Leverkusener Al-Zein-ClanWie die Hartz-IV-Familie zum Range Rover gekommen sein soll

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Razzia LEV1

Polizisten bewachen ein Haus in Rheindorf, das im Juni 2021 durchsucht wurde und einem Clan gehören soll.

Leverkusen – Ein Brunnen im Garten stände der Villa in Leverkusen-Rheindorf sicherlich gut zu Gesicht. Interessiert hörte der Hausherr nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeigers bei einer Freundin nach, ob diese nicht solch einen Wasserspender aus Marokko mitbringen könne? Aus einem Versicherungsgeschäft rechnete der rheinische Boss des kurdisch libanesischen Al Zein-Clans mit 8500 Euro. Da seien auch 3500 Euro für die Freundin drin. Badia Al Zein erkundigte sich ferner, ob seine Bekannte ebenfalls Sozialhilfe erhalte? Die Antwort ist nein. Leider habe sie schon mal eine Privatinsolvenz hingelegt.

Der Clan-Chef schien da besser aufgestellt gewesen zu sein. Zwischen 2015 und Ende 2020 sollen er, seine Frau und die Kinder mehr als 209.000 Euro Hartz-IV-Zuwendungen zu Unrecht kassiert haben. So lautet der Vorwurf von Polizei und Staatsanwaltschaft, die im Juni zu einer großangelegten Razzia schritten und die Leverkusener Hauptbeschuldigten verhafteten.

Clan-Familie führt Jobcenter Leverkusen hinters Licht

Der erstgeborene Sohn Sehmus Al Zein soll das Jobcenter Leverkusen mit seiner Familie im selben Zeitraum um gut 118.000 Euro erleichtert haben. Termine bei der Behörde zwecks Arbeitssuche schien er offenbar geschickt zu vermeiden. Den Erkenntnissen zufolge erzählte er einer Sachbearbeiterin, dass er nicht erscheinen könne, weil er unter Migräne leide. Außerdem prahlte er gegenüber einer Gesprächspartnerin, dass er einen Arzt kenne, der ihn arbeitsunfähig schreibe.

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Bei Er­mitt­lun­gen gegen Clan­kri­mi­na­li­tät durch­su­chten Spe­zi­al­kräfte der Polizei rund 30 Objekte in Nord­rhein-West­fa­len, u.a. eine Villa der Al-Zein-Familie.

Zeitweilig soll auch der drittälteste Al Zein-Spross Mohamed, genannt Hammoude, illegal staatliche Stütze erhalten habe, ehe er zum Schein einen Job angenommen hatte. Dadurch konnte er den Kauf des Leverkusener Anwesens finanzieren. Ein Teil der Kaufsumme wurde in bar aufgebracht, den Rest finanzierte Hammoude über ein Baufinanzierungsdarlehen. Offiziell vermietete er das Objekt an seine Familie. Die Miete wurde durch staatliche Sozialleistungen beglichen. Damit konnte der Sohn zu 90 Prozent die Kreditraten für den Hauskauf bedienen. Das heißt: Indirekt finanzierte die Öffentliche Hand dem betrügerischen Clan den Erwerb der Immobilie.

Großfamilie dreht das große finanzielle Rad

Dabei drehte die Großfamilie seit Jahren das große finanzielle Rad. Über Strohleute versuchte der Clan laut den Strafverfolgern kriminelle Gewinne zu waschen. So soll der Erstgeborene Sehmus im Auftrag seines Vaters über einen deutschen Geschäftsmann Geld zu Wucherzinsen verliehen haben. In abgehörten Telefonaten ist von zehn bis 15 Prozent pro Monat die Rede. Wenn der Schuldner nicht pünktlich zahlte, drohte man mit Prügel.  Sehmus soll eine Gewinnbeteiligung an dem illegalen Kreditgeschäft von bis zu 40 Prozent verlangt haben.

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Der sichergestellte Mercedes

Die Nachforschungen der Polizei legen nahe, dass die Al Zeins auf zahlreiche Mittelsmänner zurückgreifen konnten, um ihre dubiosen Deals durchzuziehen. Als das Familienoberhaupt sich für einen Range Rover zum Preis von 146.000 Euro interessierte, kam ein türkischer Geschäftspartner ins Spiel. Über ihn steckte die Sippe eine halbe Million Euro in eine Immobilienfirma. Aus anderen ominösen Quellen flossen weitere Einlagen in sechsstelliger Höhe.

Raten für den Range Rover in Höhe von 1400 Euro im Monat

Das Bau-Unternehmen wiederum soll unter anderem die Ratenzahlung für den Rover in Höhe von 1400 Euro im Monat übernommen haben. Die Firma bildete - so der Verdacht - eine legale Fassade, um Schwarzgeld durchzuschleusen.

Im Gegenzug für das Investment sollen pro Monat neun bis 10.000 Euro an die Leverkusener Al Zeins zurückgeflossen sein. Zudem soll die Firma auch Reparaturen an der Rheindorfer Familien-Villa übernommen haben.

Eigentumswohnungen im Wert von mehr als 500.000 Euro

Gefüttert durch das Clan-Kapital stieg der mitbeschuldigte türkische Geschäftsführer in das Immobiliengeschäft ein. So warb die Firma mit dem Verkauf von 21 Wohnungen. Von September 2020 an sollten Eigentumsquartiere im Wert von mehr als einer halben Million entstehen. Überdies wollte man acht Häuser errichten und ertragreich veräußern. Der Chef bat die Clanspitze, das Areal vorher zu besichtigen. Vermutlich wollte sich da jemand grünes Licht geben lassen. Zugleich soll das Bau-Unternehmen per Briefgrundschuld zwei Grundstücke an den Clan abgetreten haben.

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Die Geschäfte liefen so gut, dass Badia Al Zein laut Staatsanwaltschaft ein Mercedes-Cabrio für 105.000 Euro erworben haben soll. Das Auto lief zum Schein über eine Vermietungsfirma. Ohnehin hegte der Clan einen Faible für teure Automarken. Mal ging es um den Erwerb eines AMG-Mercedes, mal um den Verkauf eines Modells für 150.000 Euro. Monate später registrierten die Strafverfolger den Ankauf eines Porsches für 88.000 Euro und eines Ferraris für 240.000. Allerdings ist noch unklar, ob dieser Deal tatsächlich zustande kam.

Clan bezieht Geld aus Autovermietungsgeschäft

Außerdem stiegen die Al Zeins ins Autovermietungsgeschäft ein. Sohn Hammoude sagte bei der Gründung der Firma: Man habe 25.000 Euro eingezahlt. Für 150.000 Euro werde man Autos erwerben, und nach anderthalb Jahren seien die Fahrzeuge abbezahlt. „Das ist dann der Gewinn.“

Sein Vater plauderte am belauschten Telefon im Juni 2020 offen über Einnahmen aus einem Wettbüro in Höhe von 300.000 oder 400.000 Euro.

Clan soll 1,5 Millionen Euro bewegt haben

Weitere Einkünfte in Höhe von 600.000 Euro wurden aus Geschäften mit einer Gesellschaft für medizinische Artikel erwartet. Die Ermittler gehen hier dem Verdacht nach, dass über dieses Unternehmen in der Corona-Hochphase minderwertige Schutzhandschuhe im großen Stil veräußert worden sein könnten. Allein im vergangenen Jahr soll der Clan 1,5 Millionen Euro bewegt haben.

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