Attentat auf BVB-BusSergej W. ist wegen Mordversuchs angeklagt

Lesezeit 3 Minuten
Vor viereinhalb Monaten explodierten Sprengsätze direkt am Mannschaftsbus von Borussia Dortmund.

Vor viereinhalb Monaten explodierten Sprengsätze direkt am Mannschaftsbus von Borussia Dortmund.

Dortmund – Sie hatten Glück, ein unbeschreibliches Glück: An jenem 11. April als der Mannschaftsbus des Bundesligisten Borussia Dortmund zum Champions-League-Match gegen den AS Monaco losfuhr, explodierten drei in einer Hecke nahe dem Teamhotel versteckte Sprengkörper. Scheiben zerbrachen, Splitter verletzten den Verteidiger Marc Bartra schwer. Die mittlere der ferngezündeten Bomben hatte der Attentäter allerdings zu hoch platziert. Die Metallbolzen des Eigenbaus flogen über den Bus hinweg. Wäre die Bombe einen halben Meter weiter unten gesetzt worden, hätte sie ein Blutbad unter den Spielern angerichtet.

Viereinhalb Monate nach dem Bombenattentat hat die Staatsanwaltschaft Dortmund den 28-jährigen Tatverdächtigen Sergej W. angeklagt. Es geht um Mordversuch in 28 Fällen, das Herbeiführung eines Sprengstoffanschlages sowie gefährliche Körperverletzung. Der mutmaßliche Bombenleger handelte laut Anklage aus Geldgier. Er wettete an der Börse auf große Kursverluste der BVB-Aktie, sollte der Anschlag gelingen. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, ist der Deutsch-Russe nach vorläufiger psychiatrischer Begutachtung schuldfähig. An dem Bus entstand ein Schaden von rund 20 000 Euro. Weiter war aus Justizkreisen zu erfahren, dass im Prozess auch die Frage nach der Höhe der Kosten für die Neuansetzung des Spiels eine Rolle spielen wird. Bisher hat sich der BVB allerdings noch nicht dazu geäußert, ob er den Angeklagten auf Schadenersatz verklagen will.

Bombenzündung per Funk

Nach dem Anschlag hatte zunächst die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Am Tatort waren drei Bekennerschreiben aufgetaucht, die den Verdacht auf islamistische Attentäter lenkten. Doch die Briefe wiesen viele Ungereimtheiten auf: Die Insignien der Terror-Milizen „Islamischer Staat“ fehlten genauso wie der Treueschwur auf den selbst ernannten Kalifen Abu Bakr Al-Baghdadi. Die fehlerhafte Klein- und Großschreibung wirkte zudem gewollt.

Die simultane Zündung der Splitterbomben per Funksignal, der Sprengstoff, hochexplosiv und das Werk eines versierten Bombenbauers, jedoch ließen auf einen Profi schließen. Schon bald nach der Tat rückte der Angeklagte ins Zentrum der Nachforschungen: Der entscheidende Tipp kam von einem Börsenbeobachter der Comdirect-Bank. Dem Mann fiel auf, dass jemand vor der Champions-League-Heimpartie von Borussia Dortmund gegen den AS Monaco 15 000 Put-Optionsscheine ankaufte. Da zockte jemand gegen den einzigen börsennotierten Bundesligaclub, setzte auf einen Absturz des Aktienkurses.

Der Hinweisgeber fand dies merkwürdig und informierte die Verantwortlichen des BVB kurz nach dem Anschlag. Die glaubten zunächst an Zufälle, gaben aber die Info an die Ermittler des Bundeskriminalamts und ihrer Kollegen aus NRW weiter. Ein Treffer, wie sich bald herausstellte.

Der Börsenzocker entpuppte sich als der Elektrotechniker Sergej W. Zuvor hatte er Dienst bei einer Sanitätseinheit der Bundeswehr getan. Der Anklage zufolge hatte der Handwerker mittels Optionsscheinen auf den Tod einiger Spieler und den damit folgenden abfallenden Kurs der Dortmunder Aktien gesetzt.

Fragebogen für die Spieler

Zur Zeit der Abfahrt des BVB-Teambusses zum Stadion logierte der 28-Jährige ebenfalls im Mannschaftshotel „L’Arrivée“. Über den E-Mail-Account der Herberge wickelte der Gast auch den Börsen-Deal ab. Dafür hatte er extra einen Kredit über 40 000 Euro aufgenommen. Der Coup hätte ihm im Erfolgsfall knapp vier Millionen eingebracht.

Der Angeklagte beteuert seine Unschuld. Die Börsengeschäfte des Beschuldigten jedoch sind detailliert belegt. Außerdem fanden sich an seinem Arbeitsplatz und an seinem Spind Spuren von Wasserstoffperoxid. Dabei handelt es sich um ein harmloses Bleichmittel, das sich – allerdings hochkonzentriert – angereichert mit Aceton zu dem hochexplosiven Sprengstoff TATP verwandelt. Kriminaltechnische Untersuchungen ergaben, dass die Bomben auf dieser Basis gebaut worden waren.

Bei den Profis des BVB hat die Justiz nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Zeugenvernehmungen verzichtet. Die Spieler erhielten lediglich einen Fragebogen zu dem Geschehen, den sie ausfüllen sollten.

KStA abonnieren