„Welle der Hetze“„Letzte Generation“ äußert Kritik – Notärztin entlastet Aktivisten

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Unfall Berlin dpa 041122

Ein zerstörtes Fahrrad liegt auf der Bundesallee in Berlin-Wilmersdorf. 

Berlin – Nach dem Hirntod einer von einem Betonmischer überrollten Radfahrerin, deren Rettung laut Angaben der Berliner Feuerwehr durch Klimablockaden behindert wurde, hat die Aktivistengruppe „Letzte Generation“ ein Statement veröffentlicht. Die Klima-Aktivisten üben darin scharfe Kritik an den Medien und kündigen weitere Proteste an. Ein interner Vermerk der Berliner Feuerwehr deutet unterdessen darauf hin, dass der Protest keinen Einfluss auf die Versorgung der Radfahrerin gehabt hatte. 

„Dass ein ganzes Mediensystem sich gegen uns wenden würde, damit haben wir nicht gerechnet“, erklärten die Aktivisten. In ihrem Statement beklagt die Gruppe eine „Welle der Vorwürfe, Unwahrheiten und Hetze“ gegen sich und wirft der „Medienlandschaft“ vor, dass sie die Umstände des Unfalls der Radfahrerin „in dieser Form fiktiv aufbauscht und damit demokratischen Protest in einer Krisensituation delegitimiert“.

„Letzte Generation“ kritisiert „private Medien“, die „zu Gewalt gegen uns aufrufen“

„Vorher wurde uns neutrale, faktenbasierte Berichterstattung als journalistisches Grundprinzip verkauft. Heute lesen, sehen und hören wir in kaum einem einzigen Medium Berichterstattung nach diesem Prinzip“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Die „Letzte Generation“ kritisierte zudem, „private Medien“, die „zu Gewalt gegen uns aufrufen“ und „Beleidigungen“ durch „Journalist:innen von öffentlich-rechtlichen Medien“ am Telefon.

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Zum Unfall heißt es: „Damit wir uns nicht falsch verstehen: Dass die Radfahrerin im Straßenverkehr verunglückt ist, ist furchtbar. Wir sind bestürzt und in Trauer“. Es sei jedoch „an der Zeit, eine Grenze zu ziehen“, ergänzt die Gruppe mit Blick auf die Berichterstattung über sie.

„Letzte Generation“ äußert sich zu Unfall von Radfahrerin in Berlin

„Die mediale Öffentlichkeit instrumentalisiert den Unfall der Radfahrerin. Das können wir nicht fassen.“ Es sei damit ein Aufhänger gefunden worden, um „unseren friedlichen Prostest durch den Dreck zu ziehen“. Auch die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer von der Gruppe „Fridays von Future“ kritisierte am Freitag eine „Instrumentalisierung“ des Falls.

Zum Geschehen am Montag äußerte sich die Gruppe ebenfalls. Die Berliner Polizei habe den Verkehr auf „eine Fahrspur reduziert“, erklärten die Klima-Aktivisten. „Wir hatten die Polizei vor Betreten der Schilderbrücke informiert und um eine Umleitung von Einsatzfahrzeugen und das komplette Sperren der A100 für den Autoverkehr gebeten. Wir haben in all unseren Protesten immer eine Rettungsgasse“.

„Letzte Generation“ will Proteste fortsetzen: „Bis dahin geht der Widerstand weiter“

Trotz des Wirbels rund um den Unfall in Berlin will die Gruppe ihren Protest offenbar fortsetzen. Von „öffentlicher Hetze“ wolle man nicht davon abbringen lassen, „das einzig moralisch Richtige zu tun: In einer alles entscheidenden Krise nicht zu verharren, sondern loszugehen.“

Letzte Generation Logo imago 041122

Ein Banner mit dem Logo der Klima-Aktivisten von „Letzte Generation“ (Archivbild)

Ob die Gruppe auch weiterhin Straßenblockaden plant, geht aus der Erklärung nicht hervor. „Die Bundesregierung soll unseren Protest beenden – jetzt –, indem sie die Krise in den Griff bekommt“, fordern die Aktivisten. „Bis dahin geht der Widerstand weiter.“

Journalistenverband weist Kritik von „Letzte Generation“ zurück

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) wies die Kritik der Aktivisten am Freitag umgehend zurück. „Ich sehe keine Hetze in der Berichterstattung“, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. „Die Letzte Generation muss sich gefallen lassen, dass über den Unfall in den Medien berichtet wird.“

Die Medien hätten die Aufgabe, „angemessen zu berichten“, sagte Zörner. Dass es jetzt eine „kritische Kommentierung“ der Proteste sowohl in den klassischen als auch sozialen Medien gebe, könne nicht verwundern. Der Unfall sei ein „Ereignis, das polarisiert“.

Vermerk der Berliner Feuerwehr: Einsatz des Spezialfahrzeugs medizinisch nicht notwendig

Laut Einschätzung der behandelnden Notärztin beeinträchtige der Stau, der durch die Protestaktion ausgelöst wurde, die Rettung der verunglückten Radfahrerin unterdessen nicht, das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ am Freitag unter Berufung auf einen internen Vermerk der Berliner Feuerwehr.

„Ein Anheben wurde kurz erwogen, hätte aber wohl länger gedauert, wie auch die medizinische Situation verschlechtert“, heißt es dort zur Entscheidung der behandelnden Notärztin vor Ort, auf den sogenannten „Rüstwagen“ zu verzichten.

Der Einsatz des Spezialfahrzeugs, in den Stau geleitet wurde und dort feststeckte, sei demnach medizinisch nicht angezeigt gewesen. Warum die Berliner Feuerwehr die Sachlage am Montag zunächst anders darstellte, geht aus dem Bericht derweil nicht hervor.

Berliner Notfallsanitäter kritisiert Berichterstattung auf Twitter

Zuvor hatte sich bereits ein Berliner Notfallsanitäter auf Twitter zu Wort gemeldet und die Berichterstattung und die politischen Reaktionen auf den Fall kritisiert. Die Berliner Rettungskräfte stünden „tagtäglich im Stau“, Gründe dafür seien vor allem Falschparker und fehlende Rettungsgassen. 

Ziel der „Letzten Generation“ ist es, von der Bundesregierung Maßnahmen gegen die Klimakrise zu erzwingen. Mit ihren Protestformen sorgen die Aktivisten immer wieder für Diskussionen. Neben Protestaktionen durch das Festkleben auf Fahrbahnen setzten die Aktivisten zuletzt auch auf Attacken gegen Kunstwerke, um Aufmerksamkeit für ihre Sache zu gewinnen.

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