Ganz nah an der QueenAufgebrezelt zu Gast bei der königlichen Gartenparty

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Korrespondentin Katrin Pribyl

  • Die Gartenpartys der Queen gehören zu den beliebtesten Veranstaltungen des Königshauses.
  • Eingeladen sind ganz normale Menschen, die sich um das Land verdient gemacht haben.
  • Auch unsere Korrespondentin war im Garten des Buckingham-Palastes dabei und stellte fest: Die Queen ist noch kleiner als gedacht. Und über Theresa May und den Brexit redet hier niemand.

London – Es ist drei Minuten nach vier, einige spülen noch eilig das Eier-Mayonnaise-Schnittchen mit Tee herunter, andere versuchen in der Menschenmenge ihre durch langes Warten gesicherte freie Sicht auf die Terrasse des Buckingham-Palasts nicht zu verlieren, da erscheint sie endlich: die Königin, der am längsten dienende Souverän der britischen Geschichte.

Elizabeth II. ist die Ewige, wenn man so will, und deshalb herrscht unterm aufgebrezelten Fußvolk bei ihrem Auftauchen dann auch eine andächtige, fast bizarre Stille, als hielten die 8000 Gäste gleichzeitig ehrfürchtig den Atem an. Es soll sogar vorkommen, dass mache vor lauter Starre vergessen, die Handykamera zu zücken.

Auch William und Kate sind dabei

Gewohnt farbenfroh führt die Queen, die live noch kleiner wirkt als auf Fotos und im Fernsehen, im Mantelkleid und passendem Hut den royalen Tross an. Dem gehören an diesem Nachmittag auch Prinz William und Herzogin Catherine an, die wiederum live noch viel größer daherkommt.

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93 Jahre alt, Symbol einer ganzen Nation und Gegengift zur wechselhaften Zeit und Welt. Dieser Nachmittag ist wie eine Streicheleinheit für die geschundene Seele der Nation. In den Garten des Buckingham-Palasts geladen sind auserwählte Briten, die sich in irgendeiner Form um das Königreich verdient gemacht haben.

Als Zeichen dafür, dass das Event offiziell beginnt, spielt die Militärkapelle erst mal die Nationalhymne, nur stimmt niemand ein. Zu merkwürdig das Gefühl, „God save the Queen“ zu singen, wenn die in dritter Person besungene Dame mehr oder minder vor einem steht.

Goldgeprägte Einladung

Glücklich jene, die sich eine der kostbaren Einladungen verdient haben, die im Auftrag ihrer Majestät von einem gewissen Lord Chamberlain, seines Zeichens höchster Beamter am Hof, verschickt werden. Das königliche Wappen ist allein ein Blickfang, golden eingeprägt in die Karte aus dickem, unbiegsamem Karton. Mit einher gehen alle möglichen Regeln, die es für die Besucher zu beachten gilt.

Insbesondere die strenge Kleiderordnung sorgt im Vorfeld mitunter für Stress. Für die männlichen Gäste gilt der Dresscode „morning suit“, ein festlicher Tagesanzug oder Uniform. Frauen tragen knielange Kleider, Perlen, Glitzerschmuck und vor allem: Hüte, Hüte, Hüte.

Hüte und Kleider geliehen

In groß und klein, rot, blau, lila oder gelb, mit künstlichen Rosen oder Schleifchen besetzt, versehen mit schrillen Blumen, breiten Krempen oder Türmen aus Tüll – der Gehweg zum Palast ein einziger Laufsteg. Frau mietet im Übrigen gerne. Für 70 bis 120 Pfund, umgerechnet zwischen 80 und knapp 140 Euro, verleihen Boutiquen Designerstücke für den Tag.

Nun schlurfen und staksen und stolzieren die Gäste also über den roten Teppich durch die Eingangshalle des Buckingham-Palasts in die grüne Oase hinter den königlichen Gemächern. Der Lärm, der Smog, die Massen, alles bleibt draußen. Drinnen dann ein lebendiges Museum. Ruhe. Frieden. Paradiesisch fast. Das Gefühl, zur High-Society zu gehören und sei es nur für wenige Stunden, wird mit jedem Schritt größer und beglückender.

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Auf eine Tasse Tee bei den Windsors – der Nachmittag umfasst so ziemlich alles, was viele Briten an sich und ihrem Land lieben. Pomp, Prunk und Pracht. Krankenpfleger, ehrenamtliche Gemeindehelfer, Militärangehörige, Kirchenvertreter, ein Querschnitt durch die Gesellschaft – die Garden Party ist ein royales Dankeschön für den Dienst an der Gesellschaft. Und auch die Berichterstatterin und einige weitere Journalisten haben es auf die Liste geschafft.

