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Mord vor 23 JahrenKinder töteten 16-jährige Andrea Lohagen

Lesezeit 4 Minuten
Belzig

Ein 23 Jahre alter Mordfall in Bad Belzig ist aufgeklärt worden (Symbolbild).

23 Jahre lang suchten die Ermittler nach dem Mörder von  Andrea Lohagen aus dem brandenburgischen Belzig. 23 Jahre lang hofften die Eltern des Mädchens, endlich eine Antwort zu bekommen auf ihre Frage „Warum?“ Am Dienstagnachmittag gab die Polizei bekannt: Wir wissen, wer die damals 16-Jährige im Jahr 1993 umgebracht hat. Doch dieses Wissen wird kein juristisches Nachspiel haben, denn die mutmaßlichen Täter  sind inzwischen tot – und gegen Tote wird nicht ermittelt.

Der eine Tatverdächtige, ein 37-Jähriger, starb im Mai eines natürlichen Todes. Er war zur Tatzeit gerade einmal 14 Jahre alt. Sein Komplize und Freund, der zur Zeit des Mordes auch erst 13 Jahre alt war, nahm sich Ende Oktober das Leben, nachdem die Ermittler ihn zu dem 23 Jahre alten Fall noch einmal befragt hatten.

Am Abend verschwunden

Andrea Lohagen verschwand am 7.Oktober 1993. Es war der vorletzte Tag der Herbstferien. Das Mädchen war an diesem Tag mit den Eltern  in einem  nahegelegenen Einkaufszentrum shoppen. Die Schülerin einer elften Klasse  hatte eine neue Levis-Jeans und Plateauschuhe bekommen, die sie noch am Abend ihren Freundinnen zeigen wollte. Nach dem Abendessen verabschiedete sich das Mädchen  von den Eltern. Die 16-Jährige machte sich auf den Weg ins „Pogo“, einem Jugendzentrum in Belzig. Der Klub liegt nur 15 Gehminuten von  ihrem Elternhaus entfernt.

Um 22 Uhr sollte Andrea  wieder zu Hause sein. Doch sie kam niemals im Jugendklub  an.  Das ergaben die neuesten Ermittlungen. Schon auf dem Weg dorthin muss sie ihren Mördern begegnet sein. Ihre Eltern warteten vergebens auf ihre Tochter. Noch in der Nacht erstatteten sie  Vermisstenanzeige. Doch Andrea blieb verschwunden.

Schon damals gerieten die 13 und 14 Jahre alten Jungen in Verdacht, etwas mit ihrem Verschwinden zu tun zu haben. Sie waren die letzten Personen, die Andrea Lohagen lebend gesehen haben müssen. Doch nachweisen ließ sich das damals nicht. Schon bald gingen die Ermittler von einem Tötungsverbrechen aus. Doch die Leiche der Jugendlichen blieb verschwunden. Sieben lange Jahre, in denen die Eltern hofften und bangten.

Schädel der Jugendlichen in Belzig gefunden

Am 9. Juli 2000 fand ein Golden Retriever auf einem verwahrlosten Grundstück in der Karl-Liebknecht-Straße in Belzig den Schädel der Jugendlichen. Er lag hinter einem verwitterten Schuppen zwischen Holzgerümpel.  Der Hundehalter alarmierte die Polizei. Erst einen Tag später entdeckten  die Fahnder den skelettierten Torso der Schülerin. Anhand des Zahnstatus konnten Gerichtsmediziner zweifelsfrei feststellen: Die Tote war Andrea Lohagen. Ihre Kleidung – unter anderem die neue Jeans, ein Gürtel mit einer auffälligen Blumenschnalle  und die Plateauschuhe – blieben verschwunden.

„Auch damals gerieten die Jugendlichen wieder ins Visier der Ermittler“, sagte Polizeisprecher Torsten Herbst am Dienstag der Berliner Zeitung. Doch der Tatverdacht habe nicht ausgereicht, die Ermittlungen gegen sie  wurden eingestellt.

Im Jahr 2012 wurden die Akten erneut geöffnet  – nun übernahm eine neue, beim Landeskriminalamt (LKA) eingerichtete Mordkommission, die sich nur mit Altfällen befasst. „Die damaligen Tatverdächtigen wurden dabei erneut überprüft“, sagte Herbst.

Im Mai 2016 starb der ältere der beiden Verdächtigen. Erst danach wandten sich Zeugen an die Polizei. Sie sagten, dass der Mann  von einer Tatbeteiligung erzählt  habe. In diesem Gespräch soll er auch  seinen damals besten Freund belastet haben, sagte Herbst.

Abschiedsbrief hinterlassen

Dieser Freund von einst lebte inzwischen in Österreich. Die Ermittler vom LKA besuchten ihn dort Ende Oktober.  Sie wollten ihn nur befragen, denn  mit strafrechtlichen Konsequenzen musste der Mann nicht rechnen. Er war zur Tatzeit 13 Jahre alt und somit strafunmündig.

Der inzwischen 36-Jährige  leugnete nicht, dass sein Freund etwas mit dem Tod von Andrea Lohagen zu tun hat.  Er gestand  auch, dass er  mehr wisse. Doch über eine mögliche eigene Tatbeteiligung wollte er    erst reden, wenn er mit seiner  Familie   gesprochen hat. „Er wollte sich den familiären Rückhalt sichern“, sagte Polizeisprecher Herbst.

Für diese Woche waren die Brandenburger Ermittler erneut mit dem Mann in  Österreich verabredet.   Der er war bereits tot.  Wenige Stunden nach seiner Befragung hatte er einen Abschiedsbrief geschrieben und die  eheliche Wohnung verlassen.  Seine Familie schaltete  sofort die Polizei ein.  Der 36-Jährige wurde drei Tage später tot gefunden. Er hatte sich von einem Berg gestürzt.  

Die mutmaßlichen Täter sind ermittelt. Das ist eine gute Nachricht für die Eltern von Andrea Lohagen. Doch sie werden nun wohl niemals  erfahren, wie – und vor allem warum – ihre jüngste Tochter sterben musste.

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