Auch in Köln mit StraftatenWarum der Rockerclub Bandidos jetzt verboten wird

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Der ehemalige Kölner Rocker-Boss Aykut Ö.

Köln – Das Zufallstreffen im Steuerberaterbüro in der Kölner City lief schnell aus dem Ruder. Aykut Ö., President der Rockergruppe „Bandidos MC Cologne“, traf auf einen Rivalen der Hells Angels. Statt langer Worte zog der Höllenengel seine Pistole und schlug dem Kontrahenten mehrfach auf den Kopf. Schnell verlagerte sich der Konflikt auf die Straße. Von beiden Seiten fielen Schüsse, ehe die Schützen unverletzt voneinander abließen und das Weite suchten. Mit der Schießerei begann ein hitziger Bandenkrieg zwischen den Kölner Platzhirschen der Hells Angels und den prosperierenden Chaptern der Bandido-Kommandoebene „Bandidos Motorcycle Club Federation West Central“.

Noch am selben Freitagabend durchsiebte ein Bandido namens Felat G. vermutlich auf Geheiß eines der Central-Bosse mit einer Maschinenpistole die Scheiben des Café Joker’s. Als die Projektile durch die Tür des Hells-Angels-Treffs in Köln-Buchheim einschlugen, warfen sich die Besucher auf den Boden oder verschanzten sich hinter Tischen. Niemand wurde verletzt, die Täter entkamen zunächst unerkannt. In Begleitung seiner Komplizen feierte der Schütze noch am Abend im westfälischen Schwerte auf einer Rocker-Party seine Attacke.

Seit Jahren versuchen die „Bandidos Federation West Central“, ihre Macht an Rhein und Ruhr auszudehnen. Die Bosse nennen sich die „Nationals“. 650 Rocker in 38 Chaptern zählen die Sicherheitsbehörden zu ihrem Einflussbereich, der bis nach Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und ins Hessische reicht.

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Am Montag verbot Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Organisation. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ listet die Verbotsverfügung bei 145 Personen aus dem „West Central“-Bereich zahlreiche Vorstrafen auf: Die Palette reicht von Sprengstoffexplosionen, Mord, Menschenhandel, Zuhälterei, Vergewaltigung, Drogenhandel, räuberischer Erpressung bis hin zu zigfacher Körperverletzung. Bei einem sogenannten „Sargento de armas“ (Waffenmeister) aus Kamen liegen 26 Eintragungen im Strafregister vor. Auch der Schütze des Kölner Café Joker’s ist dabei – er wurde im Juni wegen versuchten Mordes zu acht Jahren und vier Monaten Strafhaft verurteilt.

Kampf um Drogenmärkte

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden soll die Kommando-Ebene der „Federation West Central“ die gegen Rivalen aus dem Rockermilieu gerichtete gewaltsame Verdrängungsstrategie in Westfalen und im Rheinland gelenkt haben. So befehden sich Bandido-Größen und die Freeway-Riders Motorcycle-Gang seit 2018 in Hagen. Es ging um Drogen-Absatzmärkte und die Vorherrschaft im Rotlicht-Milieu. Auf offener Straße schossen die Gegner aufeinander. Es gab Verletzte, etliche Anklagen und Prozesse reihen sich seitdem aneinander. Im Herbst 2018 erstachen Bandidos einen 63-jährigen Freeway-Rocker namens Reicki in der Nähe seines Vereinsheims in Gelsenkirchen. Nach wie vor laufen in Dortmund Revierkämpfe mit dem aufstrebenden Ableger des kurdisch-libanesischen Miri-Clans.

Als die Hagener Ermittler die Telefone ihrer Verdächtigen überwachten, entdeckten sie Zusammenhänge zu Attentaten in der Kölner Rockerszene. Mit aller Macht suchten die Bandidos am Rhein die Macht der Hells Angels zu brechen. Stets soll die Kommandoebene der „Federation West“ die Befehle erteilt haben. Als Sicherheitschef soll etwa Selahettin E. das Attentat auf der Kölner Zoobrücke im Dezember 2018 befohlen haben. Aus einem fahrenden Auto feuerten zwei Bandidos auf ein entgegenkommendes Fahrzeug, in dem sie einen Hells Angel vermuteten. Der Anschlag schlug fehl. Am Steuer des Fahrzeugs saß ein unbescholtener 21-jähriger Schüler, der schwer verletzt überlebte. Die Schützen wurden bisher nicht gefunden.

