Katastrophe auf HaitiZahl der Toten steigt auf fast 2000 – Tropensturm fegt über Land

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Regenschirm Haiti

Eine Person schützt sich mit einem Schirm vor Regen. Das Erdbeben hat zahlreiche Häuser zestört.

Saint-Louis-du-Sud – Nach dem Erdbeben ist die Zahl der Toten fast 2000 gestiegen. Gleichzeitig ist ein Sturm mit starkem Regen über das betroffene Gebiet im Süden Haitis hinweggefegt. „Grace“ erstarkte in der Nacht zum Dienstag (Ortszeit) laut US-Hurrikanzentrum von einem Tiefdruckgebiet zu einem Tropensturm und zog mit anhaltenden Windgeschwindigkeiten um die 65 Stundenkilometer über den Süden der Insel Hispaniola hinweg, auf der Haiti und die Dominikanische Republik liegen.

Videos in sozialen Medien zeigten überschwemmte Straßen. Auf der vom Erdbeben am Samstag schwer getroffenen Halbinsel Tiburon, wo Zehntausende Menschen obdachlos geworden waren, stand das Wasser stellenweise knöchelhoch, wie auf Bildern zu sehen war. Die Bewohner der Gegend, von denen viele bisher im Freien schliefen, suchten etwa in Zelten und unter Planen notdürftig Schutz.

Schlamm oder rissige Gebäude

In dem vom Erdbeben beschädigten allgemeinen Krankenhaus von Les Cayes - mit einer Bevölkerung von etwa 90.000 Menschen die größte Stadt im betroffenen Gebiet - waren Patienten zunächst im Innenhof untergebracht worden. Wegen des Regens wurden sie aber hineingebracht, wie der Journalist Frantz Duval auf Twitter berichtete. „Das Dilemma an diesem Morgen: der Schlamm im Freien oder das rissige Gebäude - wo ist man besser geschützt“, schrieb er.

Nach dem starken Erdbeben in Haiti hat sich die Zahl der Toten auf fast 2000 erhöht. Nach Angaben der Zivilschutzbehörde vom Dienstag starben 1941 Menschen, mehr als 9900 Menschen wurden verletzt. Durch das Beben der Stärke 7,2 wurden am Wochenende mehr als 60.000 Häuser zerstört und 76.000 weitere Gebäude beschädigt, wie die Behörde weiter mitteilte.

Das Beben der Stärke 7,2 hatte sich am Samstagmorgen (Ortszeit) nahe der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud östlich von Les Cayes in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Gut 37 000 Häuser wurden nach Angaben der Zivilschutzbehörde zerstört, fast 47 000 beschädigt. Nach Unicef-Angaben waren 1,2 Millionen Menschen betroffen. Die Not war groß in dem Gebiet, das fünf Jahre zuvor von Hurrikan „Matthew“ verwüstet worden war. Laut Caritas International wurden Nahrung, Trinkwasser, Zelte und medizinische Erstversorgung benötigt.

220.000 Tote bei Beben 2010

In Haiti, dem ärmsten Land Amerikas, waren bei einem Erdbeben der Stärke 7,0 im Januar 2010 mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen und mehr als eine Million Menschen obdachlos geworden. Der Wiederaufbau litt stark unter Korruption und Verschwendung.

Fehlende oder beschädigte Infrastruktur drohte die Hilfs- und Rettungseinsätze nach dem neuen Beben zu behindern. Auch wegen Kämpfen zwischen Banden um Territorium ist die Fernstraße, die die Hauptstadt Port-au-Prince mit Haitis Süden verbindet, häufig unpassierbar. Diese Gewalt trieb allein im Juni nach UN-Zahlen rund 15 000 Menschen in die Flucht.

Die haitianische Menschenrechtsorganisation RNDDH kritisierte den Umgang der Regierung mit der Katastrophe als „totales Chaos“. „Sie sind völlig sich selbst überlassen“, hieß es hinsichtlich der Erdbebenopfer. Einige suchten auf eigene Faust nach Zelten zum Schutz vor dem Unwetter. Vor personell unterbesetzten und schlecht ausgestatteten Krankenhäusern warteten verzweifelte Verletzte.

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Interims-Premierminister Ariel Henry kündigte bei Twitter schnellere Arbeit an. „Wir werden unsere Energien verzehnfachen, um die größtmögliche Zahl von Opfern zu erreichen und ihnen zu helfen“, schrieb er. Henry ordnete auch drei Tage Staatstrauer ab Dienstag an.

Haitis ohnehin schwer unterfinanziertes Gesundheitssystem ist durch die sich zuletzt verschlimmernde Pandemie überstrapaziert. Hinzu kommt eine tiefe politische Krise, die sich nach der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse durch eine Kommandotruppe in seiner Residenz am 7. Juli verschärft hat.

„Grace“ nahm am Dienstagmorgen (Ortszeit) an Stärke zu und zog weiter Richtung Jamaika. Ein tropischer Wirbelsturm gilt ab 119 Kilometern pro Stunde als Hurrikan. (dpa/afp/red)

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