Gartenrotschwanz, Meise und CoSo klingt das morgendliche Orchester der Singvögel

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Blaumeise

Die Blaumeise beginnt rund eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang mit ihrem Gesang.

  • Der Gesang der Garten- und Waldvögel beginnt stets nach derselben Reihenfolge.
  • Die Vögel singen nicht nur aus einer Laune heraus, die stimmliche Präsenz hat zwei wichtige Gründe.
  • Auf einer interaktiven Grafik können Sie sich das Gezwitscher von Gartenrotschwanz, Meise und Co anhören.

Köln – Die Morgendämmerung hat gerade eingesetzt, doch die meisten Singvögel sind schon lange wach – und nicht zu überhören. Ihr Gesang erhebt sich vielstimmig und sehr laut. Zu vernehmen ist in diesen Tagen, zum Beispiel an einem der Eingänge zum Bonner Kottenforst, ein faszinierendes Konzert, das mit zunehmender Helligkeit nur noch intensiver wird. Kräftiger ist das Gezwitscher den ganzen Tag über nicht mehr.

Zum Gesang treffen sich hier jetzt unter anderem: Stare, Amseln, Buchfinken, Kohlmeisen, Stieglitze, ein Zilpzalp, ein Hausrotschwanz, diverse Zaunkönige und, erstmals an diesem Ort, auch ein gelblich schimmernder Girlitz, der kleinste Fink Europas. Und das, was sie da gerade machen, folgt einem strengen Rhythmus, einer natürlich gegebenen Reihenfolge.

Wenn Sie auf die Grafik klicken, können Sie sich das Gezwitscher der unterschiedlichen Vögel anhören

Denn jede Vogelart hat einen speziellen Startpunkt für ihr Morgenlied, die Reihenfolge der einsetzenden Stimmen ist Tag für Tag dieselbe, bestimmt wird der Beginn von der Natur, und zwar durch die zunehmende Helligkeit.

Vögel mit großen Augen singen früher

Interessanterweise benötigen die allermeisten Vögel für ihre Stimmübungen kein Licht, sie machen sich also schon vor Sonnenaufgang bemerkbar. Je früher es in diesen Tagen also dämmert, desto eher startet auch das Orchester der Vögel. Es gibt zu diesem Phänomen eine ornithologische Regel, die den Zeitpunkt des Gesangstarts der verschiedenen Arten erklärt, sie lautet: Je größer die Augen eines Vogels im Verhältnis zum Körper sind, desto weniger Licht benötigt er und desto früher beginnt er mit Nahrungssuche und Gesang.

Hilfen für die Bestimmung der Vögel und ihrer Gesänge

Vögel an ihren Stimmen zu erkennen, ist gerade morgens, wenn viele Arten mit ihrem Gesang einsetzen, für Nicht-Ornithologen sehr schwer. Ebenso anspruchsvoll ist es, die vielen Arten auseinanderzuhalten. Was beim Rotkehlchen vergleichsweise leicht ist, fällt bei einer Mönchsgrasmücke schon deutlich schwerer.

Der Nabu, der Naturschutzbund Deutschland, hat eine App für Smartphones herausgebracht, die man in den Stores kostenlos herunterladen kann. Zusatzoptionen wie der Gesang der Vögel sind für einen Aufpreis (3,99 Euro, die dem Vogelschutz zugutekommen) erhältlich. 380 Arten sind erfasst, es gibt auch eine Bestimmungsfunktion.

Der Kosmos-Verlag in Stuttgart ist, was Bücher über Vögel betrifft, üppig ausgestattet. Der Titel: „Was fliegt denn da“ (14,99 Euro) ist ein Klassiker. Auch dazu lässt sich eine kostenlose App herunterladen, die 150 Vogelstimmen und 2000 Filme enthält. Neu auf dem Markt ist das handliche Bestimmungsbuch: „Gartenvögel – lebensgroß. Die 60 häufigsten Vögel“ (9,99 Euro), zu dem es ebenfalls eine Verlags-App gibt.

Der BLV-Verlag aus München bietet mit seinem „Erlebnis-Guide Vögel“ ein übersichtliches Nachschlage- und Bestimmungswerk an. Jeder aufgeführte Vogel ist mit einem QR-Code versehen, über den sein Gesang abrufbar ist. (skl)

Der Frühaufsteher unter den Vögeln ist der Gartenrotschwanz, ein besonders schönes, buntes Tier, der kurze wehmütige und schwatzende Strophen von sich gibt. „Wenn in der tiefen Finsternis Gesang zu hören ist, dann singt ein Gartenrotschwanz – er ist immer der Erste, daran kann man sich orientieren“, sagt Heinz Kowalski, Ornithologe und stellvertretender Vorsitzender des Naturschutzbundes Deutschland, Abteilung NRW. 80 Minuten vor dem Sonnenaufgang startet der Gartenrotschwanz mit seinem Lied, das wäre an diesem Samstag also etwa gegen 5.25 Uhr.

Gleichwohl handelt es sich bei dem Tier um einen seltenen Vogel, erzählt Kowalski: „Man muss Glück haben, wenn man ihn mal in einem Obstgarten zu hören oder zu sehen bekommt.“ Häufiger tummeln sich Hausrotschwänze in den Gärten, sie stimmen als zweite Vogelart in den tierischen Chor ein.

Gesang zur Balz und Revierabgrenzung

Die Vögel singen nicht nur aus einer Laune heraus, die stimmliche Präsenz hat stattdessen zwei für sie wichtige Gründe, wozu man wissen muss, dass es fast nur die Männchen sind, die singen. Zum einen dient der Gesang der Balz: „Je lauter und schöner ein Vogel singt, desto größer sind seine Chancen, ein Weibchen auf sich aufmerksam zu machen“, sagt Kowalski.

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Zudem grenzen die Vögel mit ihrem Gezwitscher ihr Revier ab und machen deutlich, dass es besetzt ist – wildert ein Artgenosse in einem annektierten Territorium, wird er auf rabiate Art und Weise vertrieben. „Gleichwohl gibt es natürlich auch Vögel, die einfach nur so vor sich hinsingen. Aus Spaß. Das ist dann ein Zeichen dafür, dass es ihnen richtig gut geht, dass sie sich sehr wohlfühlen“, erzählt Kowalski.

Singen als Tagesaufgabe

Der Gesang der Vögel setzt schon früh im Jahr ein, „meist mit der Jahreswende“, sagt Kowalski, und er hält an bis in den Juli, wenn die letzte Brut flügge geworden ist. Der August und September, erzählt Kowalski, sei in Bezug auf zwitschernde Vögel wiederum „die ruhigste Zeit“.

Das Singen ist für die Tiere eine Tagesaufgabe, sie zwitschern, bis es wieder dunkel wird. „In der Mittagszeit wird das in der Regel weniger. Sie brauchen Pausen und müssen auch mal Nahrung suchen“, sagt Kowalski. Gegen Abend jedoch setzt erneut ein Konzert ein, dessen Lautstärke aber nicht so intensiv ist wie am frühen Morgen.

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