Bandido-Chef E., den seine „Soldaten“ ehrfürchtig „den Paten“ nennen, soll laut Staatsanwaltschaft auch die Schüsse auf das Kölner Hells-Angels-Café Joker’s angeordnet haben. Weil der Anschlag ohne Verletzte oder Tote blieb, soll Selahettin E. einen der Attentäter zusammengestaucht haben: „Alter, fünf Meter davor und ihr kriegt nichts auf die Reihe.“ Ein Aussteiger berichtete den Ermittlern zudem, dass E. etliche Tötungsdelikte in Auftrag gegeben habe.

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Der Bandido-Anführer managte offenbar die Revierkämpfe. So verschob E. Personal von der Ruhr an den Rhein, um Köln im Kampf gegen die Höllenengel „stabil“ zu machen. Inzwischen muss sich die „Central Federation“-Kommando-Ebene um Selahettin E. vor dem Landgericht Hagen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und versuchten Mordes verantworten.

Zu den Angeklagten der Bandidos-Führungsriege gehören auch so illustre Figuren wie Peter Maczollek. Unvergessen, wie der „Vice President Europe“ vor gut zehn Jahren in einer inszenierten Veranstaltung mit Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth vor laufenden Kameras Frieden schloss. Der Pakt hielt nicht lange. Nun sitzt der 56-jährige Oberrocker auf der Anklagebank. Der Staatsanwaltschaft zufolge soll Maczollek etwa über den Anschlag auf das Kölner Café Joker’s informiert gewesen sein. Dies bestreitet der Angeklagte.

Maczollek hat es bereits zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag geschafft. Mit seinem Kumpel Leslav Hause, Vizepräsident der West-Central-Führungsriege, hat er ein Buch geschrieben. „Ziemlich böse Freunde. Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten.“ Auf dem Cover posieren die beiden „Nationals“ in ihren Kutten, die Arme großflächig tätowiert als beste Freunde. Inzwischen sitzt der Mitautor in Untersuchungshaft. So soll Hause in einen Waffendiebstahl verstrickt sein. Laut Anklage soll er mit einem Komplizen von einem Mitarbeiter einer Sportwaffenfirma im sauerländischen Arnsberg gestohlene 16 Pistolen gekauft und sie unter den Bandido-Chaptern verteilt haben. Der National weist die Vorwürfe zurück.

Schweigegebot der Rocker

In seinem Buch macht Hause klar, was einen toughen Rocker ausmacht, sollte es mal ernst werden: „Da ist es völlig gleichgültig, ob der andere ein Messer oder eine Machete unter dem Karnevalskostüm trägt. Du klatschst da einfach nur noch, und wenn es sein muss, greift man nach Flaschen, Stühlen oder einem schweren Aschenbecher.“ In der JVA Köln wurde ihm nun die Verbotsverfügung seiner Organisation überreicht.

Stets hatte Hause das Schweigegebot für seine Brüder propagiert. Vor allem mit der Polizei redete man nicht. Interessiert belauschten die Ermittler Telefonate, die nahelegen, dass die „Nationals“ einen versuchten Totschlag auf einer Schlagerparty im Vereinsheim in Unna unter den Teppich kehrten. Einer aus ihren Reihen hätte im Streit beinahe einen anderen Bandido getötet. Doch die Führungsebene kam überein, die Übeltäter rauszuwerfen und nichts weiter zu unternehmen. Nach außen hin stellte man den Vorfall als Akt der Notwehr dar. Ähnlich verhielt es sich mit dem Überfall auf das Café Joker’s in Köln. Seinerzeit wurde die Parole ausgegeben: „Über die Dinge in Köln wird nicht geredet.“

Vielmehr trafen sich die Bandido-Nationals mit den Hells-Angels-Chefs unter Frank Hanebuth. Im März 2019 schlossen beide Parteien einen neuen Pakt. Laut der Vereinbarung durfte keine Seite ein neues Chapter in der Kölner Region gründen. Der Friedensschluss anerkannte ausdrücklich die Macht- und Einflussgebiete des jeweiligen Gegners. Tatsächlich nutzte die Bandido-Kommandoebene die Kampfpause aus, um ihre Chapter aufzufüllen. So erklärte Hause in einem abgehörten Telefonat im Januar 2020, dass man flugs 40 bis 50 Leute aufnehmen werde. Bei den Personen handele es sich zwar nur um „zweite Wahl“, aber nachdem sie zunächst bei den Bandidos aufgenommen worden seien, könnten „sie nicht mehr wechseln“.

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