ÖPNVVRS will Sozialticket weiterführen – Debatte um „Ticketstudenten“

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Gedränge in der Kölner U-Bahn: Die Sozialtickets werden im April 2018 deutlich teurer, das Land kürzt die Zuschüsse.

Gedränge in der Kölner U-Bahn: Die Sozialtickets werden im April 2018 deutlich teurer, das Land kürzt die Zuschüsse.

Köln/Düsseldorf – Der Unternehmensbeirat des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS) hat prompt reagiert. Wenn NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) bei seinen Plänen bleibt und dem Sozialticket den Geldhahn bis 2020 zudreht, wird das nicht ohne Folgen bleiben. Der VRS hat am Donnerstag eine Preiserhöhung für den Mobil-Pass zum 1. April 2018 um 3,6 Prozent angekündigt, weil Wüst schon im kommenden Jahr den Zuschuss um fünf auf dann 35 Millionen Euro kürzen will. Nach letzten Schätzungen nutzen mehr als 300 000 Menschen in NRW das vergünstigte Ticket, rund zwei Millionen haben aber Anspruch.

Wüst: Lieber neue Straßen

Wüst erklärte, er setze die seit Jahren bestehende Position von CDU und FDP um, das Sozialticket auslaufen zu lassen, um das Geld in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Und CDU-Verkehrsexperte Klaus Voussem ergänzte: „Es steht den Verkehrsverbünden frei, das Sozialticket weiterzuführen.“ Dagegen will die FDP „eine bessere Lösung erarbeiten“.

Die Grünen verlangten in einem Eilantrag an den Landtag, die Finanzierung des bezuschussten Tickets für Bedürftige weiter sicherzustellen. „Die Abschaffung des Sozialtickets ist ein Armutszeugnis – auch angesichts sprudelnder Steuereinnahmen“, geißelte der grüne Fraktionsvorsitzende Arndt Klocke eine „Politik aus der sozialen Kühltruhe“. Es sei zynisch, dass CDU und FDP das Geld in den Straßenbau umleiten wollen. Die Linke mahnte, so werde Menschen mit wenig Geld das Recht auf Mobilität genommen.

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Als „unsozial und unchristlich“ rügte SPD-Landeschef Michael Groschek die Kürzung: „Die Abschaffung des Sozialtickets für Busse und Bahnen geschieht auf dem Rücken derjenigen, die tagtäglich genug zu kämpfen haben.“ An Geld mangele es aber nicht, verwies er auf neue Stellen für Ministerien. Besorgt warnte des Landesgeschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, Jürgen Otto, so würden arme Menschen aus der Öffentlichkeit verdrängt und ihre Teilhabe weiter beschnitten.

Studenten-Statistik bereinigen

Während Verkehrsminister Wüst beim Sozialticket in die Offensive geht, muss Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) beim Semesterticket für Studenten einen Rückzieher machen. Aus ihrem Plan, die Studenten-Statistik in NRW um diejenigen zu bereinigen, die sich an den Hochschulen nur einschreiben, um mit dem preiswerten Semesterticket durch NRW fahren zu können, wird nichts. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Matthi Bolte-Richter hervor.

Poensgens Idee, diese sogenannten Ticket-Studenten aus den insgesamt 740 000 Studenten in NRW herauszufiltern, lässt sich nicht umsetzen. Daher wird es bei ihrer Vermutung bleiben, dass es Studenten gibt, die ihren Semesterbeitrag zahlen, sich dann in Fächer ohne Zulassungsbeschränkung einschreiben, bloß um das subventionierte ÖPNV-Ticket für ganz NRW zu bekommen. Die Ministerin ließ auf die Anfrage der Grünen mitteilen, „die Landesregierung plant derzeit keine Maßnahmen in Sachen Ticketstudierende“.

Keine seriöse Schätzung möglich

Diese überraschende Antwort erhielt der Landtagsabgeordnete Matthi Bolte-Richter auf seine Bitte nach konkreten Zahlen. Der Grünen-Politiker hatte gefragt, wie viele Ticketstudenten denn an NRW-Hochschulen eingeschrieben seien. Falls die Ministerin nicht über genaue Zahlen verfüge, möge sie doch einen Schätzwert angeben. „Die Zahl sogenannter Ticket-Studierender lässt sich aus der amtlichen Hochschulstatistik nicht entnehmen“, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. Sie könne seriös auch nicht geschätzt werden.

„Es ist schön, dass die Ministerin auf Taschenspielertricks verzichtet, um die Betreuungs-Statistik zu frisieren. Noch schöner wäre es allerdings, wenn sie Studienbedingungen beispielsweise bei der Relation von Professoren zu Studierenden konkret verbessern würde“, sagte Bolte-Richter. „Frau Pfeiffer-Poensgen wäre gut beraten, sich als Wissenschaftsministerin den wirklich drängenden Problemen zu widmen.“

So bekommt man den Mobil-Pass

Den Mobil-Pass des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS) gibt es als Monatskarte oder Vierer-Ticket. Derzeit kostet er für Stadtgebiet von Köln in der Preisstufe 1 b monatlich 38,30 Euro (regulär 94,30 Euro) und als Viererkarte 6,30 Euro (regulär 11 Euro).

Das Angebot gilt für Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld (SGB II), von Leistungen für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Ebenfalls berechtigt sind Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder von Leistungen der Kriegsopferfürsorge. Den Mobilpass kann man beim Jobcenter, beim Sozialamt und beim Landschaftsverband Rheinland bekommen – und damit die Tickets kaufen.

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