Thema des Tages aber ist zunächst, wir sind ja in England: das Schlangestehen, vor allem an den üppigen Buffets, vor denen sich die Menschen in – wie soll es anders sein – perfekten Linien arrangiert haben.

Während die Besucher Mini-Lachs-Bagel genießen, schreitet die Queen mit Handtasche am Arm, Sonnenbrille auf der Nase und, für den Schatten in der Not, Regenschirm in der Hand, durch den kunstvoll eingerichteten Korridor. Immer wieder macht die Queen bei ausgewählten Gästen kurz Halt und plaudert.

Ihre größte Sorge sei stets das Wetter, verrät Ihre Majestät bei dieser Gelegenheit der 50 Jahre alten Lehrerin Victoria English. „Man hofft natürlich, dass die Sonne scheint, wenn man 8000 Menschen zum Tee in den Garten einlädt.“ Victoria English nickt verständnisvoll, solche Sorgen hätte sie vermutlich auch gerne.

Smalltalk über das Wetter und den Rasen

Die Geladenen ramponieren unterdessen den perfekten Rasen, aber dieser Kollateralschaden ist von den Einladern eingepreist. Der wie mit dem Lineal getrimmte Rasen gehört im Übrigen zu den beliebtesten Smalltalk-Themen der Gartenkultur-besessenen Briten an diesem Nachmittag. Neben dem Wetter und an dieser Stelle fürs Protokoll: Es war „such a lovely day“, kein Regen, Sonne, kaum Wolken. London eben, meteorologisch erheblich besser als sein Ruf, auch wenn die auf dem Kontinent immer noch glauben, es regne und neble hier ununterbrochen. Von Theresa May und dem Brexit ist hier keine Rede.

Dank Prinz Charles gibt es Ökobecher

„Das ist ihr Zuhause, ihr Garten, und wir dürfen hier sein“, haucht eine Dame beeindruckt und dreht sich um sich selbst – ganz vorsichtig, stets darauf bedacht, dass ihr gelbes Blütenkunstwerk aus Seidenbändern auf dem Kopf nicht verrutscht. Sie kam mit ihrem Mann aus dem walisischen Swindon angereist, im richtigen Leben arbeitet sie für eine Wohltätigkeitsveranstaltung, die Obdachlose unterstützt. Nun schlürft sie äußerst süße Zitronenlimonade aus ökofreundlichen Bechern – ein Gruß des Königs im Wartestand, Chef-Naturschützer Prinz Charles.

Die smalltalkende Queen braucht eine knappe Stunde, bis sie an einem speziellen, von einem Krönchen geschmückten Zelt angekommen ist. Dort steht der Nachmittagstee auf dem Tisch, den Familie König in einem erlauchten Kreise zu sich nimmt. Da tummeln sich dann die Reichen, Schönen, Berühmten und Mächtigen. Die eher zur Holzklasse gehörenden Fans stehen in sicherer Entfernung im Halbkreis und schauen zu.

17 Uhr. Tea time. Der Rest des Fußvolks pilgert solange zum großen Zelt, wo fein gerollte Hühnchen-Spargel-Wraps, Schinken-Tomaten-Sandwiches mit abgeschnittenen Rändern, Himbeer-Shortbread sowie Miniaturtörtchen, und ja, sogar vegetarische Optionen, bereitstehen.

Queen Victoria erfand die Gartenpartys

Dazu literweise Tee, Saft aus britischen Äpfeln und Eiskaffee. Die Royals gehen mit den Getränketrends – trotz der rund 150 Jahre langen Geschichte der Gartenpartys, die unter Königin Victoria noch Frühstücke hießen, obschon sie damals schon am Nachmittag stattfanden. Für den Wohlfühlfaktor spielen die beiden Kapellen passende Evergreens wie „I’m in Heaven“ und „There’s No Business Like Show Business“.

Kurz vor 18 Uhr ziehen sich die Queen und der Rest der Familie in ihre Räumlichkeiten zurück – ein erster Wink, dass nun Schluss ist. Als endgültiger Rausschmeißer dient aber die Nationalhymne. Und diesmal, beschwipst von so viel Herrlichkeit und feiem Tee, singen einige sogar leise mit.

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