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Getöteter Junge in Detmold15-Jährige spricht von „tiefer Abneigung“ gegen Halbbruder

Lesezeit 3 Minuten
Detmold Tatort

Eine Polizistin steht im Garten des Mehrfamilienhauses, in dem eine 15-Jährige ihren Bruder getötet haben soll.

Bielefeld – Eine 15-Jährige soll in Detmold bei Bielefeld ihren drei Jahre alten Halbbruder getötet haben. Eine Nacht lang war die Jugendliche nach Angaben der Ermittler auf der Flucht, bevor sie am Donnerstagvormittag im benachbarten Lemgo festgenommen wurde.

Nach Erkenntnissen der Ermittler ist der Junge am Mittwochabend im Schlaf mit 28 Messerstichen umgebracht worden. Das habe die Obduktion ergeben, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag mit. „Es wird davon ausgegangen, dass das Opfer zum Zeitpunkt der Tatbegehung schlief.“

Die 15 Jahre alte Halbschwester hat die Tat in den Vernehmungen nicht bestritten, sich zugleich aber auf Erinnerungslücken berufen. Sie halte sich allerdings selbst für die Täterin, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. „Als Motiv für die Tat ist davon auszugehen, dass die Beschuldigte in einem schwierigen familiären Umfeld lebte und eine tiefe Abneigung gegen den Halbbruder entwickelt hat“, hieß es. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließt das Amtsgericht Detmold Haftbefehl wegen Mordes.

Entscheidender Tipp am Donnerstagmorgen

Angehörige hätten die Leiche des dreijährigen Jungen am Mittwoch gegen 21.00 Uhr in der Wohnung gefunden und die Polizei alarmiert. Von seiner großen Halbschwester fehlte jede Spur. Die Behörden leiteten daraufhin eine Fahndung ein, Streifenbeamte, Diensthunde und ein Hubschrauber waren im Einsatz.

Doch erst am Donnerstagmorgen, nachdem die Behörden ein Foto der jungen Frau veröffentlicht und um Hinweise aus der Bevölkerung gebeten hatten, gab ein Zeuge im benachbarten Lemgo den entscheidenden Tipp. Als ein Beamter die 15-Jährige festnahm, habe sie keinen Widerstand geleistet. Sie sei in „ruhiger Verfassung“ gewesen, sagte Imig. Wo die Verdächtige die Nacht verbracht hatte und wie sie nach Lemgo gekommen war, blieb zunächst unklar. Die Familie, die aus Polen stamme, werde betreut.

Der Tatort liegt in einer Wohnsiedlung am nördlichen, leicht hügeligen Rand der 70 000-Einwohner-Stadt Detmold. Graue Mietshäuser wechseln sich mit kleineren Reihenhäusern ab. Die Polizei war auch am Morgen nach der Tat mit mehreren Streifenwagen am Tatort, Beamte bezogen rund um das Haus Stellung. Anwohner waren kaum unterwegs. In den Fenstern der Wohnung der Familie hingen Gardinen, Kunstblumen waren der einzige Schmuck. Vor der Tür hatten Menschen einige Kerzen und Blumen in Gedanken an den getöteten Dreijährigen abgelegt.

Taten in Deutschland extrem selten

Die Leiche sollte noch am Donnerstag obduziert werden. Bei der Kripo wurde eine 15-köpfige Mordkommission eingerichtet. Die Ermittler wollten sie am Donnerstag oder Freitag einem Haftrichter vorführen. Vergleichbare Fälle, bei denen Kinder oder Jugendliche ihre Geschwister getötet haben, sind in Deutschland extrem selten. Vor über zehn Jahren soll im April 2009 ein 16-Jähriger in der Nähe von Darmstadt seinen sechsjährigen Bruder umgebracht haben. Als Motiv gab er Hass auf seinen jüngeren Bruder an.

Im August 2015 tötete eine Sechsjährige im Ilmkreis in Thüringen wohl ihre erst zehn Tage alte Schwester. Im Landkreis Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) erschoss ein 14-Jähriger im September 2001 im Wohnhaus der Familie seine Mutter und die siebenjährige Halbschwester - er wurde zu acht Jahren Haft verurteilt.

Ermittlungen gegen Kinder und Jugendliche wegen Tötungsdelikten gibt es hingegen immer wieder. Für das Jahr 2018 weist die polizeiliche Kriminalstatistik allein in Nordrhein-Westfalen 35 Tatverdächtige zwischen 14 und 17 Jahren aus, gegen die wegen Mordes oder Totschlags ermittelt wurde. Drei Tatverdächtige waren sogar noch unter 14 Jahre alt. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr relativ stark, ohne dass sich im Zehn-Jahres-Vergleich ein klarer Trend ablesen ließe.

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