Interview zum Notstand am DB-Knotenpunkt Köln„Der S-Bahn-Ausbau löst viele Probleme“

Lesezeit 4 Minuten

Norbert Reinkober (55) ist Geschäftsführer des Nahverkehr Rheinland (NVR) und Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS) und Experte für alle Infrastrukturprojekte, die im Zusammenhang mit dem Ausbau des Bahnknotens Köln stehen. 

Herr Reinkober, die Bahn hat für Köln den Notstand ausgerufen. Zwischen dem Hauptbahnhof und Mülheim sind die Trassen so voll, dass keine weiteren Züge mehr fahren können. Die Hohenzollernbrücke ist nur einer der Engpässe. Was muss jetzt geschehen?

Das völlig veraltete Stellwerk am Kölner Hauptbahnhof mit der anfälligen Technik muss so schnell wie möglich durch ein elektronisches ersetzt werden.

Was bringt das?

Eine ganze Menge. Mit moderner Digitaltechnik bei Weichen und Signalen können die Züge in viel kürzeren Abständen fahren. Allein bei der S-Bahn würde sich die Zugfolge von fünf auf zweieinhalb Minuten verkürzen. Bisher plant die Bahn den Umbau in zwei Etappen, 2022 und 2024. Eigentlich müsste das schneller gehen. Wir wären schon zufrieden, wenn sich das nicht noch weiter verzögert.

Was ist mit dem geplanten Ausbau des S-Bahn-Knotens?

Bei den Planungen sind wir schneller als erwartet unterwegs. Darin sind die Erweiterung des Hauptbahnhofs und des Bahnhofs Köln-Messe/Deutz um je einen Bahnsteig mit zwei Gleisen enthalten. Wenn die Planung steht, muss der Bund aber auch Geld zur Verfügung stellen.

Das mal vorausgesetzt: Wann wäre dieser Ausbau fertig?

Der zweigleisige Ausbau der S 11 bis Bergisch Gladbach könnte zwischen 2023 und 2025 fertig sein. Vielleicht sogar früher. Der Ausbau im Hauptbahnhof könnte bis 2027 folgen. Die Erft-S-Bahn könnte ähnlich schnell kommen.

Was hat das mit dem Engpass auf der Hohenzollernbrücke zu tun?

Wenn wir die Erft-S-Bahn installieren, fällt die Regionalbahn 38weg. Der Engpass auf der Hohenzollernbrücke betrifft ja nur die Gleise für den Regionalverkehr und die Fernzüge. Wir entlasten also die Brücke, weil die S-Bahn auf der Paralleltrasse fährt. Das löst viele Probleme. Dort könnten wir doppelt so viele Züge fahren.

Was ist mit dem Fernverkehr?

Das ist ein großes Thema. In der Studie zum Bahnknoten Köln ist einer der zentralen Punkte, einen Kölner Hauptbahnhof mit zwei Terminals Dom und Köln-Messe/Deutz zu planen. Schon heute könnte man mindestens eine ICE-Linie aus dem Hauptbahnhof herausnehmen und sie nur noch über Köln-Messe/Deutz führen. Aber leider gibt es dazu seit fünf Jahren keinerlei Gespräche zwischen dem Fernverkehr, der DB Netz AG und uns, die wir für den Regionalverkehr verantwortlich sind. Das ergibt doch keinen Sinn. Jeder Zug, der nicht über die Brücke fahren muss, schafft Platz für andere Verbindungen, die schon jetzt nicht mehr angeboten werden können, weil alles voll ist.

Kann der Bahnhof Köln-Messe/Deutz denn noch mehr Verkehr verkraften?

Im Prinzip schon. Wir müssen nur zwei Probleme lösen. Alle Bahnsteige müssen barrierefrei zu erreichen sein. Das ist noch nicht der Fall. Und auf der unteren Ebene, die wir Deutz-Tief nennen, brauchen wir einen zusätzlichen Bahnsteig mit zwei weiteren Gleisen für den Fernverkehr. Die Flächen stehen zur Verfügung. Jetzt muss endlich mit der Planung begonnen werden.

Wie realistisch ist das?

Dass die DB Netz AG jetzt eine Überlastungsanzeige beim Eisenbahnbundesamt und der Bundesnetzagentur für den Abschnitt zwischen dem Hauptbahnhof und Mülheim abgeben musste, nehmen wir zum Anlass, noch einmal Druck zu machen. Der NRW-Chef der DB Regio wird alle Beteiligten zu einem Gespräch einladen. Das muss endlich vorangehen.

Ein Terminal am Dom ohne Fernverkehr ist doch gar nicht möglich, oder?

Natürlich nicht. Ein Großteil des Fernverkehrs wird weiter durch den Hauptbahnhof fahren. Der gesamte Verkehr über Aachen nach Paris und Brüssel zum Beispiel. Und auch alle ICE, die vor allem nachts in der neuen Abstellanlage der Bahn in Köln-Nippes gewartet werden sollen. Darüber müssen sich die Fernverkehrsexperten mal Gedanken machen und die Fahrpläne anpassen. So etwas braucht einen Vorlauf von mindestens zwei Jahren. Damit hätte man aber auch schon vor fünf Jahren beginnen können.

Vorausgesetzt, das alles klappt. Muss die Hohenzollernbrücke dann nicht mehr erweitert werden?

Das ist zumindest unser derzeitiger Kenntnisstand. Wenn wir den S-Bahn-Ausbau haben, kommen wir mittelfristig mit sechs Gleisen auf der Brücke aus. Wie sich der Verkehr langfristig entwickeln wird, was da möglicherweise in den nächsten Jahren noch alles auf Köln zurollt, kann heute keiner abschätzen. Langfristig könnte es durchaus sein, dass wir zwei weitere Gleise für die Hohenzollernbrücke brauchen.

KStA abonnieren