Mädchen in Kandel erstochenBürgermeister warnt vor Fremdenhass und Pauschalisierung

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Zwei Handflächen mit der Aufschrift "Mia warum?" und eine Rose liegen vor dem Drogeriemarkt in Kandel, in dem am Mittwoch ein 15-jähriges Mädchen erstochen worden ist.

Kandel – Nach dem tödlichen Angriff auf eine 15-Jährige in Kandel haben Politiker und Experten vor Fremdenfeindlichkeit und Pauschalisierung gewarnt. Auch wenn es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling gehandelt habe, sei vorschnelles Handeln oder übereifrige Kritik fehl am Platz, sagte Volker Poß (SPD), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kandel, am Freitag dem Südwestrundfunk (SWR).

Poß habe bereits vereinzelte, besorgte E-Mails erhalten: „Da ist von Politikversagen die Rede. Da macht das Wort Abschiebung die Runde und es werden Konsequenzen im Umgang mit Flüchtlingen eingefordert.“ Fremdenfeindlichkeit, bekräftigt Poß, sei im Moment der falsche Weg. Im Vordergrund stehe das Mitgefühl für die Familie des getöteten Mädchens.

Nach Angaben der Oberstaatsanwaltschaft habe der junge Afghane das Opfer aus der Schule gekannt und mit ihm eine mehrmonatige Beziehung geführt. Deren Schluss habe der Jugendliche nicht verkraftet, berichtete der Vater des getöteten Mädchens der „Bild“-Zeitung. Der mutmaßliche Täter habe begonnen, seine Ex-Freundin zu stalken. „In solchen Fällen wird gerne das Ehrenthema bemüht.

Aber wir müssen aufpassen, wir wissen es nicht, wir können nicht in den Kopf des Jugendlichen schauen“, sagte die Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, Theresia Höynck, der Deutschen Presse-Agentur. Möglicherweise habe er in seiner Heimat oder während der Flucht schlimme seelische Verletzungen erlitten.

Die Eltern des Opfers hatten laut SWR schon Mitte Dezember Anzeige wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung gegen den jungen Mann erstattet. Laut eigenen Angaben der Polizei, war der 15-Jährige zu diesem Zeitpunkt bereits wegen einer mutmaßlichen Körperverletzung auffällig geworden. Die Beamten sollen nach der Anzeige den Kontakt mit dem Jungen gesucht und ihn ermahnt haben. Am Tag der Tat habe er laut „Focus Online“ eine Vorladung wegen der Strafanzeige persönlich ausgehändigt bekommen.

Täter käme in deutsche Haft

Voß wollte noch keine konkreten Aussagen zur Arbeit der Polizei in dem Fall machen: „Ich kann mir im Moment kein Urteil erlauben, ob die Polizei zu spät eingegriffen hat. Ich denke nicht.“

Bei einer Verurteilung müsste der mutmaßliche Täter mit Haft in Deutschland rechnen. Der Sprecher des rheinland-pfälzischen Justizministeriums, Christoph Burmeister, sagte am Freitag über den 2016 nach Deutschland eingereisten Tatverdächtigen: „Wenn er in Deutschland wegen einer Tat in Deutschland verurteilt werden würde, dann würde die Strafe auch in Deutschland vollstreckt – unabhängig von seinem aufenthaltsrechtlichen Status.“

Selbst wenn der Verdächtige ausreisepflichtig wäre, ergänzte Burmeister, wäre der Strafanspruch des deutschen Staates vorrangig. „In solchen Fällen ist es üblich, dass ein großer Teil der Haftstrafe in Deutschland vollstreckt wird und sodann die Abschiebung noch aus der Haft heraus erfolgt“, sagte der Sprecher. „Der Haftbefehl für den Rest der Strafe bliebe aber offen. Damit würde man vermeiden wollen, dass er nach Deutschland zurückkäme.“ Solche offenen Haftbefehle gebe es häufig.

Noch allerdings laufen die Ermittlungen und es gilt die Unschuldsvermutung. Gegenwärtig sitzt der Beschuldigte in einer Jugendstrafanstalt in Untersuchungshaft. Er hat sich laut Staatsanwaltschaft vorerst nicht zu der Tat geäußert. Das deutsche Mädchen war am Mittwoch in einem Drogeriemarkt im pfälzischen Kandel mit einem Küchenmesser erstochen worden. (jl, mit dpa)

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