Attacke auf Innogy-ManagerRichter drängt Angeklagten in Säure-Prozess zu Geständnis

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Bernhard Günther (l.) ehemaliger Innogy-Manager, beim Prozessauftakt in Wuppertal.

Wuppertal – Der Wuppertaler Prozess um den Säureanschlag auf den Energiemanager Bernhard Günther hat mit Appellen für ein Geständnis des Angeklagten begonnen. Der Vorsitzende Richter Holger Jung sagte am Freitag am Landgericht, die Aktenlage spreche „mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen Schuldspruch“.

Es gebe fünf tatrelevante DNA-Treffer in einem am Tatort sichergestellten Handschuh. Zudem habe der 42 Jahre alte Angeklagte eine Verletzung, die von der Tat stammen könnte. Er empfehle dem Angeklagten dringend, sein Schweigen zum Tatvorwurf zu überdenken. Ein Geständnis könne ihm „einige Jahre“ Haft ersparen.

Bernhard Günther im März 2018 vor Haustür mit Säure angegriffen

Günthers Nebenklageanwalt Martin Meinberg appellierte ebenfalls an den Angeklagten. Wenn der Angeklagte „Ross und Reiter“ nenne, „würden wir das würdigen. Es wäre ein Stück moralische und persönliche Wiedergutmachung.“ Günther, damals Finanzvorstand der RWE-Tochter Innogy, wurde am Sonntagmorgen des 4. März 2018 von zwei maskierten Gestalten ungefähr 200 Meter vor seiner Haustür in einer Grünanlage abgepasst und von hinten angegriffen.

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Ex-Manager Bernhard Günther gibt ein Statement ab. Im März 2018 wurde er von Unbekannten mit Säure angegriffen.

Sie schütteten ihm hochkonzentrierte Schwefelsäure über den Kopf. Günther wurde mit schweren Verätzungen in eine Spezialklinik gebracht, er schwebte zeitweise in Lebensgefahr. Bislang hat der 42-Jährige die Vorwürfe bei seiner Festnahme in Belgien bestritten und danach beharrlich geschwiegen. Dem Angeklagten drohen im Fall einer Verurteilung zwischen drei und 15 Jahren Haft wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung.

Nebenklageanwalt Meinberg sagte zum Angeklagten: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie sich dazu durchringen könnten, an der Gesamtaufklärung mitzuwirken. Das war ein ganz fürchterlicher Vorgang, der sich so in der deutschen Wirtschaft noch nicht abgespielt hat.“

„Das ist ein wichtiger Tag für meine Familie und für mich“

„Das ist ein wichtiger Tag für meine Familie und für mich, allerdings auch kein einfacher Tag“, sagte Günther vor Prozessbeginn. Er hoffe auf Gerechtigkeit, auf die Aufklärung des Falles. Das Attentat habe äußerlich und innerlich viele Spuren hinterlassen. „Der Körper fühlt sich fremd an“, sagte der 55-Jährige. Seine Augenlider seien vernarbt. „Das spüre ich jeden Morgen beim Aufwachen, dass die Welt nicht mehr so ist, wie sie vor dem Anschlag war.“

Der Angeklagte, ein 42-Jähriger aus Belgien, erzählte, er habe vier Geschwister. Nach dem Schulabschluss habe er als Automechaniker gearbeitet, auch „schwarz“ Autos repariert und mehrfach Unternehmen gegründet. Er sei häufiger in Deutschland gewesen, oft für Bordellbesuche. Die Staatsanwaltschaft deutete an, dass er in einem der Etablissements Mittäter des Anschlags kennengelernt haben dürfte.

Innogy setzte 100.000 Euro Belohnung aus

Als Vorstrafen listete der Richter eine Reihe Verkehrsdelikte aus dem belgischen Strafregister auf. Der Mann war im vergangenen Dezember in der belgischen Provinz Limburg festgenommen worden.

Schon zwei Jahre vor dem Säureanschlag war Günther von Unbekannten überfallen und zusammengeschlagen worden. Günther vermutet den Auftraggeber für beide Überfälle in seinem beruflichen Umfeld. Den Namen hat er bislang nicht genannt.

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Man habe eine Reihe von Hindernissen überwinden müssen, um den mutmaßlichen Täter vor Gericht zu bringen, erklärten Günther und sein Anwalt. Die Ermittlungen waren schon eingestellt worden, als der Manager Privatermittler beauftragte. Günthers Unternehmen Innogy hatte zudem 100.000 Euro Belohnung für Hinweise zur Aufklärung des Falls ausgesetzt. „Mein Mandant wird nicht ruhen wird, bis die Mittelsmänner und der eigentliche Auftraggeber eines Tages selbst vor Gericht stehen“, kündigte Meinberg an.

Der Säureanschlag auf Günther hatte für internationales Aufsehen gesorgt. Wenige Tage nach dem Überfall war bekannt geworden, dass die RWE-Tochter Innogy zerschlagen und Teile vom Konkurrenten Eon übernommen werden sollten. (dpa) 

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