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Clankriminalität in NRW„Die syrische Community ist auf 25.000 Mitglieder angewachsen“

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Eine Razzia in Essen im Jahr 2018.

Herr Richter, in Schweden gilt das Phänomen der Clankriminalität in  Teilen der Politik als Tabuausdruck, kommt Ihnen das bekannt vor?

Das war lange Zeit in NRW genauso. Aus Furcht vor einer Stigmatisierung zugewanderter kurdisch-libanesischer Großfamilien hat auch die Politik hierzulande jahrzehntelang weggeguckt. Die Folge war, dass sich die kriminellen Zweige dieser Clans in Essen und anderen Ruhrstädten ungehindert breit machen konnten. Das hat sich zum Glück in den letzten fünf Jahren geändert.

Die Landesregierung hat das Problem erkannt. Damit wurden auch entsprechende Ressourcen bereitgestellt, so dass wir mit großen personellen Aufwand seither eine Besondere Aufbauorganisation „Clan“ unterhalten können, die sehr erfolgreich die kriminellen Teile der Familienclans bekämpft. Wenn man die Probleme aber nicht beim Namen nennt, passiert auch nichts.

Was kann man von den Essener Kollegen lernen?

Die Bekämpfung der Clans durch Netzwerkpartnerschaften. Hier arbeitet die Polizei mit kommunalen Aufsichtsbehörden, den Finanzämtern, Glücksspiel-Abteilungen der Bezirksregierung sowie etwa dem Zoll zusammen. Stellen wir etwa in Shisha-Bars, Lokalen oder Gewerbebetrieben Verstöße oder Ordnungswidrigkeiten fest, wird der Laden, soweit rechtlich möglich, zunächst einmal dicht gemacht. Das tut den Clans weh, weil Geldquellen versiegen. Die Schweden finden diesen ganzeinheitlichen Ansatz sehr bemerkenswert und haben sich bei Besuchen in unserer Behörde hierüber informiert. Das Interesse ging sogar soweit, dass eine Kollegin zu einer Konferenz in Schweden eingeladen wurde, um über unseren Ansatz der Netzwerkarbeit zu referieren. Ich bin sehr froh über die äußerst gute Zusammenarbeit.

Dann hat die Polizei Essen die Clankriminalität im Griff?

Wir sind auf einem guten Weg, aber noch lange nicht durch. Das Spiel wurde gerade angepfiffen und wir stellen uns jetzt schon auf Verlängerung ein. Mir macht aber auch eine andere Entwicklung Sorgen. In Essen ist die syrische Community auf 25.000 Migranten angewachsen. Das sind schätzungsweise 10.000 mehr als die Mitglieder kurdisch-arabischer Clans ausmachen. Letztere haben 2020 etwa 700 Straftaten begangen. Im selben Zeitraum registrierten wir etwa 1000 Straftaten von syrischen Staatsangehörigen.

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Es gibt Anzeichen dafür, dass syrische Großfamilien den alteingesessenen Clans den Rang ablaufen wollen. Diesen Trend müssen wir im Auge behalten, sonst droht uns das nächste Beispiel für eine fehlgeschlagene Integration. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die es anzugehen gilt.

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