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Die große DürreExperten prophezeien in den kommenden Jahren trockene Böden

Lesezeit 6 Minuten
Getreideernte auf einem Feld bei Dormagen: Die anhaltende Trockenheit macht den Landwirten in NRW zu schaffen.

Getreideernte auf einem Feld bei Dormagen: Die anhaltende Trockenheit macht den Landwirten in NRW zu schaffen.

  • Der Klimawandel nimmt den Bauern den Regen, den sie für eine gute Ernte bräuchten.
  • Manche bauen nun Brunnen, andere hoffen auf die Wissenschaft.
  • Doch nicht allein der fehlende Regen ist das Problem.

Köln – An dem kurzen Getreidehalm, den Johannes Brünker aus dem Boden seines Ackers zieht, hängt noch etwas feuchte Erde. Eigentlich ein gutes Zeichen. Nämlich dafür, dass es geregnet hat. Doch froh stimmt das den Landwirt aus Swistal im Rhein-Sieg-Kreis nicht. „Die Ernte ist längst gedroschen“, sagt er. Wegen der Dürre im Frühjahr lag sie 20 Prozent unter den Erwartungen. Mal wieder.

Brünkers Schicksal ist das von vielen Bauern in NRW, die nach den trockenen Jahren 2018 und 2019 erneut mit einer mäßigen Ernte leben müssen. Am Freitag veröffentlichte das NRW-Landwirtschaftsministerium die aktuelle Erntebilanz. Mit 3,8 Millionen Tonnen Getreide haben die Landwirte in diesem Sommer etwa so viel eingefahren wie im vergangenen Jahr. Allerdings gut drei Prozent weniger als im langjährigen Mittel. Auch der Ertrag pro Hektar fiel gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Prozent auf 7,55 Tonnen.

„So viel Wasser, wie an 45 Tagen im Rhein unter der Deutzer Brücke durchströmt“

Das wirkt vielleicht erstmal nicht so schlecht, ist auch nicht so schlecht wie noch in den Dürre-Monaten von März bis Mai befürchtet. Dennoch begleitet ein negativer Trend die Erntebilanzen.

In den Böden in NRW zeigt sich längst, dass es im Frühjahr zu wenig geregnet hat. Roland Funke ist Hydrologe und hatte Anfang Juli, um das Ausmaß des Problems zu beschreiben, ein prägnantes Bild parat: „Wir bräuchten theoretisch so viel Wasser, wie an 45 Tagen im Rhein unter der Deutzer Brücke durchströmt, um das aktuelle Niederschlagsdefizit in NRW auszugleichen.“ Und dass sich die Lage in den kommenden Jahren verbessern wird, ist nicht anzunehmen. Denn der Klimawandel nimmt den Bauern den Regen, den sie für eine erfolgreiche Ernte eigentlich bräuchten.

Lösungen also müssen her – doch welche? „Alles zielt darauf ab, den Boden dazu zu bringen, mehr Wasser zu speichern“, sagt Landwirt Brünker, der seinen Hof bereits in dritter Generation führt. Man könne etwa die Saat möglichst schonend in den Boden setzen, ohne unnötig Erde aufzulockern. So verhindert man, was Brünker „unproduktive Verdunstung“ nennt.

70 Meter tiefen Brunnen gebaut

Eine andere Möglichkeit, der Trockenheit entgegenzuwirken, ist die künstliche Bewässerung der Felder. Immer mehr Bauern investieren mittlerweile in Brunnen. Das ist teuer. Aber – und das beschreibt die Situation der Landwirte auch schon ganz gut: Für manche lohnt es sich trotzdem. Johannes Conzen ist so einer. Vergangenes Jahr hat er einen mehr als 70 Meter tiefen Brunnen bauen lassen. „Erst war ich auch dagegen, aber die Lage wurde nicht besser“, sagt er. Nur Wasser zu sparen reiche nicht mehr, man müsse anderweitig nachhelfen.

Doch nicht allein der fehlende Regen ist das Problem. Die Wasserbilanz, so sagt der Bonner Klimaforscher Karsten Brandt, funktioniere wie die Jahresbilanz von Unternehmen: Es gibt Ein- und Ausgaben. „Und auch die Ausgaben, also die Verdunstung, muss man berücksichtigen“, sagt Brandt.

Niederschlagskurve geht seit 2018 nach unten

Der Experte erklärt, dass die mittlere Niederschlagshöhe in Deutschland in den letzten 130 Jahren stabil geblieben sei. Laut Berechnungen des von Brandt gegründeten privaten Wetterdienstes donnerwetter.de nähert sich die Verdunstungskurve seit einigen Jahren allerdings gefährlich an. „Wir erwarten bald eine negative Bilanz. In einigen Regionen, Bonn zum Beispiel, ist es schon so weit“, erklärt der Klimaforscher. Spätestens seit 2018 geht allerdings auch die Niederschlagskurve nach unten.

