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Interview mit HistorikerinHype um royale Hochzeiten hat ein Deutscher erfunden

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Karina Urbach mit Prinz Philip

Karina Urbach mit Prinz Philip

Köln – Dr. Karina Urbach (49) ist eine deutsche Historikerin mit den Forschungsschwerpunkten britisches Königshaus und deutsch-britische Beziehungen. Zur Zeit arbeitet sie an der US-Universität Princeton.

Frau Urbach, was halten Sie von der Aufregung rund um die Hochzeit?

Das ist vor allem eine wunderbare PR-Gelegenheit für das Königshaus, sich modern und jung zu zeigen und andere Probleme erst einmal vergessen zu machen.

Aber reine PR ist es ja nicht – jedenfalls scheinen sich Harry und Meghan wirklich zu mögen.

Ja, aber solche Ereignisse werden klug genutzt. Das macht das britische Königshaus seit Jahrhunderten perfekt. Der Pomp, die schönen Kleider, die Kutschen. Es gibt ja das Shakespeare-Zitat: „Was haben Könige, was der gemeine Mann nicht hat? Es sei denn die Zeremonien, die großen Zeremonien.“

Da ist die katholische Kirche nichts dagegen. Das ist ein bisschen wie in einem Film oder eine Soap Opera. Da wird immer wieder etwas gebracht, worauf man warten kann. Ein neues Baby, dann der Name für das Baby, dann die Hochzeit und vielleicht bald wieder ein Baby. Nicht umsonst sind ja auch Serien wie „The Crown“ derzeit sehr beliebt.

Wann hat diese Art der Inszenierung begonnen?

Es begann im 19. Jahrhundert mit Queen Victoria und ihrem deutschen Prinzgemahl Albert. Das Königshaus war damals sehr unpopulär. Albert war ein begeisterter Fotograf und kam auf die Idee: Wir müssen das alles medienwirksamer inszenieren. Glamour bieten, aber auch bürgerliche Werte repräsentieren, die Familie nach außen hin als volksnah darstellen. Dazu gehörte auch das öffentliche Bekunden der Liebe. Die Liebesheirat ist ja ein bürgerliches Ideal, kein monarchisches.

Da war also alles eine deutsche Idee?

Ja, wir haben dank Prinz Albert das Copyright, das haben die Briten nur vergessen (lacht).

Aber auch die Liebesgeschichte von Victoria und Albert war ja echt?

Ja, die beiden haben sich wohl sehr geliebt. Obwohl Victoria doch noch etwas mehr an ihm interessiert war als er an ihr. Für ihn war es auch eine strategische Verbindung, er war nur der zweite Sohn aus einem recht armen Herzogtum und hatte die Chance, die reichste Frau Europas zu heiraten. Wer kann da widerstehen? Sie war aber wirklich sehr verliebt in ihn. Es war eine hormonelle Entscheidung – das schrieb sie auch in ihren Tagebüchern. Wie schön es sei, ihn anzuschauen ...

Warum sind vor allem auch wir Deutschen so angetan vom Königshaus. Ist es, weil wir selbst keines mehr haben?

Ja, es ist schon eine Art Kompensation. Wir haben 1918 unsere Monarchie aufgegeben – und das war absolut notwendig. Wir haben aber trotzdem noch die Sehnsucht nach einer überparteilichen Institution, nach Menschen, die man bewundern kann, die in nichts Politisches verstrickt sind.

Dabei ist die Queen gar nicht so unpolitisch. Es ist ein sehr national denkendes Königshaus. Erst kommt Großbritannien, dann das Commonwealth und dann lange nichts. Das Commonwealth ist ja eigentlich eine positivere Fortsetzung des Kolonialreichs. Und erst vor kurzem hat die Queen dafür gesorgt, dass nach ihrem Tod Charles den Vorsitz des Commonwealth übernimmt – obwohl die Mitgliedsländer eigentlich über ein rotierendes Prinzip gesprochen haben, vor allem Indien hatte das vorgeschlagen. So modern ist das Königshaus also doch nicht. Der Machterhalt geht immer vor!

Kennen Sie ein Mitglied des Königshauses?

Ja, ich habe einmal vor etwa zehn Jahren bei einem Dinner der Deutschen Botschaft neben Prinz Philip gesessen. Er ist charmant und ein ziemlicher Schwerenöter. Ein Mann des 19. Jahrhunderts: Als wir über die Ausbildung von Frauen sprachen, haben wir uns ganz schön gestritten.

Bei diesem Familienhintergrund ist es doch eigentlich ein Wunder, dass eine so normale Enkelgeneration herausgekommen ist.

Ja, das ist erstaunlich. Diana scheint wirklich eine tolle Mutter gewesen zu sein. Normalerweise sieht man in dieser Schicht seine Eltern selten. Vielleicht waren auch einige sehr gute Nannys für die Kinder da.

Nun also Meghan und Harry. Hat die Hochzeit auch noch eine strategische Bedeutung?

Bis 1914 waren solche Hochzeiten vor allem Mittel in der Außenpolitik, um Macht zu sichern und zu vergrößern. Heute haben sie innenpolitische Bedeutung. Man will die Bevölkerung unterhalten, man will zeigen, dass das Königshaus noch relevant ist und fit für die Moderne. Geradein Zeiten des Brexits möchte man sich weiter als große Nation darstellen und gegen das ganze Niedergangsgerede arbeiten.

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Ist Meghan die perfekte Prinzessin für das 21. Jahrhundert? Eine Amerikanerin mit farbiger Mutter, die Ehe der Eltern gescheitert, sie selbst geschieden und Schauspielerin.

Sie kommt aus einer ebenso zerrütteten Familie wie Harry. Die beiden können sich gegenseitig helfen. Interessant ist ja auch, dass nicht – wie man klischeehaft denken würde – die farbige Hälfte von Meghans Familie das Problem ist, sondern die weißen Verwandten: Der Halbbruder mit dem Alkoholproblem und die keifende Halbschwester.

Wird Meghan dem Königshaus einen Sympathieschub geben?

Ja, sie wird erst einmal sehr zur Beliebtheit beitragen. Nach der Hochzeit werden die Leute eine Weile gesättigt sein. Aber für Meghan Markle wird das nicht einfach werden. Es ist sehr schwierig, in dieser Familie zu überleben. Das ist ein monotoner Fulltime-Job. Es wird erwartet, dass man sich nie gehen lässt. Man denke nur an Kate, die kurz nach der Geburt des dritten Kindes schon wieder perfekt vor die Kameras trat.

Irgendwann wird es also mal wieder vorbei sein mit der Schwärmerei?

Spätestens, wenn die Queen stirbt, wird es kompliziert, weil Charles beim Volk nicht besonders beliebt ist. Das wird einen großen Einbruch geben.

Halten Sie es für möglich, dass die Queen ihren Sohn Charles übergeht und direkt an William übergibt?

Nein, das ist nicht wahrscheinlich. Charles hat schon seit Jahren seinen Stab in Stellung gebracht. Er will diesen Job unbedingt.

Werden Sie die Hochzeit schauen?

Nein, ich habe unseren Fernseher abgeschafft, das Programm war gesundheitsschädigend. Aber die Amerikaner nehmen das sehr wichtig, die haben Riesenteams rübergeschickt. Es ist nun malihre Prinzessin.

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