„Ausgesprochen quadratisch“Der mangelhafte Mops und die Ebay-Anzeige

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Mops-Dame Edda leidet an einer chronischen Krankheit. Die Medizinkosten fordert die Halterin nun von der Stadt Ahlen.

  • Per Definition ist er „ausgesprochen quadratisch und gedrungen“. Es geht um den Mops.
  • Eine Frau klagt, weil die Stadt Ahlen ihr eben solch einen verkauft hat – allerdings gepfändet und krank.
  • 680 Euro kostete das Tier. Der Schaden, um den es nun vor Gericht geht, wird auf 15.000 Euro beziffert.

Münster – Am Mittwochmittag betraten im Landgericht Münster unter großer Aufmerksamkeit ein Richter und drei Anwälte zusammen einen Saal im Erdgeschoss, den größten des Hauses, holzvertäfelt und sehr sauber, um über die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche eines einst gepfändeten und dann weiterverkauften Gegenstands zu verhandeln. Auch die Klägerin war anwesend, die Polizistin Michaela Jordan aus Wülfrath, eine Frau mit kurzen Haaren und leiser Stimme, und zwei Beklagte: ein Vollstreckungsbeamter, der hier Marcel S. heißen soll, er ist ordentlich gegelt und muskulös und wird begleitet vom Leiter des Rechtsamts der Stadt Ahlen. Eine Stunde lang sagen sie aus und streiten, darum, ob diese Pfandsache, die Michaela Jordan der Stadt Ahlen abgekauft hatte, am 6. Dezember 2018, ob die nun also schon mangelhaft war, bevor sie die 690 Euro dafür bezahlte, oder ob der schlechte Zustand erst nach dem Geschäft eingetreten ist. Ob sie betrogen wurde von der Stadt und ob diese nun den Schaden von insgesamt 15.000 Euro ersetzen muss. Die Pfandsache, um die es hier geht, ist ein Mops.

Ein Mops ist, das erörterten die Rechtsvertreter nicht so genau, aber man kann es sich ja mal kurz vor Augen halten: ein Hund. Oder um es genau zu sagen, mit dem Standard Nummer 253 des FCI, dem größten Rassehunde-Dachverband: der Mops ist „ausgesprochen quadratisch und gedrungen, er ist »Multum in Parvo«“. Was so viel bedeutet wie: viel Masse in kleinem Raum. Seine Wesenszüge sind: viel Charme, Würde und Intelligenz, er ist ausgeglichen, fröhlich und lebhaft. Er hat keine Funktion, er soll nichts apportieren oder bewachen, er ist einfach süß und da, ein sogenannter Gesellschaftshund.

Gedrungen und quadratisch, mit glänzenden Augen

Der Mops, um den es hier im Konkreten geht, hieß einst Edda, Edda vom Cappenberger See um genau zu sein, denn Edda ist ein Rassemops, schwarz und mit glänzenden Kulleraugen, gedrungen und quadratisch auch. Einst gehörte Edda einer Familie aus Ahlen, die von Sozialhilfe lebt, sie kaufte ihn für 1200 Euro direkt aus der Zucht, auf Raten allerdings, denn sie hatte das Geld gerade nicht. Nun hatte sie aber auch anderes Geld gerade nicht, hatte Miese gemacht bei der Stadt. Am 26. November 2018 kamen zwei Vollstreckungsbeamte, darunter Marcel S., sie nahmen eine Kaffeemaschine mit und einen Laptop, sie sahen und fotografierten den Mops, dann gingen sie wieder.

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Die gepfändete Mops-Dame Edda in ihrem Körbchen bei der neuen Besitzerin (Archivfoto)

Kurz darauf tauchte eine Anzeige auf dem Portal eBay-Kleinanzeigen auf: „Süße Mopsdame mit Stammbaum zu verkaufen!“ stand da, 750 Euro Verhandlungsbasis. Eingestellt von einem Privatverkäufer, der außerdem noch Badelatschen anbot. Er schrieb dazu: der Hund sei geimpft und gechipt und nach Rücksprache mit dem Tierarzt kerngesund.

An diesem Mittwochmittag im Gericht sagt Marcel S., er habe den Mops ja nur über seinen Privataccount eingestellt, weil die Stadt Ahlen keinen eigenen habe. Normalerweise würden sie die gepfändeten Gegenstände auf einem anderen Portal verkaufen, dort dürfe man allerdings keine Tiere anbieten. Auf eBay-Kleinanzeigen bieten viele Menschen Tiere an.

