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Fast Fashion in NRWKaritative Organisationen wegen Billigkleidung überfordert

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Altkleiderflut Bucco 1

Altkleiderflut bei der Textilverwertungsfirma Hamacher & Zimmermann GmbH

  • Im vergangenen Jahr haben die Deutschen schätzungsweise eine Million Tonnen gebrauchte Kleidung an Kleidersammler abgegeben.
  • Viele Altkleidercontainer sind überfüllt. Unternehmen mussten aufgrund der enormen Mengen und des schleppenden Absatzes externe Lagerhallen anmieten.
  • Dabei ist nur die Hälfte der Altkleider wiederverwendbar. Ein Grund: minderwertige Kleidung, die kaum weiterverwertet werden kann. Diese muss dann teils kostenpflichtig entsorgt werden. Betroffen sind auch die Malteser in Köln.

Köln – Drei Säcke mit Anziehsachen, die vor der Tür eines gelben Altkleidercontainers liegen, räumt Paul Schmitz zur Seite. Erst jetzt lässt sich der Behälter öffnen. Als er einen Riegel umlegt und die Tür aufschwingt, wird klar, warum die Säcke vor und nicht im Container liegen. Für sie war kein Platz mehr. Die eng zusammengepressten Altkleiderpacken stapeln sich bis zur Decke des Containers.

Zwischen ihnen stecken „Fremd- und Störstoffe“, wie Textilverwerter sie nennen. Ein abgenutztes Hundekissen, eine Tüte mit Plastikmüll, ein Teppich. „Wir finden häufig auch kleine Elektrogeräte, Auflagen für Gartenstühle oder Restmüll. Es ist so ziemlich alles, was vorstellbar ist, mit dabei“, meint Schmitz. Er ist Geschäftsführer der Hamacher & Zimmermann GmbH aus Jüchen. Das Unternehmen leert im Auftrag verschiedener karitativer Organisationen Altkleidercontainer in NRW und trennt die tatsächlichen Kleiderspenden vom Müll.

Eine Million Tonnen gebrauchte Kleidung an Kleidersammler

Dass die Menge an Textilien, die ihren Weg in den Altkleidercontainer finden, seit Jahren stark ansteigt, klingt zunächst nach einer erfreulichen Nachricht für Altkleidersammler. Eine Million Tonnen gebrauchter Kleidung gaben die Deutschen schätzungsweise vergangenes Jahr an Kleidersammler.

Seit Mitte der neunziger Jahre ist diese Menge um mehr als 20 Prozent gestiegen. Das schlägt sich auch in den Städten NRWs nieder. Der städtische Entsorger Awista etwa sammelte in Düsseldorf 2013  circa 2000 Tonnen Altkleider ein. 2018 waren es über 3200 Tonnen. Ähnlich Entwicklungen gibt es in Köln, Bonn oder Bergisch-Gladbach. Im Rhein-Sieg Kreis verdreifachte sich die Menge der durch den kommunalen Anbieter RSAG abgeholten Altkleider in den vergangenen fünf Jahren sogar beinahe. Waren es 2013 noch knapp 200 Tonnen, sammelte der Entsorger 2018 über 550 Tonnen Altkleider ein.

Unternehmen müssen externe Lagerhallen anmieten

Auch die Lagerhalle in Jüchen ist gut gefüllt. Etwa fünfzehn Tonnen Altkleider kommen hier jeden Tag an. „Ich will gar nicht wissen, wie viele mit Altkleidern gefüllte LKW-Wechselbehälter aktuell bei deutschen Textilrecyclingunternehmen herumstehen, weil die Lager aus allen Nähten platzen“, sagt Paul Schmitz. Viele Unternehmen müssten aufgrund der enormen Mengen und des schleppenden Absatzes externe Lagerhallen anmieten.

Der Grund ist simpel: Wer beim Shoppen die einschlägigen Läden besucht, muss nicht mehr als fünf Euro für ein T-Shirt zahlen. Früher präsentierten die Hersteller jährlich zwei neue Kollektionen, im Frühling und im Herbst. Heute bringen einige Produzenten alle zwei Wochen neue Produkte auf den Markt.

Fast Fashion: Mehr Quantität, weniger Qualität

Fast Fashion heißt dieses Geschäftsmodell. Mehr Kleidungsstücke werden gekauft, mehr Kleidungsstücke gehen kaputt und das, wegen der schlechteren Qualität, immer schneller. Im Zweifelsfall landet die Billigmode nach wenigen Wochen Tragedauer im Altkleidercontainer. Dort wird sie jedoch immer mehr zum Problem.

