Abo

125 Jahre JukeboxDie Fünf-Cent-Revolution

Lesezeit 3 Minuten
Mittlerweile ein Fall fürs Museum: Eine Jukebox mit der Aufschrift „The real Wurlitzer“

Mittlerweile ein Fall fürs Museum: Eine Jukebox mit der Aufschrift „The real Wurlitzer“

San Francisco – Stumm standen die Menschen da, dicht gedrängt, mit den Kopfhörern in den Ohren. Die Rede ist nicht von einer U-Bahn in diesen Tagen, sondern einer Vorführung am 23. November 1889. Was da aus den stethoskopähnlichen Kopfhörern kam, war tatsächlich Musik. Rauschend, krächzend, kurz, aber Musik! Es war eine Revolution für fünf Cent, aus der ein Milliardengeschäft und ein Stück Kultur wurde: Vor 125 Jahren wurde die Musikbox im Palais Royale Saloon, einer Kneipe in San Francisco, vorgestellt.

Musik aus der Konserve gab es zuvor nur vom automatischen Klavier, in dem eine Walze immer das gleiche Musikstück abspielte. Gleich mehrere Erfinder entwickelten in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts Möglichkeiten, Musik haltbar zu machen. Thomas Edison war mit seinem Phonographen besonders erfolgreich. Einer seiner Angestellten, Louis T. Glass, kam auf die Idee, den Phonographen in eine Kiste zu packen und zehn Kopfhörer anzuschließen. Jetzt konnten mehrere Menschen gleichzeitig die leise Musik mit dem lauten Knistern hören – wenn sie denn dafür zahlten. Fünf Cent kostete der kurze Genuss, nach heutigem Geldwert etwa ein Euro. Weil das Fünf-Cent-Stück in den USA Nickel heißt, nannte man die Kästen „Nickel-in-den-Schlitz-Spieler“. Nicht ganz überraschend haben sich griffigere Namen durchgesetzt, in Deutschland Musikbox. In Amerika bedeutet das allerdings „Spieldose“ – die große Kiste mit den Schallplatten nennt man in den USA Jukebox. Vermutlich kommt der Begriff aus dem Slang der Farbigen und bedeutet „verrucht“, weil die Geräte nicht immer in den besten Lokalen standen.

Bald wurde aus der Walze eine Platte und aus der Platte wurden Platten. Man konnte selbst wählen, was man hörte. Und der elektrische Verstärker war in den Zwanzigern dann die Revolution – je lauter, desto besser. Mitte des letzten Jahrhunderts war die Jukebox so populär, dass in den USA drei Viertel aller gepressten Single-Schallplatten in solch einem Gerät landeten, nur ein Viertel wurde für den Plattenspieler zu Hause gekauft. Dabei war es oft Klassik und Jazz, Rock 'n' Roll kam erst später.

Alles zum Thema Musik

Auch dank Rudolph Wurlitzer. Der Sachse, der 1853 in Ohio einen Instrumentenhandel gründete, machte seinen Namen zur Marke für Musikboxen. Der „Bubbler“, in dem Luftblasen aufstiegen, wurde zum Symbol für die 1950er Jahre. In nicht einmal zwei Jahren verkauften sich 56 000 Stück.

Tausende Euro wert

„Musikboxen waren die erste Gelegenheit, aktuelle Stücke zu hören, ohne sich gleich die Platte kaufen zu müssen. Und es kam das soziale Erleben der Musik dazu“, sagt Hildegard Stamann, die zusammen mit ihrem Mann Ersatzteile und manchmal auch Jukeboxen selbst verkauft. „Die amerikanischen Soldaten hatten diese Kultur nach dem Krieg in die Welt exportiert. Die Musikbox wurde ein Stück Alltagskultur: Man traf sich, wo die Musik war.“

Heute müssen Sammler Tausende Euro für eine gut erhaltene Jukebox zahlen, Ausnahmen bringen es auf mehr als 100 000 Euro. Die Musikboxkultur ist aber nur ein Schatten ihrer selbst – alle Wiederbelebungsversuche mit CD- oder gar MP3-Bestückung scheiterten. (dpa)

KStA abonnieren