Edda wurde in Wilma umgetauft

Um die Frage, ob es in Ordnung sei, ein Haustier zu pfänden und im Internet zu verkaufen, über die die Stadt Ahlen bereits ein 19-seitiges Gutachten hat anfertigen lassen, geht es dem Richter heute eher nicht, sagt er, auch wenn Michaela Jordan an einer Antwort interessiert wäre.

Eher gehe es darum, dass der Mops Edda, den Michaela Jordan der Stadt am 6. Dezember 2018 ohne ihn gesehen zu haben am Telefon abnahm, nachdem sie durchgestellt worden war, „zu dem Gerichtsvollzieher, der Möpse verkauft“, sich also sicher war, dass die Anzeige wirklich echt ist; den sie bei sich aufnahm und nun Wilma nannte, dass dieser Mops nach nur neun Tagen krank wurde. Er hatte Keratoconjunctivitis sicca, das Syndrom des trockenen Auges, auf beiden Seiten, einen chronischen Hornhautdefekt dazu, außerdem wuchsen ihm wimpernartige Haare in Richtung des Augapfels. Verwurmt war er auch noch. Wilma muss am Auge notoperiert und über Wochen immer wieder in einer Tierklinik behandelt werden. Das kostet viel Geld. 

Die Stadt Ahlen bestreitet, dass diese Krankheiten bei Übergabe des Tiers vorgelegen haben.

Im Kaufvertrag, den Marcel S. laut eigener Aussage aus einem Vorfomular aus dem Internet bastelte, weil sie bei der Stadt Ahlen eigentlich nur Quittungen schreiben, steht, dass der Hund entwurmt wurde. Dazu diese Anzeige, in der die Wörter „kerngesund“ und „Tierarzt“ auftauchen.

Marcel S. sagt, er habe die ehemaligen Besitzer ja gefragt, ob dem Hund etwas fehle, als er ihn zur tatsächlichen Pfändung abholte. Er habe auch die Tierärztin, die Edda früher behandelt hatte, gefragt, ob der Hund denn gesund sei. Allerdings ohne ihr den Hund zu zeigen. Oder Fotos. Sie schaute in die Akten und sagte: Mir ist keine Krankheit bekannt. Marcel S. sagt, Edda wurde auch wirklich vor dem Verkauf entwurmt. Von einer Amtskollegin.

Frau Jordan sagt: „Ich bin grundsätzlich davon ausgegangen, dass wenn ich bei der Stadt Ahlen einen Hund kaufe, die Angaben richtig sind.“

Betrug oder Fahrlässigkeit?

So geht es weiter, beide werden vernommen, es wird klar, dass Marcel S. Frau Jordan wohl nicht explizit auf einen Gewährleistungsausschluss nach Verwaltungsvollstreckungsgesetz hingewiesen hat, wie er es hätte müssen. Er hatte außerdem vor dem Verkauf Eddas Züchterin Fotos von dem Tier geschickt, sie schickte eine Vermutung zurück, dass etwas mit dem Auge nicht stimme.

Hat Marcel S. betrogen oder war er nur fahrlässig? „Das ist ein sehr scharfer Vorwurf. Ich sehe das kritisch, dass Herr S. hier vorsätzlich gehandelt hat“, sagt der Richter in einer ersten Einschätzung. Er will nun Sachverständige einschalten, bietet aber noch die Möglichkeit eines Vergleichs an. Frau Jordan könnte den Mops ja unter Umständen einfach zurückgeben. Ihr Anwalt lehnt ab. Der Mops bleibt bei ihr. Der Richter hatte sich das schon gedacht, sagt er, und zitiert Loriot: Frau Jordan, die noch drei andere Möpse hat, halte es ja wohl nach dem Motto „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“

Prozess wird im November Fortgesetzt

Nun hat Loriot auch geschrieben: „Möpse sind mit Hunden nicht zu vergleichen. Sie vereinigen die Vorzüge von Kindern, Katzen, Fröschen und Mäusen.“ Ob das nun nachträglich Auswirkungen auf den Gewährleistungsausschluss nach Verwaltungsvollstreckungsgesetz bei dem streitgeständlichen Mops haben könnte, fragt niemand. Der Prozess wird im Dezember fortgesetzt. Wilma, sagt Frau Jordan nach Prozessende, geht es übrigens mittlerweile wieder gut.  

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