Kein Platz mehr auf DeponienRom versinkt im eigenen Dreck

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Müllsäcke liegen auf einem römischen Bürgersteig.

Müllsäcke liegen auf einem römischen Bürgersteig.

Rom – Signora Emma aus der Nachbarschaft hat ihren Müll einmal rund um den Häuserblock in Roms Stadtviertel Monteverde getragen. Von einem „Cassonetto“, wie die grauschwarzen Container am Straßenrand genannt werden, zum nächsten. „Alle sind randvoll“, schimpft die Rentnerin.

Am Ende sei ihr nichts übrig geblieben, als ihre Tüten auf die Straße zu stellen. Neben den Containern stapeln sich meterhohe, stinkende Berge von blauen, schwarzen, gelben Säcken und Kartons, aus denen Essensreste quellen. Die Möwen machen sich kreischend darüber her, der Wind verteilt Abfälle in den Straßen.

Müllproblem ist Dauerthema

Das Müllproblem ist ein Dauerthema. Seit Jahren gilt Italiens Hauptstadt als eine der dreckigsten Metropolen Europas. Doch ausgerechnet in diesen heißen Sommerwochen hat sich die Lage extrem zugespitzt. „So schlimm war es noch nie!“, lautet die einhellige Klage der Römer. Und nicht nur Signora Emma schimpft: „Alles die Schuld von Raggi!“

Gemeint ist Bürgermeisterin Virginia Raggi von der Protestbewegung Fünf Sterne. Die Römer hatten sie im Juni 2016 gewählt, weil sie wütend waren über jahrzehntelange Misswirtschaft, marode öffentliche Verkehrsmittel, Dreck. Raggi versprach aufzuräumen.

Metrostationen geschlossen

Doch nach drei Jahren Amtszeit der Bürgermeisterin scheint alles noch schlimmer. Mehrere Metrostationen im Zentrum sind geschlossen, weil die Rolltreppen nicht funktionieren. Es fahren zu wenig Busse. Straßen und Bürgersteige sind löchriger denn je, Grünanlagen verwildern. Und Korruptionsskandale in der Stadtverwaltung gibt es wie eh und je. Selbst Papst Franziskus klagte kürzlich, Rom leide unter Verfall und Verwahrlosung.

Und keiner weiß, wohin mit dem Müll der 2,8-Millionen-Stadt. Die städtischen Abfallbetriebe Ama müssten eigentlich täglich 3000 Tonnen Abfälle einsammeln. Doch seit längerem schon bleiben davon jeweils 650 Tonnen davon liegen, weil es keinen Platz mehr gibt auf Deponien und in den wenigen Müllverarbeitungsanlagen.

Entsorgungsengpässe gibt es, seit Raggis Vorgänger Ignazio Marino und die Region Latium 2013 die größte Mülldeponie Europas in Malagrotta am Rande Roms schließen ließen. Sie war nach europäischen Umweltstandards illegal.

Fünf Sterne gegen neue Anlagen

Alternativen wurden seither aber keine geschaffen. Neue Verbrennungsanlagen lehnen die Fünf Sterne ab. Raggi setzt auf Mülltrennung und die Wiederverwertung von Abfällen. Doch die Mülltrennungsquote liegt bei nur 44 Prozent. Und die Römer produzieren laut Umweltverband Legambiente mit 587 Kilogramm jährlich pro Kopf deutlich mehr Müll als andere Großstädter. In Berlin sind es 394 Kilo, in Madrid 328.

Der Ärzteverband und die Gesundheitsbehörden schlugen vergangene Woche Alarm. Das Risiko bakterieller Infektionen steige, warnten sie. Ratten, Katzen, Hunde und Vögel könnten Erreger und Parasiten verbreiten. Italiens Umweltminister Sergio Costa und die Region Latium stellten ein Ultimatum. Innerhalb von zwei Wochen müsse der Müll weg. Nun dürfen die Abfälle der Hauptstadt vorübergehend in mehrere Anlagen außerhalb der Provinz geschafft werden. Das große Aufräumen hat begonnen. Und Raggi verhandelt mit Schweden, das Rom einen Teil seiner Abfälle abnehmen will.

Im historischen Zentrum ist es inzwischen wieder halbwegs sauber. Doch in weniger zentralen Wohngegenden und an der Peripherie stapeln sich immer noch stinkende Abfallberge.

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