Seit dem Frühjahr machte die Trockenheit auch 2020 wieder dem Rheinland zu schaffen. Von März bis Juni regnete es laut den Daten des Deutschen Wetterdiensts in ganz NRW 107,2 Millimeter. Das langjährige Mittel für diesen Zeitraum ist fast doppelt so hoch. Erst der Regen im Juni brachte Erleichterung: Ende des Monats lag die Bodenfeuchte oft über den Werten von 2019 – aber weiterhin unter dem langjährigen Mittel.

Auswirkung auf die Äcker

Auch Klimaforscher Brandt ist hinsichtlich des Niederschlags besorgt. Nicht nur Extreme wie lange Trockenphasen würden zunehmen. Auch käme der Regen zunehmend in Form von Gewittern. Das Problem: „Starkregen bleibt nicht im Boden, sondern fließt oberflächlich ab“, so Brandt. Durch die punktuellen Gewitter und Niederschläge entstünden regionale Unterschiede.

Das wirkt sich auf die Äcker aus. So konnte Landwirt Conzen, im Gegensatz zu seinem Kollegen Brünker, auf seinen Feldern in Rommerskirchen eine leicht überdurchschnittliche Getreideernte einfahren. Dabei liegen die Felder der beiden gerade einmal 50 Kilometer voneinander entfernt. Grund für die Abweichungen sind die Böden. In den Lehm-Schichten in Rommerskirchen sammelt sich das Wasser erheblich besser als in Swisttal. Durch den dünnen Oberboden und die darunterliegenden Kiesschichten sickert das Wasser dort schneller ab.

Weiter Ernteverluste

Ein Großteil der deutschen Bauern aber wird weiterhin mit Ernteverlusten rechnen müssen. Mit verbesserten Nutzpflanzen allerdings könnte man die wesentlich minimieren, sagt Ali Ahmad Naz, der an der Universität Bonn zu Pflanzenzüchtung forscht.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Genomforschung der Nutzpflanzen große Schritte gemacht. Ein Beispiel: Naz und seine Kollegen forschen an der Kreuzung der deutschen Braugerste mit der Wildgerste aus dem Nahen Osten. Die Anpassungseigenschaften der Wildgerste können in die deutsche Kulturart übertragen werden, die so toleranter gegenüber Trockenheit wird. Solche Entwicklungen können allerdings acht bis zehn Jahre dauern, sagt Naz. Daher müssten solche Anpassungen und züchterische Verbesserungen in Zukunft kontinuierlich stattfinden. Die Landwirte beobachten die Forschungen mit großem Interesse. „Wir suchen händeringend nach Sorten, die mit Trockenphasen zurechtkommen“, sagt Brünker. Dass damit kurzfristig nicht zu rechnen ist, wisse er allerdings.

Die Versicherung soll freiwillig sein

Wegen der bundesweit unterdurchschnittlichen Ernten fordert nun der Deutsche Bauernverband eine neue Mehrgefahrenversicherung für Landwirte. Sie soll vor den steigenden Risiken durch den Klimawandel – Spätfröste, Starkregen und Trockenheit – absichern. Dafür bräuchte es allerdings eine Anschubfinanzierung von Bund und Ländern, und zwar jährlich mindestens 400 bis 500 Millionen Euro für die ersten drei Jahre. Die Versicherung soll freiwillig sein und es den Landwirten ermöglichen, das Risiko etwa extremer Wetterlagen selbst zu reduzieren.

Doch nicht nur für die Landwirtschaft sind die klimatologischen Entwicklungen bedrohlich. Auch der Grundwasserpegel sinkt beständig. Wasser wird knapper und muss sparsam behandelt werden. Bereits in diesem Sommer musste etwa Borgholzhausen im Kreis Gütersloh den Wasserverbrauch der Bürger einschränken. Rasensprenger durften nicht mehr laufen, Pools nicht mehr befüllt werden. Ein Freibad wurde geschlossen.

Solche Konflikte um die Verteilung von Wasser werden schon bald größer werden, meint Klimaforscher Brandt. „Auf jeden Fall noch dieses Jahrzehnt.“

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„Der Rahmen hat sich geändert“, sagt auch NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wir können nicht mehr quer über NRW sagen: Wasser ist en masse da.“ Deswegen müsse in Zukunft bei der Wasserentnahme ein Vorrang auf Trinkwasser gelegt werden. Das soll mit der Neuregelung des Landeswassergesetzes geschehen, die das Kabinett bereits im Mai beschlossen hat. Am kommenden Mittwoch wird es in erster Lesung im Landtag eingebracht.

Wer danach in bestimmten Regionen den Nutzungsvorrang hat, Landwirte oder etwa Fabriken, müsse noch ausgemacht werden. Jedenfalls gäbe es schon jetzt einige Landwirte, die in Zukunft gern Beregnungsanlagen einsetzen würden. Oder vielleicht auch eher: müssen.

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