Corona-Urlaub„Wo soll ich mich denn bitte hier anstecken?“

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Familie Brammertz auf Mallorca

Angelika und Gustav Brammertz am Strand von Mallorca

Aachen – Am liebsten würden Angelika und Gustav Brammertz gleich dableiben. Das Ehepaar aus Aachen sitzt an der Playa de Palma auf Klappstühlen im Sand und lässt sich von der mallorquinischen Sonne bescheinen. Zwischen den beiden wartet eine Kühltruhe mit einer Flasche Sekt. „Wo soll ich mich denn bitte hier anstecken?“, fragt Gustav Brammertz und macht eine ausschweifende Bewegung mit dem Arm, die den ganzen vor ihm liegenden Strand umfasst.

Außer ein paar Möwen ist hier an diesem Vormittag weit und breit niemand zu sehen. „Das Leben ist einfach viel genussvoller hier“, sagt Angelika Brammertz. „Allein dadurch, dass man sich auch mal in ein Café setzen oder an der frischen Luft sein kann.“ Verständnis für das Hin und Her in den vergangenen Tagen rund um die Mallorca-Reisen Tausender deutscher Spontanurlauber haben die beiden nicht.

„Das ist doch eine reine Neiddebatte. Viele denken bei Mallorca halt sofort an Sauftourismus“, sagen sie. „Dabei ist das totaler Quatsch.“

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Ausgangssperre und Maskenpflicht

Tatsächlich sind die berüchtigten Ballermann-Lokale ringsherum noch allesamt geschlossen, ebenso wie die meisten Souvenir-Shops und sonstigen Läden. Neben ein paar Hotels haben lediglich einige Restaurants geöffnet – bis 17 Uhr. So sehen es die Corona-Regeln auf der Insel vor. Dazu gehören auch die allgemeine Maskenpflicht in der Öffentlichkeit, die Ausgangssperre zwischen 22 und 6 Uhr sowie drastische Kontaktbeschränkungen.

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Dank diesen Vorschriften war es zuletzt gelungen, die Inzidenzzahlen massiv zu senken, woraufhin die Bundesregierung die Reisewarnung für die Balearen aufgehoben hatte. Die Folge: Tausende Deutsche buchten ihren Osterurlaub auf Mallorca. Warum das ein Problem sein soll, versteht Gustav Brammertz nicht. „Mallorca war nun einmal zuletzt kein Risikogebiet mehr“, sagt er. „Dann muss man sich auch an die Regeln halten, die man selbst aufgestellt hat und das Reisen wieder zulassen.“

Reisen mit leicht schlechtem Gewissen

Ein leicht schlechtes Gewissen wegen seines Mallorca-Kurztrips scheint ein Pärchen aus der Nähe von Köln zu haben, das ein Stück weiter die Promenade hinunter auf einem Mäuerchen sitzt und aufs Meer hinaus blickt. Ihre Namen wollen die beiden jedenfalls lieber nicht in der Zeitung lesen. „Mich kennt in Köln jeder“, sagt der Mann entschuldigend.

Die Mallorca-Reise haben sie spontan gebucht, weder der PCR-Test, den sie bei der Einreise vorlegen mussten, noch die strengen Hygienevorschriften im Hotel haben sie abgeschreckt: „Ach, daran haben wir uns doch im vergangenen Jahr längst gewöhnt“, sagen sie. „Und zu Hause machen wir es ja auch nicht anders.“

Viele Wirte werden wohl nicht mehr aufmachen

Eine gute Nachricht ist die Rückkehr der Deutschen nach Mallorca für den gebürtigen Dorstener Marcel Kortboyer. Er ist Manager des Münchner Kindl ein paar Straßen weiter und mit wenigen Unterbrechungen seit einem Jahr in Kurzarbeit – wie fast alle der 35 Angestellten des Lokals. Über die Runden ist er seitdem nur mit Ach und Krach gekommen. 1800 Euro Schulden hat er machen müssen, nachdem seine Rücklagen aufgebraucht waren. „Man merkt, dass so langsam wieder etwas mehr los ist hier“, sagt er. Für viele Wirte aber komme das zu spät. „Eine ganze Reihe von ihnen wird nicht wieder aufmachen.“

Ein Minus von mehr als 80 Prozent

Mallorca ist nun einmal extrem abhängig vom Tourismus. Jeder dritte Arbeitnehmer ist in Hotellerie oder Gastronomie beschäftigt, dazu kommen Einzelhändler und weitere Branchen, die indirekt vom Geschäft mit den Urlaubern profitieren. Das aber steht seit August weitgehend still. Damals hatte die deutsche Bundesregierung Mallorca zum Risikogebiet erklärt. Im gesamten Jahr 2020 kamen gerade einmal zwei Millionen Urlauber auf die Insel – ein Minus von mehr als 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als es noch fast zwölf Millionen waren. Statt 15 Milliarden Euro wie 2019 gaben die Urlauber auf den Balearen im abgelaufenen Jahr nur 1,8 Milliarden Euro aus. Zu spüren bekommen hat das zum Beispiel der Taxifahrer Miguel Ochogavía.

Er wartet nun schon den ganzen Vormittag vor Palmas Flughafen auf die erste Tour des Tages. In der Schlange vor ihm stehen aber noch immer ein Dutzend andere Taxis. 80 Prozent weniger als im Vorjahr habe er 2020 eingenommen. „Wie man das durchhält? Weniger essen!“, sagt er und lacht bitter. Ohne Urlauber sei einfach kaum etwas los auf der Insel. „Wichtig ist, dass wir es jetzt nicht noch verbocken“, sagt er. „Sonst können wir auch die Hauptsaison in diesem Jahr vergessen.“

Kamen die Lockerungen zu früh?

Das ist derzeit die große Sorge vieler Mallorquiner: Dass nach Monaten der Einschränkungen die Lockerungen nun zu früh kommen und die Zahl der Corona-Infektionen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt wieder in die Höhe schießt und die Insel mitten im Sommer wieder in den Lockdown muss. Deshalb ist der Balearen-Regierung der Urlauberansturm in den vergangenen Tagen auch nicht ganz geheuer.

Zuletzt ruderte sie wieder ein wenig zurück und verschärfte etwa die Einreisebeschränkungen. Wurden die PCR-Tests der Urlauber am Flughafen bisher nur stichprobenartig kontrolliert, muss nun jeder einzelne Passagier das Ergebnis vorzeigen. Und auch in den Hotels müsse sich jeder an die allgemein gültigen Regeln halten, betonte Gesundheitsministerin Patricia Gómez.

Wer nicht zusammen wohnt, muss in Einzelzimmer

So sollen die Hotelangestellten nun kontrollieren, ob die eincheckenden Gäste auch tatsächlich in einem gemeinsamen Haushalt leben. Andernfalls werden sie auf Einzelzimmer verteilt. Denn auch Mallorca hatte in den vergangenen Tagen bereits eine Neiddebatte: Da in Spanien über Ostern ein weitgehendes Reiseverbot gilt, gab es heftige Kritik an der Tatsache, dass zwar Deutsche ihren Urlaub auf der Insel verbringen können, nicht aber Bewohner anderer spanischer Regionen.

Angelika und Gustav Brammertz genießen derweil ihre letzten Urlaubstage in vollen Zügen. Auch, wenn die beiden dann erst einmal zurück nach Deutschland müssen: Der nächste Mallorca-Urlaub ist schon geplant. Bereits zum Vatertag Mitte Mai will Gustav Brammertz gemeinsam mit einem Freund wiederkommen. Wenn man ihn denn lässt.

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