Ministerpräsident Laschet im Interview„Das AKW Tihange ist eine Gefahr für NRW“

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Köln – Herr Laschet, ist die Bundeskanzlerin nach dem Jamaika-Aus angeschlagen?

Ich bin zwar kein ganz neutraler Beobachter, aber mein Eindruck ist: Angela Merkel ist nach dem Jamaika-Aus stärker als sie es je war. Partei und Fraktion haben Frau Merkel für die Moderation der schwierigen Jamaika-Gespräche gedankt. Es war ja nicht Frau Merkel, die vom Verhandlungstisch aufgestanden ist. Wir gehen nun optimistisch in die Gespräche mit der SPD.

Sie kennen SPD-Chef Martin Schulz sehr gut. Ist das ein Vorteil?

Alles zum Thema Angela Merkel

Die Akteure in den Spitzen von Union und SPD kennen sich. Wir haben ja in der großen Koalition bereits zusammengearbeitet und große Krisen wie die Weltfinanzkrise und die Eurokrise gemeinsam gemeistert. Ich schätze das europäische Engagement von Martin Schulz sehr.

NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU) eklärt, Kanzlerin Merkel sei stärker als zuvor. Er lehnt eine Minderheitsregierung ab.

NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU) eklärt, Kanzlerin Merkel sei stärker als zuvor. Er lehnt eine Minderheitsregierung ab.

Welchen Einfluss können Sie auf die Gespräche mit der SPD nehmen?

Ich werde natürlich das ganze Gewicht Nordrhein-Westfalens in die Waagschale werfen. Aus meiner Sicht sind Energie, Verkehr und Wirtschaft die wichtigsten Themen.

Die Regierungsbildung zieht sich hin. Wäre es sinnvoll die Legislaturperiode im Bund auf fünf Jahre zu verlängern?

Das ist eine Entscheidung, die auf Bundesebene gefällt werden muss. Aus Nordrhein-Westfalen kann ich berichten, dass wir mit der fünfjährigen Wahlperiode gute Erfahrungen haben. Wenn man die Legislaturperiode im Bund auf fünf Jahre verlängern würde, könnte man auch über die Größe des Bundestags nachdenken, der zu groß ist.

Die Debatte über die Nachfolge von Angela Merkel wird sich irgendwann stellen. Ist der Ministerpräsident von NRW dabei nicht in der Rolle des Kronprinzen?

Kronprinzen gibt es nur in Monarchien. Die Frage steht nicht an. Wir bilden gerade eine neue Regierung – mit Angela Merkel an der Spitze.

Sind die Deutschen wegen der schwierigen Regierungsbildung zu unentspannt?

Ich finde nicht. Für die NRW-Wirtschaft steht auf EU-Ebene in den nächsten zehn Monaten, vor dem Brexit, extrem viel auf dem Spiel. Da muss Deutschland mit einer stabilen Regierung voll handlungsfähig sein. Im Fall einer Minderheitsregierung müsste um jede Mehrheit gefeilscht werden. Das würde Deutschland, gerade in Europa, schwächen.

Hätte die Minderheitsregierung keinen Vorteil?

CDU und CSU würden alle Minister stellen. Ansonsten: nein.

In den ersten sechs Regierungsmonaten standen sie vor allem wegen Ihrer Personalentscheidungen in der Kritik. Sind Sie mit einer Pannenserie gestartet?

Jede Personalie in meinem Kabinett war eine bewusste Entscheidung, die ich wieder so treffen würde. Ich finde es zum Beispiel gut, wenn eine Umweltministerin wie Christina Schulze-Föcking als gelernte Landwirtin etwas von ihrem Fach versteht. Das neue Kabinett hat in den ersten sechs Monaten schon viele gute Dinge für unser Land auf den Weg gebracht. Und das Personen wie Friedrich Merz und Wolfgang Bosbach der Regierung zur Seite stehen ist ein Gewinn für Nordrhein-Westfalen.

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Ist ein „Ruck“ durch Land gegangen, seit dem Schwarz-Gelb in NRW regiert?

Uns erreichen viele positive Signale aus der Wirtschaft. Auch bei den Hochschulen und in der Kulturszene ist die Stimmung gut. Wir verbessern die Lage für die Kitas mit 500 Millionen Euro, stellen zudem so viele Polizisten neu ein wie nie zuvor und schaffen trotzdem einen Haushalt ohne neue Schulden. All das stärkt Nordrhein-Westfalen und hilft den Menschen im Alltag.

Wie geht es mit dem umstrittenen belgischen Atomkraftwerk Tihange weiter?

Der Pannenreaktor Tihange ist eine Gefahr für das gesamte Rheinland. Die neue Bundesregierung muss sich für eine Abschaltung stärker engagieren als bisher. Wir aus Nordrhein-Westfalen wollen neue Leitungen legen, um den Belgiern so viel Strom aus NRW zu liefern, damit Tihange überflüssig wird. Wir müssten etwa drei Gigawatt liefern, dazu brauchen wir übrigens die Braunkohle. Die Gefahr, die von dem maroden AKW ausgeht, ist deutlich höher als die Risiken durch die Kohle-Emissionen.

Ministerpräsident Armin Laschet (li) beim Besuch im Newsroom des Kölner Stadt-Anzeiger/Express: Luisa Menzel (Online). Thomas Kemmerer, Digital-Chef, Carsten Fiedler, KSTA-Chefredakteur (rechts).

Ministerpräsident Armin Laschet (li) beim Besuch im Newsroom des Kölner Stadt-Anzeiger/Express: Luisa Menzel (Online). Thomas Kemmerer, Digital-Chef, Carsten Fiedler, KSTA-Chefredakteur (rechts).

Wie gehen Sie da vor?

Ich bin bereits mit Belgien im Gespräch und will dies fortsetzen. Meine erste Priorität ist die Abschaltung von Tihange und nicht ein schneller, unbedachter sowie unvorbereiteter Braunkohleausstieg.

In Deutschland drohen möglicherweise bald Diesel-Fahrverbote – wäre die Einführung der blauen Plakette eine Lösung?

Im Gegenteil – das ist ja wie ein Schrei nach einem Fahrverbot für alle Fahrzeuge, die die blaue Plakette nicht bekommen würden. Es wäre doch völlig irrational, Handwerker und Lieferanten aus den Städten zu verbannen. Gerade Familien mit einem kleinen Einkommen wäre doch betroffen, weil sie nicht mal eben ein neues Familienauto kaufen können. Wenn der Diesel verboten wird, werden die Benziner wieder für CO2 -Probleme sorgen. Man kann das Problem nicht eindimensional darauf konzentrieren, immer nur einen Schadstoff zu bekämpfen.

War 2017 das Jahr des Armin Laschet?

Es war ein turbulentes Jahr mit einem Auf und Ab. Zu Beginn des Jahres gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen, dann waren wir angeblich abgeschlagen, dann lagen wir plötzlich vorne. Dass ich mit meinen Ideen und Gedanken am Ende überzeugen konnte, ist eine schöne Jahresbilanz.

Sie haben mal Laientheater gespielt…

Ja, meine Schwiegermutter hat die Gruppe geleitet, meine Frau war auch mit dabei. Die Erfahrung auf der Bühne war sehr lehrreich. Man lernte, mit Lampenfieber umzugehen und hat danach kein Problem damit, mal vor 1000 Menschen aufzutreten. Ich habe im Ehrenamt oft mehr für das Leben gelernt als an Schule und Hochschule.

Das Gespräch führten Peter Berger, Evelyn Binder, Carsten Fiedler, Thomas Kemmerer und Gerhard Voogt

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