„Minderwertige Kleidung belastet die Sammler enorm, weil sie kaum weiterverwertet werden kann und teils kostenpflichtig entsorgt werden muss. Das senkt die Erlöse und stellt die Kostendeckung infrage“, sagt Thomas Ahlmann vom bundesweiten Dachverband für gemeinnützige Altkleidersammler „Fairwertung“.

Nur die Hälfte der Altkleider ist wiederverwendbar

Nur etwa die Hälfte der Altkleider ist nach Hochrechnungen von „Fairwertung“ als Second-Hand-Kleidung wiederverwendbar. Aber der Anteil sinke immer mehr. Und mit ihm der Marktpreis. Der lag 2013 noch durchschnittlich bei 425 Euro pro Tonne Altkleider. Mittlerweile liegt er bei 240 Euro.

Von der Altkleiderflut sind zum Beispiel die Malteser in Köln betroffen. Sie arbeiten, wie viele andere gemeinnützige Altkleidersammler, zusätzlich zu den eigenen Kleiderkammern mit gewerblichen Textilrecyclingunternehmen zusammen. Diese leeren die Container, sortieren die Kleidung und verkaufen sie dann entweder als Second-Hand-Ware oder stellen aus den Textilien Putzlappen und Vliesmatten her.

Altkleiderspenden werden nach Afrika, Osteuropa und in Mittleren Osten verkauft

Da es zu viele Altkleiderspenden für Bedürftige in Deutschland gibt, verkaufen die Verwerter etwa 40 Prozent der Kleidungsstücke aus den Altkleidercontainern nach Afrika, Osteuropa und in den Mittleren Osten. Die gemeinnützigen Besitzer der Container erhalten dafür die Erlöse, die nach Abzug der Kosten und der Einbehaltung eines „angemessenen“ Gewinns für die Verwerter übrig bleiben.

Dieser liegt  bei etwa fünf Prozent. „Die Einnahmen aus der Altkleidersammlung stecken wir in soziale Projekte, wie zum Beispiel unsere Jugendarbeit“, berichtet Achim Schmitz, stellvertretender Diözesangeschäftsführer der Kölner Malteser. Er ist für die Altkleidersammlung der Malteser im Großraum Köln zuständig.  Wenn die Erlöse weiter sinken, müssten einige Projekte womöglich  eingestellt werden, sagt Schmitz. 

Billige Mischstoffe sind problematisch

Problematisch für Textilverwerter sind billige Mischstoffe, die häufig zur Herstellung der Fast Fashion verwendet werden. „Je mehr verschiedene Stoffe in einem Kleidungsstück verarbeitet sind, desto schwieriger ist das Recycling“, erklärt Thomas Fischer vom Fachverband Textilrecycling. Viele Modelle aus synthetischen Stoffen besäßen zudem nicht genügend Saugkraft, um zu Putzlappen verarbeitet zu werden.

Ein weiteres Problem: Auch Kleidungsstücke in bester Verfassung können nicht immer verkauft werden. „Für ein gut erhaltenes rosa Top zum Beispiel gibt es kein Geld, weil es dafür derzeit einfach keinen Markt gibt“, erklärt Fischer.

Verbindliche Quote für Textilhersteller gefordert

Genau das mache es für technische Lösungsansätze schwierig, meint Unternehmer Paul Schmitz. „Die Sortierung muss händisch geschehen. Eine Maschine kann nicht erkennen, ob ein Kleidungsstück modisch und damit für bestimmte Märkte geeignet ist oder nicht.“ Zwar forsche die Branche  an Maschinen, die auch billige Mischstoffe besser recyceln können. Dass das kosteneffizient möglich sei, bezweifelt Schmitz aber. Und: Für die recycelten Stoffe müsse auch die nötige Nachfrage bestehen.

Deswegen fordert er eine verbindliche Quote für Textilhersteller zur Verwendung von recycelten Stoffen. „Nicht nur wir, auch die Textilbranche muss sich endlich darüber Gedanken machen, was mit ihren Produkten am Ende der Lebensspanne passiert“, so Schmitz. „Fairwertung“ schlägt bei einer Fortsetzung des Trends vor, einen gelben Punkt ähnlich wie bei Joghurtbechern einzuführen, sodass Verbraucher schon beim Kauf der Kleidung für das Recycling mitbezahlen.

Dem nordrhein-westfälischen Umweltministerium sind die Probleme der Branche bekannt. Die getrennte Sammlung und Entsorgung durch einen gelben Punkt sei jedoch aufwendig und nicht ohne weiteres auf andere Stoffströme übertragbar, heißt es auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wenn die Verbraucher wieder mehr Wert auf Qualität und Langlebigkeit der Produkte legen, hat dies auch positive Auswirkungen auf den Altkleidermarkt“, so ein Sprecher des Ministeriums.

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