Neuverteilung der Planstellen dürfe aber nicht zu Lasten der Kreispolizeibehörden gehen.

Überforderung der Kripo

Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter, sprach von einer „Operation am offenen Herzen“. Die Kritik an der Polizeiarbeit werfe vor allem ein Schlaglicht auf die Überforderung der Kripo in NRW, die unter „defizitären Rahmenbedingungen“ ermitteln müsse.

KStA abonnieren