„Jetzt rege ich mich auf“Angriffe auf Helfer sind der Gipfel der Verrohung

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Immer häufiger werden Rettungskräfte bei Einsätzen tätlich angegriffen, so wie jüngst im rechtsrheinischen Köln. Anderswo werden Rettungswege blockiert.

  • Jede Woche bewertet Frank Nägele in seiner Kolumne „Jetzt rege ich mich auf” die aktuelle Nachrichtenlage oder einfach nur das, was er täglich so erlebt.
  • Diesmal geht es um den traurigen Mega-Trend, Rettungskräfte und Beamte während ihrer Einsätze brutal zu attackieren. Allein im Bezirk Köln ist die Zahl der Angriffe zwischen 2012 und 2018 um 500 Prozent gestiegen.
  • 500 Prozent! Woher kommt diese krasse Verrohung? Die neue Asozialität könnten Wissenschaftler sicherlich komplex erklären. Nägeles Theorie ist dagegen ganz einfach.
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Es vergeht inzwischen keine Woche mehr, ohne dass uns Meldungen wie diese verstören: „Sanitäter flüchten – Kölner RTW-Besatzung wird bei Einsatz angegriffen“. Oder: „Frau bepöbelt Retter, die um ein Menschenleben kämpfen.“ Beides ist in den letzten Tagen im Rheinland passiert. Und es waren nur die krassesten Beispiele von Attacken auf Menschen, die anderen Menschen helfen wollten. Dass sie dabei eine Uniform trugen, ändert nichts an ihrem Einsatz, denn diesen Job muss erst einmal einer tun. Und in der Regel ist es jemand, der dafür nicht besonders viel Geld als Gegenleistung erhält. Diese Vorgänge machen mich wütend. Sie passen zu den Beobachtungen von zunehmender sozialer Verwahrlosung im öffentlichen Raum. 

Früher hat man sich nur über das Phänomen der Gaffer gewundert, die, wo immer ein spektakulärer Unfall passiert, die Fahrbahnen blockieren, um einen besseren Blick auf das im besten Fall spektakuläre Gemetzel zu bekommen. Dann wurde die Verweigerung der Rettungsgasse zum noch größeren Problem. Regelmäßig kommen Hilfskräfte nicht mehr rechtzeitig zu schwer Verletzten, weil Autofahrer keine Lust auf Ausweichbewegungen nach rechts oder links zu haben scheinen. 

Aber der Gipfel der Verrohung ist, wenn Helfer mitten im Bemühen, einem Menschen die Gesundheit oder das Leben zu retten, gestört oder gar körperlich angegriffen werden. Bei dem Vorfall in Köln-Kalk mussten die attackierten Sanitäter anschließend psychisch betreut werden. Die pöbelnde Frau in Düsseldorf ging mehrfach auf die Polizei los, während das Unfallopfer um sein Leben rang.

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Zwischen 2012 und 2018 haben Fälle dieser Art im Regierungsbezirk Köln um mehr als 500 Prozent zugenommen. Psychologen und Soziologen können die neue Asozialität mit wissenschaftlichen Begriffen bestimmt komplex erklären. Meine Theorie ist ganz einfach: In einer Welt, in der jede Ware, jede Dienstleistung und sozusagen jeder Zustand mit einem Klick erreichbar ist, nimmt die Zahl von Menschen rapide zu, die jede ihnen nicht wie gewünscht zur Verfügung stehende Instanz ablehnen. Versperren Polizei und Sanitäter den Weg, haben sie auf der Stelle zu verschwinden.

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Werden sie aber wegen Angstgefühlen oder persönlichen Nöten benötigt, sollen sie plötzlich geschlossen aufmarschieren, um das Problem zu beseitigen. Wenn sie das nicht wie gewünscht tun, geschieht das, was gestern in jenem Düsseldorfer Freibad passierte, das vergangene Woche wegen Übergriffen mit Beteiligung von Ausländern geschlossen wurde. Es erschien eine etwa 50 Mann starke Bürgerwehr und verlangte Einlass, um mal nach dem Rechten zu sehen. Dass die Polizei schon da war und keine Störung des Badebetriebes vorlag, wurde nicht akzeptiert. Es kam zu Tumulten. Erst ein massives Einschreiten der Beamten vertrieb die dem rechten Milieu nahestehende Gruppe.

Schwerer Mangel an Respekt

In all diesen Fällen liegt ein schwerer Mangel an Respekt für die Allgemeinheit und ihre Instanzen vor. Polizisten, Sanitäter, Wachkräfte werden ignoriert und schikaniert, Menschen verletzt und Verletzte um die bestmögliche Versorgung gebracht. Eine Gesellschaft, deren integrativen Kräfte immer mehr geschwächt werden, hat dem wenig entgegen zu setzen. Letzten Freitag haben Kölner allerdings vorgemacht, wie das prinzipiell doch geht. Einer von rechten Gruppen motivierten Demonstration im Zuge des Frankfurter Bahnsteigmordes an einem Kind haben sie am Kölner Hauptbahnhof eine Gegendemonstration mit noch mehr Teilnehmern gegenüber gestellt. Die falschen Stimmen blieben ungehört. Die Aufrührer trollten sich. Die Polizei vermerkte keine Ausschreitungen.

Es gibt also ein Mittel gegen die Dummen, Egoistischen und Radikalen. Einfach aufstehen, sie in die Unterzahl bringen, wo sie sind, denn sie sind nie in der Mehrheit. Es muss ihnen aber gezeigt werden. Das mögen sie nicht. 

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